Entscheidungsdatum: 17.01.2014
1. Die Beseitigung einer Einfriedigung, deren Beschaffenheit den Vorschriften des Landesnachbarrechts entspricht, kann selbst dann nicht verlangt werden, wenn die Art der Einfriedigung ästhetisch unschön und sonst nirgends vertreten ist.
2. Die Zweckbestimmung einer Nachbarwand (halbscheidige Giebelmauer, Kommunmauer), von jedem der beiden Nachbarn in Richtung auf sein eigenes Grundstück benutzt zu werden, muss nicht schon bei ihrer Errichtung vorliegen, sondern kann auch später durch Vereinbarung der Nachbarn getroffen werden.
Auf die Revisionen der Kläger und der Beklagten wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 23. November 2012 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als dem Klageantrag zu 3, dem ersten Hilfsantrag der Kläger zum Teil und der Widerklage stattgegeben worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin zu 1 und die Beklagte sind Eigentümer benachbarter Grundstücke; der Kläger zu 2 ist Nießbrauchsberechtigter an dem Grundstück der Klägerin zu 1. Auf bzw. an der gemeinsamen Grundstücksgrenze befinden sich drei zu dem Grundstück der Beklagten gehörende Garagenwände. Teile der Garagen wurden abgerissen. An die zweite und dritte Garagenwand wurden auf dem Grundstück der Klägerin zu 1 ein Anbau und ein Gewächshaus angebaut.
Mit Schreiben vom 19. Oktober 2007 forderten die Kläger die Beklagte zur Mitwirkung der Herstellung einer Einfriedigung auf der Grundstücksgrenze auf. Da es zu keiner Einigung kam, ließen die Kläger eine ca. 2 m hohe Leitplankenkonstruktion errichten, deren genauer Standort zwischen den Parteien ebenso streitig ist wie die Ortsüblichkeit der Anlage. Während des Rechtsstreits verlangte die Beklagte die Einfriedigung an der gemeinsamen Grenze mit einem Gitterzaun oder mit einer anderen, 1,20 m hohen ortsüblichen Einfriedigung.
Die Kläger haben die Feststellung verlangt, dass hinsichtlich der drei Garagenwände ein Überbau vorliegt, dass die Klägerin zu 1 Eigentümerin der sich auf ihrem Grundstück befindenden Überbauung ist, und dass die Klägerin zu 1 Miteigentum an der zweiten und dritten Garagenwand erlangt hat. Die Beklagte hat im Wege der Widerklage die Verurteilung der Kläger zur Beseitigung der Leitplankenkonstruktion verlangt. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Mit der Berufung haben die Kläger ihre Klageanträge weiterverfolgt und für den Fall der Unzulässigkeit des ersten Klageantrags hilfsweise die Verurteilung der Beklagten beantragt, die drei Garagenwände nicht abzureißen. Das Landgericht hat - unter Klageabweisung im Übrigen - das Miteigentum der Klägerin zu 1 an der zweiten und dritten Garagenwand festgestellt und die Beklagte verurteilt, den Abriss dieser Wände zu unterlassen. Die Kläger hat es zur Beseitigung der Leitplankenkonstruktion verurteilt.
Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision wollen die Kläger die Abweisung der Widerklage und die Beklagte die Beseitigung des Feststellungsausspruchs sowie der Unterlassungsverurteilung erreichen. Weiter beantragen die Parteien die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels.
I.
Soweit für das Revisionsverfahren von Belang, hält das Berufungsgericht den auf die Feststellung des Miteigentums der Klägerin zu 1 an der zweiten und dritten Garagenwand gerichteten Klageantrag für begründet. Bei der zweiten Garagenwand handele es sich um einen unrechtmäßigen unentschuldigten Überbau, bei der dritten Garagenwand um einen unrechtmäßigen entschuldigten Überbau. Letztlich könne dies jedoch offen bleiben. Denn diese Wände seien durch das Anbauen von Seiten des Grundstücks der Klägerin zu 1 in deren und der Beklagten Miteigentum übergegangen. Wegen des Miteigentums könnten die Kläger von der Beklagten verlangen, den Abriss der zweiten und dritten Garagenwand zu unterlassen. Die Leitplankenkonstruktion müssten die Kläger beseitigen, weil es sich nicht um eine ortsübliche Einfriedigung handele.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
II.
Revision der Kläger:
Die - in zulässiger Weise auf die Verurteilung zur Beseitigung der Leitplankenkonstruktion (Widerklage) beschränkte - Revision ist begründet.
1. Zu Recht nimmt das Berufungsgericht allerdings an, dass ein Anspruch der Beklagten gemäß § 1004 BGB i.V.m. §§ 35, 50 NachbG NRW in Betracht kommt. Nach diesen Vorschriften kann der Eigentümer des Nachbargrundstücks, hier die Beklagte, Beseitigung einer Einfriedigung verlangen, wenn Vorschriften des nordrhein-westfälischen Nachbarrechtsgesetzes über deren Beschaffenheit verletzt werden.
2. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht jedoch, dass es sich bei der Leitplankenkonstruktion nicht um eine ortsübliche Einfriedigung handelt. Die bisherigen Feststellungen tragen diese Ansicht nicht.
a) Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 NachbG NRW muss eine Einfriedigung ortsüblich sein. Die Bestimmung greift nur ein, wenn der eine von dem anderen Nachbarn die Einfriedigung an der gemeinsamen Grenze verlangt (§ 32 Abs. 1 Satz 1 NachbG NRW). Dieses Verlangen hat die Beklagte gestellt. Sie hat mit Schriftsatz vom 27. Januar 2012 von den Klägern die Einfriedigung mit einem - nach ihrer Ansicht ortsüblichen - Gitterzaun oder, falls sich eine ortsübliche Einfriedigung nicht feststellen lässt, mit einer anderen 1,20 m hohen Einfriedigung gefordert.
b) Maßgeblich für die Ortsüblichkeit sind die tatsächlich bestehenden Verhältnisse in dem zum Vergleich heranzuziehenden Gebiet im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen. Dies gilt auch für den vorliegenden Fall, dass ein Grundstückseigentümer gemäß § 32 Abs. 1, § 35 Abs. 1 NachbG NRW von seinem Nachbarn die Errichtung einer ortsüblichen Einfriedigung verlangt, somit auch dann, wenn - wie hier - in einem Rechtsstreit darüber zu entscheiden ist, ob die Beseitigung einer auf dem Nachbargrundstück bereits vorhandenen Einfriedigung verlangt werden kann (Senat, Urteil vom 22. Mai 1992 - V ZR 93/91, NJW 1992, 2569).
c) Das Berufungsgericht hat weder Feststellungen zu dem hier maßgeblichen Vergleichsgebiet getroffen noch festgestellt, welche Beschaffenheit von Einfriedigungen dort üblich ist. Solche Feststellungen sind jedoch unerlässlich für die Beantwortung der Frage, ob die Leitplankenkonstruktion ortsüblich ist oder nicht. Der bloße Hinweis des Berufungsgerichts, es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass im Wohnumfeld der Parteien derartige Einfriedigungen zu finden seien, reicht nicht aus. Denn die Verneinung der Ortsüblichkeit setzt zwingend voraus, dass es eine ortsübliche Einfriedigung gibt. Lässt sich eine solche nicht feststellen, kann es keine Einfriedigung geben, die nicht ortsüblich ist. Ein Anspruch der Beklagten gegen die Kläger auf Beseitigung der Leitplankenkonstruktion wegen deren Ortsunüblichkeit scheidet aus. Vielmehr kommt dann die Regelung in § 35 Abs. 1 Satz 2 NachbG NRW zur Anwendung, nach der eine etwa 1,20 m hohe Einfriedigung zu errichten ist. Nur auf Einhaltung dieser Bestimmung hat die Beklagte einen Anspruch. Denn der Beseitigungsanspruch ist in einem solchen Fall selbst dann ausgeschlossen, wenn die Art der Einfriedigung ästhetisch unschön und sonst nirgends vertreten ist (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1995, 469).
3. Anders als die Kläger meinen, sind sie beide für die von der Beklagten geltend gemachte gesetzeswidrige Beschaffenheit - falls sie besteht - der Leitplankenkonstruktion verantwortlich und somit Störer im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB.
a) Nach dem Tatbestand des Berufungsurteils haben sie die Anlage errichtet. Dies macht sie zu Handlungsstörern (vgl. nur Senat, Urteil vom 17. Dezember 2010 - V ZR 44/10, NJW 2011, 753 Rn. 10). Darüber hinaus sind sie auch Zustandsstörer, weil das Beibehalten der - eventuellen - gesetzeswidrigen Beschaffenheit der Konstruktion auf ihren Willen zurückgeht (vgl. Senat, Urteil vom 17. Dezember 2010 - V ZR 44/10, NJW 2011, 753 Rn. 13).
b) Anders als der Prozessbevollmächtigte der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gemeint hat, ändert es nichts an der Störereigenschaft des Klägers zu 2, dass er nicht (mehr) Grundstückseigentümer ist. Denn er ist aufgrund des Nießbrauchs unmittelbarer Besitzer des der Klägerin zu 1 gehörenden und von ihm bewohnten Hausgrundstücks (§ 1036 Abs. 1 BGB) und deshalb berechtigt, die für das Bewohnen notwendigen oder zweckmäßigen Verwaltungsmaßnahmen zu ergreifen (NK-BGB/Lemke, 3. Aufl., § 1030 Rn. 67). Somit hängt es auch von seinem Willen ab, ob die Konstruktion erhalten bleibt oder nicht.
4. Nach alledem hat das Berufungsurteil keinen Bestand, soweit der Widerklage stattgegeben worden ist. Insoweit ist es auf die Revision der Kläger aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Es muss aufklären, welches das für die Beurteilung der Ortsüblichkeit maßgebliche Vergleichsgebiet ist, und ob dort Einfriedigungen mit einer bestimmten Beschaffenheit üblich sind.
a) Lässt sich letzteres feststellen, muss das Berufungsgericht prüfen, ob die Leitplankenkonstruktion dieser Beschaffenheit entspricht. Ist dies der Fall, scheidet ein Beseitigungsanspruch der Beklagten aus. Ist dies nicht der Fall, begründet das allein noch keinen Beseitigungsanspruch. Hinzu kommen muss, dass die Konstruktion das Erscheinungsbild einer ortsüblichen Einfriedigung wesentlich stört (Senat, Urteil vom 22. Mai 1992 - V ZR 93/91, NJW 1992, 2569). Ob das so ist, muss das Berufungsgericht ebenfalls aufklären.
b) Lässt sich eine ortsübliche Einfriedigung nicht feststellen, kommt die Regelung in § 35 Abs. 1 Satz 2 NachbG NRW zur Anwendung. Danach ist eine etwa 1,20 m hohe Einfriedigung zu errichten. Das lässt das Beibehalten der Leitplankenkonstruktion zu. Jedoch kann die Beklagte die Änderung der Höhe der Konstruktion auf die im Gesetz vorgegebene Höhe verlangen, allerdings nur - ähnlich wie bei dem Beseitigungsanspruch - wenn die derzeitige Höhe von ca. 2 m wesentlich von der im Vergleichsgebiet üblichen Höhe von Einfriedigungen abweicht.
III.
Revision der Beklagten:
Auch diese Revision ist begründet. Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts reichen nicht aus, Miteigentum der Klägerin zu 1 an der zweiten und dritten Garagenwand und einen darauf beruhenden Anspruch der Kläger gegen die Beklagte auf Unterlassung des Abrisses dieser Wände zu bejahen.
1. Die Garagen wurden von dem der Beklagten gehörenden Grundstück aus über die Grenze auf das der Klägerin zu 1 gehörende Grundstück gebaut. Die Teile der auf diesem Grundstück stehenden Wände sind Überbauten, für welche grundsätzlich die Vorschriften der §§ 912 ff. BGB gelten (zu Ausnahmen bei der Nachbarwand siehe unten unter c)). § 912 BGB enthält allerdings keine Regelung über die Eigentumsverhältnisse an dem überbauten Gebäudeteil. Wer dessen Eigentümer ist, ergibt sich nach dem Willen des Gesetzgebers jedoch als mittelbare Folge der Vorschrift.
a) Muss der Grundstückseigentümer gemäß § 912 Abs. 1 BGB den Überbau des Nachbarn dulden, unterliegt der hinübergebaute Gebäudeteil nicht der in § 94 Abs. 1, § 946 BGB enthaltenen Grundregel, dass der Duldungspflichtige Eigentümer ist; vielmehr tritt entsprechend § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB die Wirkung ein, dass der Gebäudeteil als Scheinbestandteil des überbauten Grundstücks gemäß § 93, § 94 Abs. 2 BGB wesentlicher Bestandteil des Grundstücks bleibt, von welchem aus übergebaut wurde (siehe nur Senat, Urteil vom 23. Februar 1990 - V ZR 231/88, BGHZ 110, 298, 300 mwN). Dessen Eigentümer ist auch Eigentümer des überbauten Gebäudeteils.
b) Bei diesen Eigentumsverhältnissen bleibt es auch dann, wenn das überbaute Gebäude - wie hier - teilweise abgerissen worden ist und die Gebäudereste keine selbständige wirtschaftliche Bedeutung haben. Bei einem entschuldigten Überbau entfällt in diesem Fall zwar die Duldungspflicht des § 912 Abs. 1 BGB, weil ein vor der Zerschlagung zu schützender wirtschaftlicher Wert nicht mehr vorhanden ist (vgl. Staudinger/Roth, BGB [2009], § 912 Rn. 35 sowie Senat, Urteil vom 19. September 2008 - V ZR 152/07, NJWRR 2009, 24 Rn. 9). Eigentümer der Gebäudereste ist aber weiterhin der Eigentümer des Grundstücks, von dem aus überbaut worden ist.
c) Muss der Grundstückseigentümer den Überbau von vornherein nicht dulden, weil die in § 912 Abs. 1 BGB genannten Voraussetzungen für die Duldungspflicht nicht vorliegen, kommt die entsprechende Anwendung von § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht in Betracht. Der übergebaute Gebäudeteil gilt vielmehr nach § 94 Abs. 1 BGB als wesentlicher Bestandteil des überbauten Grundstücks. Eigentumsrechtlich wird er auf der Grundstücksgrenze lotrecht geteilt mit der Folge, dass jeder Teil dem Eigentümer der Grundstücksfläche gehört, auf der er steht (siehe nur Senat, Urteil vom 28. Januar 2011 - V ZR 147/10, NJW 2011, 1069 Rn. 17 mwN).
d) Ein besonderer Fall des Überbaus ist die Giebelmauer, die auch Nachbarwand oder Kommunmauer genannt wird. Das ist eine Mauer, welche von einem Grundstückseigentümer - nicht notwendig zur Hälfte - auf seinem und auf dem Nachbargrundstück errichtet wurde und dazu bestimmt ist, von jedem der beiden Nachbarn in Richtung auf sein eigenes Grundstück benutzt zu werden (siehe nur Senat, Urteil vom 27. Juli 2012 - V ZR 2/12, Grundeigentum 2012, 1309). Diese Zweckbestimmung beruht auf der beiderseitigen Verabredung der Nachbarn oder wenigstens auf der einseitigen Erwartung des Erbauers, dass der Nachbar die Mauer für den Bau seines Hauses benutzen kann (PWW/Lemke, BGB, 8. Aufl., § 921 Rn. 10). Mit dem Anbauen von dem überbauten Grundstück aus wird die Mauer eine gemeinschaftliche Grenzeinrichtung im Sinne von § 921 BGB. Es entsteht in Umwandlung einer eventuell bisher anderen Eigentumslage Miteigentum beider Grundstückseigentümer an der Mauer. Das gilt sowohl im Fall des entschuldigten (nicht vorsätzlich oder grob fahrlässigen) Überbaus (Senat, Urteil vom 30. April 1958 - V ZR 178/56, BGHZ 27, 197, 199 ff.) als auch im Fall des unentschuldigten Überbaus (Senat, Urteil vom 2. Februar 1965 - V ZR 247/62, BGHZ 43, 127, 129).
2. Entscheidend für die Eigentumsverhältnisse an den beiden noch streitbefangenen Garagenwänden ist somit, ob es sich um Nachbarwände im Sinne von § 7 NachbG NRW handelt, die also den auf dem Grundstück der Klägerin zu 1 errichteten Baulichkeiten als Abschlusswände oder zur Unterstützung oder Aussteifung dienen, oder - falls das nicht der Fall ist - ob die Kläger gemäß § 912 Abs. 1 BGB die Überbauten dulden müssen.
Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, dass die Klägerin zu 1 und die Beklagte Miteigentümerinnen der beiden Garagenwände sind. Die bisherigen Feststellungen tragen diese Ansicht nicht.
a) Bereits im Ausgangspunkt enthält das Berufungsurteil einen unauflösbaren Widerspruch. Einerseits meint das Berufungsgericht, bei der zweiten Garagenwand handele es sich um einen unentschuldigten Überbau, bei der dritten Wand um einen entschuldigten. Andererseits lässt es offen, ob hinsichtlich dieser Wände ein entschuldigter oder unentschuldigter Überbau gegeben ist. Feststellungen zu der Frage, ob und gegebenenfalls welche Wand ohne Vorsatz und ohne grobe Fahrlässigkeit (§ 912 Abs. 1 BGB) über die Grenze gebaut wurde, fehlen. Diese sind jedoch gegebenenfalls notwendig, um die Eigentumslage beurteilen zu können (siehe oben unter 1. a) und b)).
b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts gilt hier nicht deshalb etwas anderes, weil auf dem Grundstück der Klägerin zu 1 an die zweite und dritte Garagenwand angebaut wurde. Durch das Anbauen kann nur dann Miteigentum entstanden sein, wenn es sich bei den Wänden um Nachbarwände handelt (siehe vorstehend unter 1. c)). Das sind sie nach den bisherigen Feststellungen in dem Berufungsurteil jedoch nicht. Die Zweckbestimmung, von jedem der beiden Nachbarn in Richtung auf sein eigenes Grundstück als Abschlusswand oder zur Unterstützung oder Aussteifung der dort errichteten baulichen Anlagen (§ 7 NachbG NRW) benutzt zu werden, ist nicht festgestellt.
3. Wegen der fehlenden Feststellungen zu der rechtlichen Qualifikation der Wände als Nachbarwand oder als entschuldigter bzw. unentschuldigter Überbau hat das Berufungsurteil auch hinsichtlich der Entscheidung zur Klage, soweit für das Revisionsverfahren von Belang, keinen Bestand. Es ist insoweit ebenfalls aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO); in diesem Umfang ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Es muss aufklären, ob die Wände der zweiten und dritten Garage Nachbarwände sind.
a) Hierfür kommt es zunächst darauf an, ob die Wände verabredungsgemäß oder wenigstens in der Erwartung des Erbauers über die Grenze gebaut wurden, dass der Nachbar den übergebauten Teil für die Errichtung eigener baulicher Anlagen (§ 7 NachbG NRW) benutzen kann (siehe oben unter 1. c)).
aa) Lässt sich eine solche Verabredung nicht feststellen, hatte jedoch der Erbauer diese Erwartung, hindert die fehlende Zustimmung der Klägerin zu 1 oder ihrer Rechtsvorgänger zur Errichtung der Garagen unter Überschreitung der Grundstücksgrenze nicht die rechtliche Einordnung der Wände als Nachbarwände. Zwar ist die Zustimmung notwendig, weil es nicht der Willkür eines Grundstückseigentümers überlassen bleiben kann, ohne oder gegen den Willen seines Nachbarn eine Grenzeinrichtung zu schaffen, dafür dessen Grund und Boden in Anspruch zu nehmen und ihn auch noch mit Unterhaltungskosten zu belasten (§ 922 Satz 2 BGB); aber die Zustimmung kann auch nachträglich (Genehmigung) und konkludent erteilt werden (Senat, Urteil vom 15. Oktober 1999 - V ZR 77/99, BGHZ 143, 1, 5 mwN). Von einer solchen Zustimmung ist auszugehen, wenn - wie hier - der Nachbar die Wand bestimmungsgemäß nutzt und an sie anbaut (Schäfer/Fink-Jamann/Peter, NachbG NRW, § 8 Rn. 3). Dem steht nicht entgegen, dass nach § 8 Nr. 2 NachbG NRW die Zustimmung schriftlich abgegeben werden muss. Für die dritte Wand gilt diese Vorschrift schon deshalb nicht, weil die Garage bereits vor dem Jahr 1959 und damit vor dem Inkrafttreten des nordrhein-westfälischen Nachbarrechtsgesetzes am 1. Juli 1969 errichtet wurde (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1987, 531, 532). Falls die zweite Garage - was bisher nicht festgestellt ist - nach dem Inkrafttreten des Gesetzes gebaut wurde, ist die fehlende Schriftform bei der nachträglichen konkludenten Zustimmung unbeachtlich. Ob dies aus dem Verbot des widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) folgt, wonach der Nachbar sich nicht auf die fehlende schriftliche Zustimmung berufen kann, wenn er tatsächlich so handelt (Anbau), als habe er sie erteilt (Schäfer/Fink-Jamann/Peter, NachbG NRW, § 8 Rn. 3), oder - weil die Zustimmungserklärung dem Schuldrecht zuzuordnen ist - aus der fehlenden Regelungskompetenz des Landesgesetzgebers auf dem Gebiet des Schuldrechts (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1986, 239 f.; Staudinger/Roth, BGB [2009], § 921 Rn. 24; Reich, NachbG NRW, § 8 Rn. 3), kann offenbleiben.
bb) Ob das Anbauen von dem der Klägerin zu 1 gehörenden Grundstück aus mit oder ohne Zustimmung der Beklagten oder ihrer Rechtsvorgänger erfolgte, ist unerheblich. Denn die Zweckbestimmung der Wand als Nachbarwand setzt gerade voraus, dass sie von beiden Grundstücken aus für die Errichtung einer baulichen Anlage benutzt wird. Der Nachbar des Erbauers ist deshalb ohne weiteres zum Anbauen berechtigt. Für eine Nachbarwand im Sinne von §§ 7 ff. NachbG NRW ergibt sich das Anbaurecht aus § 12 Abs. 1 NachbG NRW.
cc) Dass die Wand der dritten Garage nicht auf ihrer gesamten Länge, sondern nur teilweise auf das Grundstück der Klägerin zu 1 übergebaut wurde, steht der Annahme, dass es sich um eine Nachbarwand handelt, nicht entgegen. Denn als Grenzeinrichtung im Sinne von § 921 BGB muss die Wand nicht notwendigerweise in voller Länge von der Grenze durchschnitten werden. Auch der „scheinbare“, nur auf einem der benachbarten Grundstücke stehende Teil einer Grenzeinrichtung ist zusammen mit dem von der Grenze durchschnittenen Teil insgesamt eine Grenzeinrichtung (Senat, Urteil vom 15. Oktober 1999 - V ZR 77/99, BGHZ 143, 1, 3 f.). Die von der Beklagten für ihre abweichende Ansicht herangezogenen Senatsentscheidungen (Urteil vom 26. Februar 1964 - V ZR 59/61, BGHZ 41, 177, 179 f.; Urteil vom 18. Mai 2001 - V ZR 119/00, NZM 2001, 817, 818) sind nicht einschlägig. Sie behandeln nicht den Fall des Anbaus an eine Nachbarwand, sondern den des Anbaus an eine ausschließlich auf dem Nachbargrundstück stehende Grenzwand (vgl. zu dieser Senat, Urteil vom 11. April 2008 - V ZR 158/07, NJW 2008, 2032 Rn. 12).
dd) Schließlich kommt es entgegen der Ansicht der Beklagten nicht darauf an, ob das an die dritte Garagenwand angebaute Gewächshaus entsprechend den Regeln der Baukunst errichtet wurde. Ein Verstoß dagegen kann allenfalls Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche begründen (Schäfer/Fink-Jamann/Peter, NachbG NRW, 16. Aufl., § 12 Rn. 5), ändert jedoch nichts daran, dass die Wand eine Nachbarwand sein kann.
b) Fehlt es an der gemeinsamen Zweckbestimmung von Anfang an oder hatte der Erbauer bei der Errichtung der Garagen nicht die Erwartung, dass der Nachbar die übergebauten Wände für die Errichtung eigener baulicher Anlagen benutzen kann, können die Wände später, nämlich im Zeitpunkt des Anbauens von Seiten des der Klägerin zu 1 gehörenden Grundstücks, zu Nachbarwänden geworden sein. Dies setzt voraus, dass das Anbauen mit Zustimmung der Beklagten oder ihres Rechtsvorgängers erfolgte. Eine solche nach der Errichtung der übergebauten Garagen getroffene Vereinbarung zwischen den benachbarten Grundstückseigentümern hat dieselben Rechtsfolgen wie in den Fällen, in denen die übergebauten Garagenwände schon bei ihrer Errichtung als Nachbarwände gedacht waren (Glaser, MDR 1956, 449, 450).
c) Gelangt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Wände der zweiten und dritten Garage Nachbarwände sind, kann es dahingestellt bleiben, ob die Grundstücksgrenze entschuldigt oder unentschuldigt im Sinne von § 912 Abs. 1 BGB überbaut wurde. In beiden Fällen ist mit dem von dem Grundstück der Klägerin zu 1 aus erfolgten Anbauen Miteigentum der Klägerin zu 1 und der Beklagten an diesen Wänden entstanden (siehe oben unter 1. c)). Deren Abriss zu unterlassen, kann die Klägerin zu 1 gemäß § 1004 Abs. 1 BGB von der Beklagten verlangen (vgl. Senat, Urteil vom 28. September 2007 - V ZR 276/06, BGHZ 174, 20 Rn. 7). Der Kläger zu 2 hat diesen Anspruch gemäß § 1004 Abs. 1 i.V.m. § 1065 BGB.
d) Stellt das Berufungsgericht fest, dass die Wände der zweiten und dritten Garage keine Nachbarwände sind, gelten für die Eigentumsverhältnisse die allgemeinen Regeln über den Überbau. Entscheidend ist also, ob die Grenzüberschreitung entschuldigt oder unentschuldigt im Sinne von § 912 Abs. 1 BGB erfolgte. Im ersten Fall ist die Beklagte Alleineigentümerin der Wände (siehe oben unter 1. a)). Ein eigentumsrechtlicher Anspruch der Kläger auf Unterlassung des Abrisses besteht nicht. Im zweiten Fall sind die Beklagte und die Klägerin zu 1 jeweils Alleineigentümerinnen der Teile der Wände, die auf ihrem Grundstück stehen (siehe oben unter 1. b)). Das Anbauen hat diese Eigentumslage nicht verändert. Die Kläger haben einen eigentumsrechtlichen Unterlassungsanspruch nur hinsichtlich der der Klägerin zu 1 gehörenden Teile der Wände. Allerdings darf die Beklagte ihr Recht zum Abriss nicht schrankenlos ausüben (§ 903 Satz 2 BGB), sondern muss das sich aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ergebende Rücksichtnahmegebot beachten (vgl. Senat, Urteil vom 29. Juni 2012 - V ZR 97/11, NJWRR 2012, 1160 Rn. 20; Urteil vom 8. Februar 2013 - V ZR 56/12, NJW-RR 2013, 650 Rn. 6 mwN). Dies kann in besonders gelagerten Ausnahmefällen zu der Verpflichtung des Eigentümers führen, die Weiterbenutzung einer ihm gehörenden Wand - gegebenenfalls gegen Entschädigung - zu dulden (vgl. Senat, Urteil vom 29. April 1977 V ZR 71/75, BGHZ 68, 350, 355).
4. Ein von der Eigentumslage unabhängiger Unterlassungsanspruch der Kläger gemäß § 922 Satz 3 BGB (vgl. dazu Senat, Urteil vom 15. Oktober 1999 - V ZR 77/99, BGHZ 143, 1, 8) besteht nicht. Voraussetzung dieses Anspruchs ist, dass die Wände Grenzeinrichtungen im Sinne von § 921 BGB sind. Das können sie durch das Anbauen von Seiten des der Klägerin zu 1 gehörenden Grundstücks nur geworden sein, wenn der Eigentümer des Nachbargrundstücks dem Anbauen zugestimmt hat. Ist dies der Fall, sind die Wände zu Nachbarwänden geworden (siehe vorstehend unter 3. b)) mit der Folge, dass die Klägerin zu 1 und die Beklagte Miteigentümerinnen geworden sind. Fehlt es an der Zustimmung, durften die Wände, die bei einem entschuldigten Überbau insgesamt im Alleineigentum der Beklagten stehen (siehe vorstehend unter 1. a)), nicht für die Errichtung von baulichen Anlagen auf dem Grundstück der Klägerin zu 1 verwendet werden. Durch die gleichwohl vorgenommenen einseitigen Maßnahmen wurden die Wände nicht zu einer gemeinsamen Grenzeinrichtung (vgl. Senat, Urteil vom 18. Mai 2001 - V ZR 119/00, NJW-RR 2001, 1528, 1529 zum Anbau an eine Grenzmauer). Bei einem unentschuldigten Überbau ist die Klägerin zu 1 zwar Alleineigentümerin der Teile der Wände, die auf ihrem Grundstück stehen (siehe vorstehend unter 1. b)) und durfte deshalb daran anbauen. Aber dadurch entstand ebenfalls keine gemeinsame Grenzeinrichtung. Denn diese kann ohne oder gegen den Willen des Nachbarn nicht geschaffen werden, weil sie ihn gemäß § 922 Satz 2 BGB mit Unterhaltungskosten belastet (Senat, Urteil vom 15. Oktober 1999 - V ZR 77/99, BGHZ 143, 1, 5).
Stresemann Lemke Schmidt-Räntsch
Czub Kazele