Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 20.01.2012


BGH 20.01.2012 - V ZR 95/11

Untergang von Grundeigentum infolge eines Umlegungsverfahrens: Bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Wertersatz


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
20.01.2012
Aktenzeichen:
V ZR 95/11
Dokumenttyp:
Versäumnisurteil
Vorinstanz:
vorgehend OLG München, 21. März 2011, Az: 21 U 4994/10vorgehend LG München II, 18. Oktober 2010, Az: 14 O 3454/10
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Geht Grundeigentum infolge eines Umlegungsverfahrens unter, richtet sich ein zuvor entstandener, auf Herausgabe des Eigentums gerichteter bereicherungsrechtlicher Anspruch nicht auf die Herausgabe der Ersatzgrundstücke, sondern auf Wertersatz (Bestätigung des Senatsurteils vom 16. November 2007, V ZR 214/06, NVwZ 2008, 591 f.).

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 21. März 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Eine Mandantin der Klägerin (Streitverkündete) hat gegen den Beklagten einen mit Urteil des Oberlandesgerichts München vom 8. Februar 2007 titulierten Anspruch auf Herausgabe zweier Grundstücke. Infolge eines unanfechtbaren Umlegungsplans sind an die Stelle der beiden Grundstücke im Jahr 2008 andere Grundstücke getreten. Diesen Herausgabeanspruch und daraus resultierende Ersatzansprüche ließ die Klägerin mit Beschluss vom 28. April 2010 pfänden; zugleich wurde ihr die Forderung zur Einziehung überwiesen. Der Pfändung liegt eine Forderung der Klägerin gegen die Streitverkündete in Höhe von 15.496,78 € nebst Zinsen aus einem vollstreckbaren Kostenfestsetzungsbeschluss zugrunde. Die auf Zahlung dieses Betrags gerichtete Klage ist in den Tatsacheninstanzen erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

I.

2

Das Berufungsgericht meint, die Rechte des Beklagten setzten sich nach der Umlegung an den Ersatzgrundstücken fort. Es ergebe sich aus § 63 BauGB und § 818 Abs. 1 BGB, dass sich die Herausgabepflicht auf die neu zugewiesenen Grundstücke erstrecke. Aus diesem Grund sei an die Stelle des Herausgabeanspruchs kein Wertersatzanspruch gemäß § 818 Abs. 2 BGB getreten, so dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ins Leere gehe. Die Vollstreckung habe durch Herausgabe der Grundstücke an einen Sequester zu erfolgen.

II.

3

Nachdem der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht erschienen ist, ist durch Versäumnisurteil aufgrund einer Sachprüfung zu entscheiden.

4

Das Berufungsurteil hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

5

1. Die Pfändung ist wirksam. Insbesondere ist die gepfändete Forderung hinreichend bestimmt bezeichnet. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat das Revisionsgericht den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss als gerichtlichen Hoheitsakt selbst auszulegen; er muss die gepfändete Forderung und ihren Rechtsgrund so genau bezeichnen, dass bei verständiger Auslegung unzweifelhaft feststeht, welche Forderung Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein soll (Senat, Urteil vom 14. Januar 2000 - V ZR 269/98, NJW 2000, 1268, 1269; BGH, Urteil vom 28. April 1988 - IX ZR 151/87, NJW 1988, 2543, 2544 mwN). Diesen Anforderungen genügt der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, weil der Herausgabeanspruch aufgrund der Nennung der Titel mit Gericht, Datum und Aktenzeichen genau bezeichnet ist. Auch die Pfändung von daraus resultierenden Ersatzansprüchen genügt dem Bestimmtheitserfordernis. Nachdem der Anspruch an die Klägerin zur Einziehung überwiesen worden ist (§ 835 Abs. 1 ZPO), ist sie berechtigt, die Forderung gerichtlich geltend zu machen (§ 836 Abs. 1 ZPO).

6

2. Rechtsfehlerhaft nimmt das Berufungsgericht an, die Pfändung gehe ins Leere, weil sich der Anspruch gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 BauGB auf Herausgabe der infolge des Umlegungsverfahrens entstandenen Ersatzgrundstücke richte.

7

a) Bei der gepfändeten Forderung handelte es sich um einen Anspruch des Vertragserben auf Herausgabe einer Schenkung, der sich gemäß § 2287 Abs. 1 i.V.m. §§ 818 ff. BGB zunächst auf Herausgabe der beiden erlangten Grundstücke richtete. Der Umstand, dass sich die Eigentumsverhältnisse gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 BauGB an den neu zugeteilten Grundstücken fortsetzen, ändert nichts daran, dass die erlangten Grundstücke infolge des Umlegungsverfahrens nicht mehr existieren und ihre Herausgabe nicht möglich ist (vgl. Senat, Urteil vom 16. November 2007 - V ZR 214/06, NVwZ 2008, 591 Rn. 10).

8

b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts folgt aus § 818 Abs. 1 BGB nicht, dass sich die Herausgabeverpflichtung auf die neu zugewiesenen Grundstücke erstreckt. Nach dieser Vorschrift ist ein Surrogat nur im Fall der Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstandes herauszugeben. Die Umlegung fällt nicht darunter. Bereits in dem von dem Berufungsgericht genannten Urteil vom 16. November 2007 hat der Senat entschieden, dass sie keine "Entziehung" im Sinne von § 818 Abs. 1 BGB darstellt, weil das Umlegungsverfahren kein Fall der Enteignung ist (V ZR 214/06, NVwZ 2008, 591 f.).

9

c) § 818 Abs. 1 BGB ist auch nicht - wie das Berufungsgericht möglicherweise meint - im Hinblick auf § 63 Abs. 1 Satz 1 BauGB entsprechend anzuwenden. Dies scheidet schon deshalb aus, weil diese Vorschrift einen bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Herausgabe des Eigentums nicht erfasst. Sie sieht zwar vor, dass sich die Rechtsverhältnisse, die die alten Grundstücke betreffen und die nicht aufgehoben werden, an den zugeteilten Grundstücken fortsetzen. Dies bezieht sich aber nur auf die in § 61 Abs. 1 BauGB geregelten Rechtsverhältnisse, die der Gestaltungsbefugnis der Umlegungsstelle unterliegen und deren Aufhebung, Änderung oder Neubegründung durch den Umlegungsplan erfolgen kann (Löhr in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 11. Aufl., § 63 Rn. 3; HK-BauGB/Kirchmeier, 2. Aufl., § 63 Rn. 2). Soweit zu diesen Rechtsverhältnissen gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 BauGB auch persönliche Rechte zählen, "die zum Erwerb (…) eines im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücks berechtigen", sind nur vertragliche Ansprüche gemeint. Dazu gehören Forderungen aus Kaufverträgen sowie schuldrechtlich vereinbarte Wiederkaufs-, Vorkaufs- und Ankaufsrechte (vgl. Löhr, aaO, § 61 Rn. 11; Brügelmann/Schriever, BauGB [2007], § 61 Rn. 26; Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Otte, BauGB [2011], § 61 Rn. 45; aA offenbar BeckOK/Grziwotz, BauGB [Stand 1.11.2011], § 63 Rn. 6). Sonstige, auf Eigentumsverschaffung gerichtete schuldrechtliche Herausgabeansprüche sind nicht erfasst; sie wären einer Regelung durch den Umlegungsplan auch nicht zugänglich.

10

d) Weil § 818 Abs. 1 BGB unanwendbar ist, ist der Beklagte "aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande" im Sinne von § 818 Abs. 2 BGB und schuldet Wertersatz.

III.

11

1. Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zu der Höhe des Anspruchs getroffen. Daher ist das Urteil aufzuheben und zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

12

2. Den Parteien muss Gelegenheit gegeben werden, zu dem Wert der Grundstücke Stellung zu nehmen; dieser Gesichtspunkt hat in dem Verfahren bislang keine Rolle gespielt. Sollten sie darüber streiten, ob der Wert der Grundstücke die der Pfändung zugrunde liegende Forderung der Klägerin gegen die Streitverkündete übersteigt, käme es auf den objektiven Verkehrswert am Tag der Bekanntmachung der Unanfechtbarkeit des Umlegungsplans gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 BauGB an (Senat, Urteil vom 16. November 2007 - V ZR 214/06, NVwZ 2008, 591 Rn. 12 f.), und es wäre dem Beweisantritt der Klägerin nachzugehen.

Krüger                                              Stresemann                                           Czub

                         Brückner                                                 Weinland