Entscheidungsdatum: 18.12.2017
NV: Die Entscheidung über den Lebensmittelpunkt erfordert nach ständiger Rechtsprechung des BFH eine tatrichterliche Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, die sich aus einer Zusammenschau mehrerer Einzeltatsachen ergibt. Gegebenenfalls kann deshalb auch ein Vergleich der Lage der Wohnungen als Indiz bei der Beurteilung des Lebensmittelpunkts von Bedeutung sein .
Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. März 2017 1 K 2579/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Soweit die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die geltend gemachten Zulassungsgründe überhaupt in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügenden Form dargelegt haben, liegen sie jedenfalls nicht vor.
1. Die Revision ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) zuzulassen. Die von den Klägern gerügte Divergenz zu dem Senatsurteil vom 5. Oktober 1994 VI R 62/90 (BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180) ist nicht gegeben.
Die Kläger machen geltend, das Finanzgericht (FG) habe entgegen der vorgenannten Entscheidung in BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180 nicht berücksichtigt, dass eine einmal aus beruflichem Anlass begründete doppelte Haushaltsführung unabhängig davon, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird, mit einkommensteuerrechtlicher Wirkung fortbesteht und damit unter Umständen bis zum Ende des Berufslebens zum Werbungskostenabzug führen kann.
Die Fortwirkung der doppelten Haushaltsführung unabhängig von den Gründen für deren Beibehaltung setzt aber zunächst voraus, dass die doppelte Haushaltsführung auch tatsächlich noch besteht. Dies erfordert insbesondere, dass am Beschäftigungsort nicht zugleich der Lebensmittelpunkt liegt (Senatsurteile vom 8. Oktober 2014 VI R 16/14, BFHE 247, 406, BStBl II 2015, 511; vom 7. Mai 2015 VI R 71/14, BFH/NV 2015, 1240). Das FG hat im Streitfall jedoch gerade angenommen, der Lebensmittelpunkt der Kläger habe sich mittlerweile an den Beschäftigungsort X verlagert und sich gerade nicht mehr --wie ursprünglich einmal-- in Y befunden. Dabei ist das FG --entgegen der Ansicht der Kläger-- auch nicht davon ausgegangen, die Verlagerung habe erst im Streitjahr 2012 stattgefunden. Die von diesen geführten Haushalte in X und Y stellen damit keine doppelte Haushaltsführung i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) dar.
2. Die Revision ist zudem nicht zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) zulassen.
Die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage, ob im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen der doppelten Haushaltsführung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG auch die jeweilige Lage des eigenen Hausstands sowie der Wohnung am Beschäftigungsort zu berücksichtigen ist, lässt sich an Hand der vorhandenen Rechtsprechung beantworten. Sie ist mithin nicht klärungsbedürftig.
Nach ständiger Rechtsprechung ist die Frage, ob die außerhalb des Beschäftigungsorts belegene Wohnung des Arbeitnehmers als Mittelpunkt seiner Lebensinteressen anzusehen ist und deshalb seinen (Haupt)Hausstand darstellt, anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen (vgl. Senatsurteile vom 22. Februar 2001 VI R 192/97, BFH/NV 2001, 1111; vom 9. August 2007 VI R 10/06, BFHE 218, 380, BStBl II 2007, 820; vom 28. März 2012 VI R 87/10, BFHE 236, 553, BStBl II 2012, 800, sowie in BFHE 247, 406, BStBl II 2015, 511, und in BFH/NV 2015, 1240; jeweils m.w.N.). Dementsprechend erfordert die Entscheidung über den Lebensmittelpunkt nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats eine tatrichterliche Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, die sich aus einer Zusammenschau mehrerer Einzeltatsachen ergibt. Indizien können sein, wie oft und wie lange sich der Arbeitnehmer in der einen und der anderen Wohnung aufhält, wie beide Wohnungen ausgestattet und wie groß sie sind. Von Bedeutung sind auch die Dauer des Aufenthalts am Beschäftigungsort, die Entfernung beider Wohnungen sowie die Zahl der Heimfahrten. Erhebliches Gewicht hat ferner der Umstand, zu welchem Wohnort die engeren persönlichen Beziehungen (z.B. Art und Intensität der sozialen Kontakte, Vereinszugehörigkeiten und andere Aktivitäten) bestehen (Senatsbeschlüsse vom 9. Februar 2015 VI B 80/14, BFH/NV 2015, 675, und vom 6. August 2014 VI B 38/14, BFH/NV 2014, 1904; jeweils m.w.N.). Da es sich um eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalls handelt, kann deshalb gegebenenfalls auch ein Vergleich der Lage der Wohnungen als Indiz bei der Beurteilung des Lebensmittelpunkts von Bedeutung sein.
3. Soweit die Kläger schließlich noch die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) begehren, genügt die Beschwerdebegründung nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
a) Macht der Beschwerdeführer geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), so muss er zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen. Des Weiteren muss er substantiiert darauf eingehen, weshalb die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Zur schlüssigen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage muss er außerdem begründen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und streitig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Oktober 2008 II B 74/08, BFH/NV 2009, 125).
b) Die Kläger haben schon über die vorstehend aufgeworfene, jedoch nicht klärungsbedürftige Rechtsfrage hinaus keine weitere abstrakte Rechtsfrage formuliert. Die Frage, "ob die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG vorliegen" ist evident keine abstrakte Rechtsfrage i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Daran ändert auch nichts, dass die Kläger die Situation nachfolgend dahingehend näher eingrenzen, dass es um "Eheleute mit Kindern" gehen soll, "die gemeinsam am Beschäftigungsort wohnen, dort (gemeinsam) ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen, ihre bisherige Wohnung beibehalten und daher die doppelte Haushaltsführung beantragen", und fragen, "ob die Voraussetzungen der doppelten Haushaltsführung in diesen Fällen vorliegen".
Nichts anderes gilt für die weitere Formulierung, "unter welchen Voraussetzungen bei einer Doppelverdienerehe von Eheleuten, die am gleichen Beschäftigungsort wohnen und dort (volljährige) Kinder haben, eine doppelte Haushaltsführung vorliegt". Eine solche offene Frage ist in einem Revisionsverfahren auch nicht klärungsfähig. Denn sie lässt sich nicht mit "Ja" oder "Nein" beantworten (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 29. Februar 2012 I B 88/11, BFH/NV 2012, 1089, m.w.N.), sondern hängt von den spezifischen Umständen des Einzelfalls ab, wobei die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitnehmer außerhalb seines Beschäftigungsorts einen eigenen Hausstand unterhält, in der Rechtsprechung des BFH zudem hinreichend geklärt ist (Senatsbeschluss vom 20. Januar 2016 VI B 61/15, BFH/NV 2016, 747). Neue Gesichtspunkte, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen, sind nicht erkennbar.
4. Von einer Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.