Entscheidungsdatum: 16.03.2011
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird das Urteil der Zivilkammer 63 des Landgerichts Berlin vom 24. November 2009 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als hinsichtlich der Räumung zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 12.715,44 € festgesetzt.
I.
Der Nichtzulassungsbeschwerde ist stattzugeben, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO, § 544 Abs. 6 und 7 ZPO). Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in mehreren Punkten in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Dies führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils und in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
II.
1. Der Beklagte hat das Mietverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 30. April 2007 wegen Eigenbedarfs gekündigt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass seine Schwester nebst Ehemann und Kindern in die bisher vom Kläger bewohnte Erdgeschosswohnung der Villa einziehen wolle. Außerdem wolle seine Mutter mit ihrem Lebensgefährten das noch auszubauende und mit der Erdgeschosswohnung zu verbindende Souterrain beziehen. Das Berufungsgericht hat diesen Nutzungswunsch des Beklagten nach Vernehmung der vom Beklagten benannten Zeugen G. und B. H. (Schwester und Mutter des Beklagten) für bewiesen erachtet. Dabei hat es das rechtliche Gehör des Klägers verletzt, weil es die gegenbeweislich vom Kläger benannten Zeugen nicht vernommen und den Vortrag des Klägers, dass der vom Beklagten geplante Umbau des Souterrains zu Wohnzwecken nicht genehmigungsfähig und die beabsichtigte Nutzung deshalb nicht realisierbar sei, in seinem Kern nicht gewürdigt hat.
2. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Geht das Gericht in seinen Entscheidungsgründen auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage nicht ein, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, so lässt das auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfGE 86, 133, 145 f.; BGH, Beschluss vom 6. April 2009 - II ZR 117/08, NJW 2009, 2139 Rn. 2, 5 f.). Bei der Beurteilung einer Eigenbedarfskündigung muss das Gericht sämtlichen vom Mieter vorgetragenen Gesichtspunkten nachgehen, die Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Selbstnutzungswunsches des Vermieters begründen, denn vorgeschobene Kündigungen verdienen keinen Schutz (BVerfG, NJW-RR 1995, 392 f.).
a) Der Kläger hat geltend gemacht, der Lebensgefährte der Mutter des Beklagten, Herr Dr. K., sei selbst pflegebedürftig und beabsichtige nicht, seinen bisherigen Wohnsitz in K. aufzugeben und zur Familie seiner Lebensgefährtin in eine Souterrainwohnung nach B. zu ziehen. Zum Beweis hat er sich auf dessen Zeugnis berufen. Ferner hat der Kläger behauptet, dass der Beklagte die gesamte Villa auch noch nach dem Ausspruch der Eigenbedarfskündigung zum Verkauf angeboten habe. Dazu hat er vorgetragen, dass sich der Zeuge Ka. für das Objekt interessiert und am 17. September 2007 mit dem Zeugen A., einem Makler, darüber gesprochen habe; dieser habe sich durch Rücksprache mit dem Beklagten vergewissert, dass die Villa insgesamt zum Verkauf stehe, und dem Zeugen Ka. sodann ein Exposé übersandt. Auch der vom Beklagten beauftragte Parkettleger habe gegenüber der Zeugin D. P. bei einem Gespräch am 27. August 2009 angegeben, dass nach den Angaben des Beklagten die gesamte Villa veräußert werden solle.
Mit den in das Wissen der benannten Zeugen gestellten Behauptungen zu den Verkaufsabsichten des Beklagten und der fehlenden Umzugsabsicht des Lebensgefährten der Mutter des Beklagten hat der Kläger die Ernsthaftigkeit des vom Beklagten geltend gemachten Eigennutzungswunsches in Frage gestellt; es handelt sich dabei um das zentrale Verteidigungsvorbringen des Klägers gegen die Widerklage. Damit hätte sich das Berufungsgericht auseinandersetzen und die angebotenen Beweise erheben müssen.
b) Zu dem vom Beklagten geplanten Ausbau des Souterrains zu Wohnzwecken hat der Beklagte unter Berufung auf eine vom zuständigen Bezirksamt als Baugenehmigungsbehörde einzuholende Auskunft vorgetragen, diese Planung sei unter anderem deshalb nicht genehmigungsfähig, weil die Oberkante des Geländes vor den Fenstern ca. 80-90 cm über dem Fußboden der Räume liege; das Souterrain sei als Kellergeschoss zu qualifizieren, in dem eine Wohnnutzung nicht zulässig sei. Ergänzend hat der Kläger - zutreffend - darauf hingewiesen, dass die vom Beklagten mit der Berufungsbegründung vorgelegten Unterlagen (nur) eine Baugenehmigung für die Wiederherstellung einer Treppe vom Souterrain zum Erdgeschoss enthielten, nicht aber eine Genehmigung zum Ausbau des Souterrains zu Wohnzwecken. Über dieses ebenfalls zentrale Verteidigungsvorbringen des Klägers hat sich das Berufungsgericht in gehörswidriger Weise hinweggesetzt, indem es nur auf die Baugenehmigung für die Innentreppe abgestellt und angenommen hat, es bestünden keine konkreten Zweifel an der Durchführbarkeit der vom Beklagten geplanten Umbaumaßnahmen und der Nutzung auch des Souterrains als Wohnraum.
Ball Dr. Milger Dr. Hessel
Dr. Achilles Dr. Schneider