Entscheidungsdatum: 20.01.2016
1. NV: Es ist in der Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitnehmer außerhalb seines Beschäftigungsortes einen eigenen Hausstand unterhält .
2. NV: Hiernach ist anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen, ob die außerhalb des Beschäftigungsortes belegene Wohnung des Arbeitnehmers als Mittelpunkt seiner Lebensinteressen anzusehen ist und deshalb seinen Hausstand darstellt. Das gilt auch dann, wenn beiderseits berufstätige Ehegatten während der Woche am Beschäftigungsort zusammenleben .
Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 29. April 2015 3 K 554/13 E wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Die Beschwerde ist --bei erheblichen Bedenken gegen ihre Zulässigkeit-- jedenfalls unbegründet und daher zurückzuweisen.
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) zuzulassen. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Dabei muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig sein (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 24. Mai 2012 VI B 120/11, BFH/NV 2012, 1438, m.w.N.).
a) Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben mit ihrer Beschwerde keine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage aufgeworfen.
Die Kläger halten die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam, ob ein Hausstand i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr (2011) geltenden Fassung nur vorliegt, "wenn das Leben am Wochenende hauptsächlich in der Wohnung stattfindet und dabei ordentlich elektrische Energie verbraucht wird". Grundsätzlich bedeutsam sei auch die Frage, "ob die Pflege von Sozialkontakten außer Haus nur als Erholungsaktivitäten abgetan werden kann".
b) Diesen Fragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu. Denn es ist durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) hinreichend geklärt, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitnehmer außerhalb seines Beschäftigungsortes einen eigenen Hausstand unterhält. Hiernach ist anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen, ob die außerhalb des Beschäftigungsortes belegene Wohnung des Arbeitnehmers als Mittelpunkt seiner Lebensinteressen anzusehen ist und deshalb seinen Hausstand darstellt. Das gilt auch dann, wenn beiderseits berufstätige Ehegatten während der Woche am Beschäftigungsort zusammenleben. Dieser Umstand allein rechtfertigt es nicht, dort den Lebensmittelpunkt des Steuerpflichtigen und seiner (Haupt-)Bezugsperson zu verorten. In der Regel verlagert sich indes der Mittelpunkt der Lebensinteressen eines Arbeitnehmers an den Beschäftigungsort, wenn er dort mit seinem Ehegatten in eine familiengerechte Wohnung einzieht, auch wenn die frühere Wohnung beibehalten und zeitweise noch genutzt wird (Senatsurteil vom 8. Oktober 2014 VI R 16/14, BFHE 247, 406, BStBl II 2015, 511; Senatsbeschlüsse vom 9. Februar 2015 VI B 80/14, BFH/NV 2015, 675, und vom 5. Oktober 2011 VI B 58/11, BFH/NV 2012, 233, m.w.N.). Neue Gesichtspunkte, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen, haben die Kläger nicht aufgezeigt.
Das Finanzgericht (FG) ist von den vorgenannten Grundsätzen ausgegangen. Es hat nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung eine Einzelfallwürdigung vorgenommen. Dabei ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Klägerin im Streitjahr nicht in Y, sondern in X, ihrem Beschäftigungsort, befunden habe.
c) Soweit die Kläger (sinngemäß) rügen, das FG habe die Gesamtwürdigung rechtsfehlerhaft vorgenommen, kann diese Rüge nicht zur Zulassung der Revision führen. Denn die Rüge der falschen Rechtsanwendung und tatsächlichen Würdigung des Streitfalls durch das FG rechtfertigt die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht (BFH-Beschluss vom 10. Mai 2012 X B 71/11, BFH/NV 2012, 1461). Dass das FG in seinem Urteil einen Fehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung gemacht hat, wird nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich.
Das FG hat die von ihm vorgenommene Einzelfallwürdigung im Übrigen nicht --wie die Kläger behaupten-- auf die Frage des Stromverbrauchs in den Wohnungen in X und Y beschränkt. Es hat den Stromverbrauch lediglich als einen Gesichtspunkt im Rahmen seiner Gesamtwürdigung herangezogen, um festzustellen, an welchem Ort das wesentliche hauswirtschaftliche Leben der Kläger stattfand.
2. Die geltend gemachten Verfahrensmängel nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegen nicht vor.
a) Der behauptete Verstoß gegen den wesentlichen Inhalt der Akten ist nach der Rechtsprechung des BFH als solcher kein Verfahrensmangel (BFH-Beschluss vom 24. Juli 2007 X B 6/07, BFH/NV 2007, 1921). Er kann aber als Rüge verstanden werden, dass das FG entgegen § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO nicht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entschieden hat (BFH-Beschluss vom 8. Mai 2014 X B 105/13, BFH/NV 2014, 1213, m.w.N.).
Die Rüge eines derartigen Verfahrensverstoßes setzt die Darlegung voraus, dass das FG seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde gelegt habe, der dem schriftlichen oder protokollierten Vorbringen der Beteiligten nicht entspreche oder eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt gelassen habe (z.B. BFH-Beschluss vom 9. Juli 2012 III B 66/11, BFH/NV 2012, 1631).
Im Streitfall hat das FG entgegen der Auffassung der Kläger deren Bekundungen im Rahmen der Beteiligtenvernehmung zur Kenntnis genommen und bei seiner Gesamtwürdigung berücksichtigt. Der Umstand, dass das FG aus den Bekundungen der Kläger nicht die von ihnen für richtig gehaltenen Schlüsse gezogen hat, stellt keinen Verfahrensfehler dar.
b) Das FG hat auch nicht seine Hinweispflicht (§ 76 Abs. 2 FGO) verletzt.
Bei den richterlichen Hinweispflichten nach § 76 Abs. 2 FGO geht es weniger um die Sachaufklärung durch das Gericht als darum, Schutz und Hilfestellung für die Beteiligten zu geben, ohne dass deren Eigenverantwortlichkeit dadurch aber eingeschränkt oder beseitigt wird (Senatsbeschluss vom 7. Oktober 2015 VI B 49/15, BFH/NV 2016, 38, m.w.N.).
Die Kläger sehen eine Verletzung der Hinweispflicht darin, dass das FG vor der mündlichen Verhandlung am 29. April 2015 nicht auf die Entscheidungserheblichkeit der Frage des Stromverbrauchs hingewiesen habe. Dieser Einwand der Kläger greift in der Sache schon deshalb nicht durch, weil das FG die Kläger ausweislich des Sitzungsprotokolls bereits in der mündlichen Verhandlung vom 23. Juli 2014 darauf hingewiesen hatte, dass sie die (objektive) Beweislast für die geltend gemachte doppelte Haushaltsführung trügen, und beim Kläger nachgefragt hatte, ob er etwaige Beweismittel, z.B. Verbrauchsabrechnungen, vorlegen könne. Mit Schreiben vom 28. Juli 2014 bat das FG die Kläger außerdem darum, Unterlagen und Beweismittel vorzulegen, die ihre Behauptung, der Lebensmittelpunkt befinde sich in Y, bestätigen könnten. Bei dieser Sachlage brauchte das FG die Kläger nicht darauf hinweisen, dass es die von den Klägern selbst vorgelegten Stromrechnungen im Rahmen seiner Gesamtwürdigung maßgeblich berücksichtigen werde. Lediglich ergänzend weist der Senat in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich aus der von den Klägern vorgelegten --und vom FG in Bezug genommenen-- Stromrechnung vom 14. Januar 2013 entgegen dem Vorbringen der Kläger auch der Stromverbrauch der Wohnung in Y für das Streitjahr entnehmen ließ.
Im Übrigen verpflichten weder § 76 Abs. 2 FGO noch das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO), das Gericht die für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte mit den Beteiligten umfassend zu erörtern und ihnen die einzelnen für die Entscheidung maßgebenden Gesichtspunkte im Voraus anzudeuten oder das Ergebnis einer Gesamtwürdigung einzelner Umstände offenzulegen (Senatsbeschluss vom 25. Mai 2000 VI B 100/00, BFH/NV 2000, 1235).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.