Entscheidungsdatum: 18.12.2014
Die Selbstablehnung der Vorsitzenden Richterin am Bundesgerichtshof Dr. S. wird für begründet erklärt.
I.
1. Die klagende Bundesrepublik Deutschland war Verfügungsberechtigte über Wohnliegenschaften in Sachsen, die den Rechtsvorgängern der Beklagten verfolgungsbedingt entzogen und mit einem seit dem 13. März 2007 bestandskräftigen Bescheid des Bundesamts für Zentrale Dienste und offene Vermögensfragen restituiert wurden. Sie verlangt von den Beklagten Erstattung ihres Sanierungsaufwands. Ihre Klage hatte in den Vorinstanzen zum überwiegenden Teil Erfolg. Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberlandesgerichts haben die Beklagten Nichtzulassungsbeschwerde erhoben.
2. Mit dienstlicher Äußerung vom 7. November 2014 hat die Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Dr. S. angezeigt, dass ihre - verstorbenen -Eltern mit den Beklagten zu 1 und 2, nicht zuletzt aufgrund der gemeinsamen Erfahrungen im amerikanischen Exil, über Jahrzehnte freundschaftlich verbunden waren. Sie selbst habe seit Jahren keinen unmittelbaren Kontakt mit den beiden Beklagten und ihren Familien, sie fühle sich den Familien der Beklagten aber über ihre Eltern von Kindheit an verbunden. Hieraus könne sich die Besorgnis ihrer Befangenheit ableiten.
3. Die Parteien erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Klägerin hat erklärt, gegen die Selbstablehnung der Vorsitzenden Richterin bestünden keine Einwände. Die Beklagten haben erklärt, sie sähen keine Notwendigkeit, einen Befangenheitsantrag zu stellen.
II.
Der Senat hat gemäß § 48 Alt. 1 ZPO in Verbindung mit § 45 Abs. 1, § 46 Abs. 1 ZPO darüber zu entscheiden, ob ein Grund besteht, der die Besorgnis der Befangenheit begründet. Das ist der Fall.
1. Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist dann der Fall, wenn aus der Sicht einer Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom 15. März 2012 - V ZB 102/11, NJW 2012, 1890 Rn. 10 mwN). Nicht erforderlich ist dagegen, dass tatsächlich eine Befangenheit vorliegt. Vielmehr genügt es, dass die aufgezeigten Umstände geeignet sind, der betroffenen Partei Anlass zu begründeten Zweifeln zu geben; denn die Vorschriften über die Befangenheit von Richtern bezwecken, bereits den bösen Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit und Objektivität zu vermeiden (vgl. Senat, Beschluss vom 15. März 2012 - V ZB 102/11, aaO).
2. Ausgehend von diesen Grundsätzen begründet eine Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin in dem vorliegenden Verfahren die Besorgnis der Befangenheit.
a) Die Parteien haben eine Befangenheit der Vorsitzenden Richterin nicht klar und eindeutig ausgeschlossen.
b) Gegenstand des Rechtsstreit ist die Frage, ob die Beklagten als Nebenfolge der Wiedergutmachung des Unrechts, das ihnen und ihren Rechtsvorgängern in der NS-Zeit widerfahren ist, der Klägerin als bisheriger Verfügungsberechtigter Aufwendungsersatz zu leisten haben. In dem bei dem Senat anhängigen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens ist zu prüfen, welche höchstrichterlich klärungsbedürftigen Fragen die Verurteilung der Beklagten aufwirft. Die Ersatzpflicht des Restitutionsberechtigten ist in dem Vermögensgesetz nicht ausdrücklich geregelt, sondern von dem Bundesgerichtshof in entsprechender Anwendung von § 3 Abs. 3 Satz 4 VermG entwickelt worden und in hohem Maße von Wertungen abhängig. In diesem Zusammenhang könnten die ähnlichen Lebensschicksale zusammen mit der Verbundenheit, die die Richterin über ihre Eltern für die Familien der beiden Beklagten empfindet, trotz des fehlenden unmittelbaren Kontakts den bösen Schein möglicherweise fehlender Unvoreingenommenheit und Objektivität erwecken, dem entgegengewirkt werden soll.
Schmidt-Räntsch Czub Weinland
Kazele Göbel