Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 04.11.2010


BGH 04.11.2010 - VI ZB 86/09

Rechtsanwaltsgebühr: Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr in Altfällen vor der gesetzlichen Neuregelung


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
04.11.2010
Aktenzeichen:
VI ZB 86/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend KG Berlin, 16. November 2009, Az: 27 W 81/09, Beschlussvorgehend LG Berlin, 22. Juni 2009, Az: 17 O 286/08, Beschluss
Zitierte Gesetze
Nr 3100 RVG-VV

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 27. Zivilsenats des Kammergerichts ohne Datum, Aktenzeichen 27 W 81/09, dem Beklagten zugestellt am 16. November 2009, aufgehoben.

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Berlin vom 22. Juni 2009 - 17 O 286/08 - dahin abgeändert, dass über die dort festgesetzten Kosten hinaus die von dem Kläger an den Beklagten aufgrund des Urteils des Landgerichts Berlin vom 21. April 2009 zu erstattenden Kosten auf weitere 290,07 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. April 2009 festgesetzt werden.

Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.

Streitwert: 290,07 €

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten um Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall. Das Landgericht hat die Klage durch vorläufig vollstreckbares Urteil vom 21. April 2009 abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Hierauf gestützt hat der Beklagte mit am 24. April 2009 beim Landgericht eingegangenem Schriftsatz die Festsetzung von Kosten in Höhe von 1.139,43 € gegen den Kläger beantragt. Darin war nach einem Streitwert von 6.512,50 € eine 1,3-fache Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG in Höhe von 487,50 € netto enthalten.

2

Die Rechtspflegerin beim Landgericht hat die nach einem Streitwert von 6.512,50 € bemessenen Kosten des Beklagten auf insgesamt 849,36 € festgesetzt und dabei die Verfahrensgebühr mit Rücksicht auf die außergerichtlich angefallene Geschäftsgebühr der Prozessbevollmächtigten des Beklagten nur hälftig in Höhe von 243,75 € netto in Ansatz gebracht. Die sofortige Beschwerde des Beklagten mit dem Ziel, die Anrechnung der außergerichtlichen Gebühr zu beseitigen, hatte keinen Erfolg. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Festsetzung der ungekürzten 1,3-fachen Verfahrensgebühr weiter.

II.

3

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 575 ZPO) hat Erfolg.

4

Die Auffassung des Beschwerdegerichts, dass es nach Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG zu einer Kürzung der von dem Beklagten angesetzten Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG auf den 0,65-fachen Satz kommen müsse, woran § 15a RVG nichts ändere, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

5

Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat bereits in mehreren Entscheidungen angeschlossen hat, ist § 15a RVG auch auf noch nicht abgeschlossene Kostenfestsetzungsverfahren anzuwenden. Danach ist auch für die Zeit vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2449) davon auszugehen, dass die in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG angeordnete Anrechnung für die Höhe der gesetzlichen Gebühren, deren Erstattung § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO im Verhältnis der Prozessparteien untereinander vorsieht, ohne Bedeutung ist, so dass eine obsiegende Prozesspartei die Erstattung einer ungekürzten Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG beanspruchen kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. September 2009 - II ZB 35/07, NJW 2009, 3101 Rn. 6 ff.; vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 175/07, NJW 2010, 1375, Rn. 11 ff.; vom 3. Februar 2010 - XII ZB 177/09, AGS 2010, 106 unter III 3; vom 11. März 2010 - IX ZB 82/08, juris, Rn. 6; vom 29. April 2010 - V ZB 38/10, AGS 2010, 263 unter III 1; vom 10. August 2010 - VIII ZB 15/10, z.V.b., Rn. 9 f.).

6

Die Rechtsbeschwerde rügt danach zu Recht, dass das Beschwerdegericht die angemeldete Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG nur gekürzt und nicht mit dem 1,3-fachen Satz in Ansatz gebracht hat. Da in der Sache keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, sondern der Sachverhalt zur Endentscheidung reif ist, entscheidet der Senat gemäß § 577 Abs. 5 ZPO selbst.

Galke                                         Zoll                                       Wellner

                   Diedrichsen                                    Stöhr