Entscheidungsdatum: 19.03.2013
1. Will der Berufungskläger die Berufung erst nach der Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch begründen, hat er durch einen rechtzeitigen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist dafür zu sorgen, dass eine Wiedereinsetzung nicht notwendig wird.
2. Die Jahresfrist des § 234 Abs. 3 ZPO hat als Höchstfrist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand absoluten Charakter. Sie verfolgt den Zweck, eine unangemessene Verzögerung von Prozessen zu verhindern und den Eintritt der Rechtskraft zu gewährleisten.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 30. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 9. Oktober 2012 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.
Beschwerdewert: 2.570,76 €
I.
Die Klägerin macht Ansprüche auf Geldentschädigung wegen Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegen den Beklagten geltend.
Das Urteil des Amtsgerichts ist der Klägerin am 30. September 2010 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 1. November 2010, beim Landgericht eingegangen am 2. November 2010, hat sie Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes Berufungsverfahren beantragt. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 16. Februar 2011, der Klägerin zugestellt am 19. Februar 2011, die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil die Bedürftigkeit nicht nachgewiesen und die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht Erfolg versprechend seien. Die mit Schreiben vom 7. März 2011 dagegen erhobene Anhörungsrüge und Gegenvorstellung hat das Landgericht durch Beschluss vom 20. Februar 2012, der Klägerin zugegangen am 28. Februar 2012, zurückgewiesen. Am 13. März 2012 hat die Klägerin durch anwaltlichen Schriftsatz Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 24. September 2010 eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, dass sie ohne ihr Verschulden gehindert gewesen sei, die Berufungsfrist einzuhalten, denn sie habe aufgrund eines erfolgreichen Prozesskostenhilfegesuches beim Bundesgerichtshof im Sommer 2009 (BGH, Beschlüsse vom 22. Juli 2009 und vom 12. August 2009 - XII ZB 68/09) sowie ihrer seither unveränderten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse damit rechnen können, nach wie vor bedürftig im Sinne der §§ 114 ff. ZPO zu sein. Da das Landgericht bei seiner Entscheidung in vielerlei Hinsicht das Recht auf rechtliches Gehör verletzt habe, sei zu erwarten gewesen, dass es sich auf die Anhörungsrüge hin im Wege der Selbstkorrektur hinsichtlich der Frage der Bedürftigkeit der Ansicht des Bundesgerichtshofs anschließen oder andernfalls zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zulassen würde, trotz der Zurückweisung des Antrags auf Prozesskostenhilfe auch wegen der fehlenden Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung.
Durch Beschluss vom 16. April 2012 hat das Landgericht die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Kammer beabsichtige, die Berufung kostenpflichtig als unzulässig zu verwerfen, und dass sie das Wiedereinsetzungsgesuch in Bezug auf die Versäumung der Berufungsfrist für unbegründet erachte. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 9. Oktober 2012 hat das Landgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist zurückgewiesen und die Berufung verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.
II.
Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.
1. Obwohl der angegriffene Beschluss keine Sachverhaltsdarstellung enthält, kann von dessen Aufhebung und der Zurückverweisung der Sache an das Landgericht abgesehen werden. Durch die Bezugnahme auf den Hinweisbeschluss des Landgerichts vom 16. April 2012 sind tatsächliche Angaben zur Überprüfung des Beschlusses noch hinreichend gegeben.
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. zuletzt Senat, Beschluss vom 6. November 2012 - VI ZB 33/12, juris Rn. 4; BGH, Beschlüsse vom 31. März 2011 - V ZB 160/10, Grundeigentum 2011, 686 Rn. 3; vom 16. September 2010 - V ZB 95/10, juris Rn. 3; vom 11. Mai 2006 - V ZB 70/05, FamRZ 2006, 1030; vom 7. April 2005 - IX ZB 63/03, NJW-RR 2005, 916) müssen Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt wiedergeben (vgl. für Urteile: Senatsurteil vom 30. September 2003 - VI ZR 438/02, BGHZ 156, 216, 217 ff. mwN), wobei auch das mit dem Rechtsmittel verfolgte Rechtsschutzziel deutlich werden muss (vgl. BGH, Beschluss vom 31. März 2011 - V ZB 160/10 aaO mwN). Diese Anforderungen gelten auch für einen Beschluss, durch den die Berufung verworfen wird (vgl. Senat, Beschluss vom 16. November 2012 - VI ZB 33/12, aaO). Nach § 577 Abs. 2 Satz 4, § 559 ZPO hat das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich von dem Sachverhalt auszugehen, den das Beschwerdegericht festgestellt hat. Fehlen tatsächliche Feststellungen, ist es zu einer rechtlichen Überprüfung nicht in der Lage. Ausführungen des Beschwerdegerichts, die eine solche Überprüfung nicht ermöglichen, sind keine Gründe im zivilprozessualen Sinne.
2. Das Landgericht hat die Berufung der Klägerin mit Recht als unzulässig verworfen und die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist versagt.
a) Die Berufung ist schon deshalb unzulässig, weil sie nicht innerhalb der gemäß § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO am 30. November 2010 endenden Frist begründet worden ist. Ein Prozesskostenhilfeantrag beeinflusst den Lauf der Begründungsfrist nicht. Will der Berufungskläger die Berufung erst nach der Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch begründen, hat er durch einen rechtzeitigen Antrag auf Fristverlängerung dafür zu sorgen, dass eine Wiedereinsetzung nicht notwendig wird. Eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ist während laufender Frist nicht beantragt worden.
b) Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist kommt nicht mehr in Betracht, weil zum Zeitpunkt des Antrags auf Wiedereinsetzung am 13. März 2012 bereits vom Ende der versäumten Berufungsfrist am 2. November 2010 bzw. der versäumten Berufungsbegründungsfrist am 30. November 2010 an gerechnet mehr als ein Jahr verstrichen war (§ 234 Abs. 3 ZPO). Eines rechtlichen Hinweises an die Klägerin auf die Ausschlussfrist des § 234 Abs. 3 ZPO bedurfte es nicht. Der Klägerin war, wie aus ihrem Schreiben an das Landgericht vom 23. November 2011 hervorgeht, die Ausschlussfrist mit den daran gebundenen rechtlichen Folgen bekannt. Entgegen der dort von ihr vertretenen Auffassung greift die Frist des § 234 Abs. 3 ZPO im Streitfall ein.
Die Jahresfrist des § 234 Abs. 3 ZPO hat als Höchstfrist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand absoluten Charakter und verfolgt den Zweck, eine unangemessene Verzögerung von Prozessen zu verhindern und den Eintritt der Rechtskraft zu gewährleisten. Die Vorschrift ist allerdings dann nicht anwendbar, wenn die Ursache der Fristüberschreitung nicht in der Sphäre der Partei liegt, sondern allein dem Gericht zuzurechnen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Juni 1973 - VI ZR 121/73 - ZMR 1978, 152; BGH, Beschlüsse vom 20. Februar 2008 - XII ZB 179/07, NJW-RR 2008, 878 Rn. 15 und vom 7. Juli 2004 - XII ZB 12/03, FamRZ 2004, 1478, 1479; Hk-ZPO/Saenger, 5. Aufl., § 234 Rn. 8 f.). So liegt der Streitfall nicht.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zwar eine Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfrist nicht schuldhaft versäumt, wenn der Rechtsmittelkläger innerhalb der Frist Prozesskostenhilfe beantragt hat und auf deren Bewilligung vertrauen durfte (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 31. August 2005 - XII ZB 116/05, FamRZ 2005, 1901 f. und vom 19. Mai 2004 - XII ZA 11/03, FamRZ 2004, 1548). Es ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dann zu bewilligen, wenn er dies innerhalb der mit Kenntnis der Entscheidung über sein Prozesskostenhilfegesuch beginnenden Wiedereinsetzungsfrist beantragt und innerhalb der Frist auch die versäumte Prozesshandlung nachholt (BGH, Beschlüsse vom 22. Juni 2005 - XII ZB 34/04, NJW-RR 2005, 1586, 1587 und vom 31. Januar 2007 - XII ZB 207/06, FamRZ 2007, 801, 802). Dies hat die Klägerin nicht getan. Die Frist für die Einreichung des Wiedereinsetzungsgesuches hat mit der Zustellung des die Prozesskostenhilfe verweigernden Beschlusses am 19. Februar 2011 zuzüglich einiger Tage Überlegungszeit zu laufen begonnen. Für die Klägerin bestand kein begründeter Anlass zu der Annahme, dass das Berufungsgericht auf die mit ihrer Anhörungsrüge verbundenen Ausführungen hin die Erfolgsaussicht ihres Rechtsmittels bejahen und Prozesskostenhilfe bewilligen würde. Sie hat mithin die Wiedereinsetzungsfrist in die von ihr versäumten Fristen schuldhaft versäumt.
c) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde wird die Klägerin durch den angefochtenen Beschluss auch nicht in ihrem Grundrecht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Der Rechtssache kommt nicht die von der Rechtsbeschwerde angenommene grundsätzliche Bedeutung zu, weil der Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden habe, ob eine Anhörungsrüge die Fristen des § 234 Abs. 1 ZPO offen halten oder - auch bei Erfolglosigkeit - wieder in Gang setzen könne. Die Klägerin vermag insoweit bereits nicht aufzuzeigen, dass die von ihr dargelegten Rechtsfragen in Rechtsprechung und Rechtslehre umstritten sind und die Rechtssache damit eine Rechtsfrage im konkreten Fall als entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und klärungsfähig aufwirft, wodurch das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 291). Der fehlende Einfluss einer Anhörungsrüge auf den Fristenlauf, insbesondere auch auf die Wiedereinsetzungsfrist gemäß § 234 Abs. 1 ZPO, ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde geklärt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juni 2009 - IV ZB 2/09, r+s 2010, 40, 41 f. mwN).
Ein Zulassungsgrund ist insgesamt nicht dargetan.
Galke Zoll Wellner
Diederichsen Pauge