Entscheidungsdatum: 17.05.2018
Die Anhörungsrüge des Beklagten zu 2 gegen den Beschluss des Senats vom 11. Januar 2018 wird zurückgewiesen.
I.
Mit Bescheid vom 7. Dezember 1992 restituierte das zuständige Amt zur Regelung offener Vermögensfragen mehrere ehemals volkseigene Grundstücke an den Beklagten zu 1; dieser wurde Anfang 1993 in das Grundbuch eingetragen und übertrug dem Beklagten zu 2, wie mit diesem 1991 wegen dessen angemeldeten Restitutionsansprüchen vereinbart, Ende 1997 unentgeltlich einen hälftigen Miteigentumsanteil an den restituierten Grundstücken. Mit notariellem Vertrag vom 23. Oktober 1998 verkauften beide Beklagten die Grundstücke für umgerechnet 808.544 € an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Das nach einem Widerspruch der Klägerin vom 14. Mai 1996 mit der Überprüfung des Restitutionsbescheids befasste Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen nahm diesen durch - rechtskräftigen - Bescheid vom 9. März 2007 mit Wirkung für die Vergangenheit zurück. Mit Bescheiden vom 20. September 2011 stellte die zuständige Zuordnungsbehörde fest, dass die Klägerin restitutionsberechtigt, die Restitution aber wegen des erfolgten Verkaufs ausgeschlossen sei. Die Klägerin verlangt von jedem der beiden Beklagten Zahlung von 404.272 € nebst Zinsen.
II.
Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Die Berufungen der Beklagten sind ohne Erfolg geblieben. Ihre Nichtzulassungsbeschwerden hat der Senat mit Beschluss vom 11. Januar 2018 (V ZR 98/17, juris) mit der Begründung zurückgewiesen, zwar trage die gegebene Begründung die Entscheidung des Berufungsgerichts in wesentlichen Punkten nicht (aaO Rn. 9-12); diese erweise sich aber aus einem anderen Grund als richtig. Die Beklagten hätten der Klägerin in analoger Anwendung von § 8 Abs. 4 Satz 2 und § 13 Abs. 2 Sätze 1 und 4 VZOG den jeweils erlangten Veräußerungserlös auszukehren, ohne Entreicherung einwenden zu können (aaO 13-18). Die Klägerin sei auch nicht auf Grund von Treu und Glauben gehindert, ihren Anspruch auf Herausgabe des ungeschmälerten Veräußerungserlöses entsprechend § 8 Abs. 4 Satz 2, § 13 Abs. 2 Sätze 1 und 4 VZOG gegen die Beklagten geltend zu machen (aaO 19-21). Dagegen wendet sich der Beklagte zu 2 mit der Anhörungsrüge, mit der er geltend macht, der Senat habe ihn mit der gegebenen Begründung überrascht und des Weiteren Vortrag zu dem zuletzt genannten Gesichtspunkt übergangen.
III.
Die Anhörungsrüge ist unbegründet, weil der Senat durch die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde den Anspruch des Beklagten zu 2 auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (vgl. § 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO).
1. Die Entscheidung des Senats ist nicht überraschend.
a) Das Gebot rechtlichen Gehörs gewährt den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens ein Recht darauf, im Verfahren zu Wort zu kommen, Anträge zu stellen und Ausführungen zu dem in Rede stehenden Sachverhalt, den Beweisergebnissen sowie zur Rechtslage zu machen. Darüber hinaus enthält Art. 103 Abs. 1 GG als weitergehende Garantie den Schutz vor Überraschungsentscheidungen. Da die Beteiligten gemäß Art. 103 Abs. 1 GG Gelegenheit erhalten sollen, sich zu dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt, den Beweisergebnissen und den Rechtsauffassungen vor Erlass der Entscheidung zu äußern, setzt eine den verfassungsrechtlichen Ansprüchen genügende Gewährung rechtlichen Gehörs voraus, dass die Verfahrensbeteiligten bei Anwendung der von ihnen zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermögen, auf welchen Vortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Es kann daher der Verhinderung eines Vortrags zur Rechtslage gleichkommen, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen bestimmten rechtlichen Gesichtspunkt abstellt. Dabei statuiert Art. 103 Abs. 1 GG zwar keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Gerichts. Die Parteien eines Zivilprozesses müssen, auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und ihren Vortrag darauf einstellen. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist aber dann anzunehmen, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt oder auf rechtliche Gesichtspunkte abstellt, mit denen eine gewissenhafte und kundige Partei auch unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen braucht (zum Ganzen: BVerfG, Beschluss vom 5. März 2018 - 1 BvR 1011/17, juris Rn. 16 mwN).
b) Mit diesen Maßstäben steht die Entscheidung des Senats in Einklang. Darin ist nicht auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abgestellt worden, mit dem eine gewissenhafte und kundige Partei auch unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte.
aa) Die von dem Senat gefundene Lösung liegt in der Sache nahe.
(1) Der Streit der Parteien betrifft nicht die Anwendung der allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts, sondern komplizierte Rechtsfragen des Wiedervereinigungsrechts, nämlich Fragen an der Schnittstelle zwischen Vermögensgesetz und Vermögenszuordnungsgesetz. Es spricht schon im Allgemeinen alles dafür, einen solchen Streit nicht mit der Anwendung der hierauf nicht zugeschnittenen Vorschriften des allgemeinen Bereicherungsrechts, sondern mit der Anwendung der zur Regelung ebensolcher Fragen geschaffenen speziellen Bestimmungen des Vermögens- oder Vermögenszuordnungsrechts zu lösen.
(2) Das gilt besonders in der vorliegenden Konstellation. Der Erwerb der Beklagten hat seine Grundlage in einem später aufgehobenen Restitutionsbescheid nach dem Vermögensgesetz. Der Restitutionsanspruch der Klägerin nach Art. 21 Abs. 3, Art. 22 Abs. 1 Satz 1 EinigVtr ist an der Veräußerung der Grundstücke durch die Beklagten aufgrund des Kaufvertrags vom 23. Oktober 1998 gescheitert, weil auch eine Veräußerung zu restituierender Grundstücke durch nicht an der Vermögenszuordnung beteiligte Personen oder Stellen die Restitution nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 VZOG ausschließt. Das legt es nahe, dann auch den in § 13 Abs. 2 VZOG als Gegenstück zu diesem Restitutionsausschluss vorgesehenen (BT-Drucks. 12/5553 S. 175) besonders ausgestaltete Herausgabeanspruch entsprechend anzuwenden.
bb) Mit einer solchen zuordnungsrechtlichen Herleitung des Anspruchs auf Erlösauskehr musste der Beklagte zu 2 auch nach dem Verlauf des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens rechnen. Der Beklagte zu 1 hat nämlich in der Begründung seines Antrags auf Zulassung der Revision erkannt, dass außer dem von den Vorinstanzen erwogenen bereicherungsrechtlichen Ansatz im Hinblick auf den zuordnungsrechtlichen Auslöser des Streits der Parteien der beschriebene zuordnungsrechtliche Lösungsansatz in Betracht kommt. Diesen Ansatz hat sich die Klägerin in der Beschwerdeerwiderung zu Eigen gemacht. Es konnte deshalb nicht überraschen, dass der Senat in dem Zurückweisungsbeschluss (mit den notwendigen Anpassungen für das Verhältnis zu einem nicht zuordnungsberechtigten Beteiligten) diesem Ansatz gefolgt ist.
2. Entgegen der Auffassung des Beklagten zu 2 war der Senat nicht gehindert, im Rahmen der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde auf diese zuordnungsrechtliche Begründung abzustellen. Weil das Berufungsurteil im Ergebnis richtig ist, kam eine Zulassung der Revision nur unter den Gesichtspunkten der grundsätzlichen Bedeutung oder der Fortbildung des Rechts in Betracht. Deren Voraussetzungen lagen indessen nicht vor.
Eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache scheiterte daran, dass es sich um eine Fragestellung zu auslaufendem Recht handelt. Solche Fragestellungen haben grundsätzliche Bedeutung nur, wenn eine höchstrichterliche Entscheidung wegen einer noch erheblichen Zahl von Fällen oder wegen der Bedeutung für das neue Recht für die Zukunft richtungsweisend sein kann. Das ist bei der hier gegebenen, sehr speziellen und sehr seltenen Konstellation nicht zu erwarten (Senat, Beschluss vom 11. Januar 2018 - V ZR 98/17, juris Rn. 7). Es kam schon bisher nicht häufig vor und wird in Zukunft kaum noch vorkommen, dass ein Restitutionsbescheid nach dem Vermögensgesetz Jahre nach einem Verkauf des restituierten Grundstücks mit Rückwirkung berechtigterweise wieder aufgehoben wird und dass der zwischenzeitlich erfolgte Verkauf Restitutionsansprüche der Kommunen zum Erlöschen bringt. Aus dem gleichen Grund scheitert, wie in dem Beschluss vom 11. Januar 2018 ausgeführt, auch eine Zulassung zur Fortbildung des Rechts.
3. Mit dem als übergangen gerügten Vortrag des Beklagten zu 2 zu der behaupteten Zusage der Verhandlungsführerin der Klägerin, den Widerspruch gegen den Restitutionsbescheid zurückzunehmen, hat sich der Senat in Rn. 19-21 seines Beschlusses vom 11. Januar 2018 im Einzelnen befasst. Er hat dort dargelegt, dass und aus welchen Gründen es auf diesen Vortrag für die Entscheidung des Rechtsstreits bei einem zuordnungsrechtlichen Ansatz nicht ankommt.
Stresemann |
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