Entscheidungsdatum: 13.01.2015
Eine Partei, der in erster Instanz Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, darf grundsätzlich davon ausgehen, dass bei unveränderten wirtschaftlichen Verhältnissen auch in der zweiten Instanz ihre Bedürftigkeit bejaht wird. Diese Voraussetzung ist aber dann nicht gegeben, wenn die Partei oder ihr anwaltlicher Vertreter (§ 85 Abs. 2 ZPO) erkennen kann, dass die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht gegeben sind. Das gilt insbesondere dann, wenn im Hinblick darauf, dass der Partei vom Gericht ein entsprechender Hinweis erteilt worden ist, vernünftigerweise mit einer Verweigerung der Prozesskostenhilfe mangels Bedürftigkeit zu rechnen ist.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 29. Juli 2014 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.
Gegenstandswert: bis 5.000,00 €
I.
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Ersatz materiellen und immateriellen Schadens wegen nach ihrer Behauptung fehlerhafter zahnärztlicher Behandlung. Das Landgericht hat die Klage überwiegend abgewiesen. Das Urteil ist der Klägerin am 5. März 2014 zugestellt worden. Mit einem am 4. April 2014 beim Oberlandesgericht eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz hat die Klägerin unter Beifügung des Entwurfs einer Berufungs- und Berufungsbegründungsschrift Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Berufung beantragt. Mit gerichtlicher Verfügung vom 29. April 2014 ist sie darauf hingewiesen worden, dass Prozesskostenhilfe augenblicklich nicht bewilligt werden könne, weil nicht auszuschließen sei, dass der Klägerin gegenüber ihrem Ehemann ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss gemäß § 1360a Abs. 4 Satz 1 BGB zustehe. Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2014 hat die Klägerin einen Nachweis über die von ihrem Ehemann zu zahlenden Krankenversicherungsprämien eingereicht und - allein unter Beifügung eines Bahnfahrscheins - Kosten für doppelte Haushaltsführung und Fahrtkosten ihres Ehemannes geltend gemacht. Mit Beschluss vom 26. Mai 2014 hat das Oberlandesgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Bedürftigkeit zurückgewiesen. Dieser Beschluss ist der Klägerin am 16. Juni 2014 zugestellt worden. Am 26. Juni 2014 hat die Klägerin mit anwaltlichem Schriftsatz Berufung eingelegt, diese begründet und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Fristen zur Einlegung und zur Begründung der Berufung beantragt. Das Oberlandesgericht hat die begehrte Wiedereinsetzung versagt und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde.
II.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig.
1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Der angefochtene Beschluss verletzt die Klägerin nicht in ihrem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip).
2. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen. Der Wiedereinsetzungsantrag vom 26. Juni 2014 ist nicht fristgerecht gestellt worden.
a) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden (§ 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Gemäß § 234 Abs. 2 ZPO beginnen die Fristen mit dem Tag zu laufen, an dem das Hindernis behoben ist.
Beide Fristen waren zum Zeitpunkt des Eingangs des Schriftsatzes vom 26. Juni 2014 abgelaufen, denn sie haben vorliegend spätestens bei Abfassung des Schriftsatzes vom 19. Mai 2014 zuzüglich einiger Tage Überlegungszeit (vgl. Senatsbeschluss vom 19. März 2013 - VI ZB 68/12, VersR 2013, 1459 Rn. 11) zu laufen begonnen.
b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfrist dann nicht schuldhaft versäumt, wenn der Rechtsmittelkläger innerhalb der Frist Prozesskostenhilfe beantragt hat und auf deren Bewilligung vertrauen durfte (vgl. Senatsbeschluss vom 19. März 2013 - VI ZB 68/12, aaO mwN). Letzteres war hier spätestens bei Abfassung des Schriftsatzes vom 19. Mai 2014 nicht mehr der Fall.
aa) Allerdings darf eine Partei, der - wie hier der Klägerin - in erster Instanz Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, grundsätzlich davon ausgehen, dass bei unveränderten wirtschaftlichen Verhältnissen auch in der zweiten Instanz ihre Bedürftigkeit bejaht wird (BGH, Beschlüsse vom 23. Februar 2000 - XII ZB 221/99, NJW-RR 2000, 1387; vom 23. Februar 2005 - XII ZB 71/00, FamRZ 2005, 789, juris Rn. 8 und vom 17. Juli 2013 - XII ZB 174/10, FamRZ 2013, 1720, juris Rn. 21). Diese Voraussetzung ist aber dann nicht gegeben, wenn die Partei oder ihr anwaltlicher Vertreter (§ 85 Abs. 2 ZPO) erkennen kann, dass die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht gegeben sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Juni 2001 - XI ZR 161/01, BGHZ 148, 66, 69 und vom 17. Juli 2013 - XII ZB 174/10, aaO Rn. 16). Das gilt insbesondere dann, wenn im Hinblick darauf, dass der Partei vom Gericht ein entsprechender Hinweis erteilt worden ist, vernünftigerweise mit einer Verweigerung der Prozesskostenhilfe mangels Bedürftigkeit zu rechnen ist (BGH, Beschluss vom 13. Januar 2010 - XII ZB 108/09, NJW-RR 2010, 424 Rn. 5). So liegt der Fall hier.
bb) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin hätte schon vor Kenntnis von der mit Beschluss vom 26. Mai 2014 erfolgten Zurückweisung ihres Prozesskostenhilfeantrags erkennen können und müssen, dass die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht gegeben sind, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin ist nämlich vom Gericht darauf hingewiesen worden, dass Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden könne, weil nicht auszuschließen sei, dass ihr gegenüber ihrem Ehemann ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss gemäß § 1360a Abs. 4 Satz 1 BGB zustehe. Der Hinweis enthielt eine genaue Berechnung der Höhe des nach Auffassung des Gerichts in Betracht kommenden Anspruchs anhand der Einkommen beider Ehepartner. Dass die Bedenken des Gerichts nicht auszuräumen waren, musste die Klägerin bzw. deren Prozessbevollmächtigte spätestens bei Abfassung des Schriftsatzes vom 19. Mai 2014 erkennen, denn die mit diesem Schriftsatz erfolgten Darlegungen waren ersichtlich nicht dazu geeignet, die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Prozesskostenvorschuss gegen den Ehemann der Klägerin zu verneinen.
cc) Das Berufungsgericht weist zutreffend darauf hin, dass sich dieser Anspruch aufgrund der von dem Ehemann der Klägerin zu zahlenden Krankenversicherungsprämien nur unwesentlich verringert. Mit einer Berücksichtigung der nunmehr für den Ehemann geltend gemachten, aber nicht näher erläuterten Kosten für doppelte Haushaltsführung und Fahrtkosten konnte schon deshalb nicht gerechnet werden, weil hierfür nur ein offensichtlich nicht ausreichender Beleg beigefügt war und es das Gericht zudem bereits in dem zuvor erteilten Hinweis abgelehnt hatte, auf Seiten des Ehemannes berufsbedingte Aufwendungen anzuerkennen, denn der Ehemann bezog seinerzeit Krankengeld und ging keiner beruflichen Tätigkeit nach. Bei dieser Sachlage konnte die Klägerin entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht damit rechnen, dass das Berufungsgericht von seiner in dem Hinweis zum Ausdruck gebrachten Auffassung abrücken würde.
3. Da die Berufung verspätet eingelegt und begründet worden ist (§ 517, § 520 Abs. 2 ZPO), hat das Berufungsgericht das Rechtsmittel mit Recht als unzulässig verworfen.
Galke Pauge Stöhr
Offenloch Oehler