Entscheidungsdatum: 27.07.2012
Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 6. Dezember 2011 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Die Parteien sind Eigentümer nebeneinander liegender Grundstücke, welche mit aneinandergrenzenden Gebäuden mit einer gemeinsamen Giebelwand bebaut waren. Die Beklagte ließ ihr Gebäude abreißen. Hierdurch wurde die Giebelwand des Hauses der Klägerin freigelegt. Bereits vorher hatte die Beklagte angeboten, die Kosten für das Aufbringen eines zweilagigen Außenputzes an dem Giebel zu übernehmen. Dies lehnte die Klägerin ab, weil sie zusätzlich die Anbringung einer Wärmedämmung für erforderlich hielt. Während des Rechtsstreits ließ sie die Wärmedämmung und den Außenputz herstellen sowie Risse im Putz und im Boden des Treppenhauses sanieren.
Die Klägerin hat die Erstattung der dafür aufgewandten Kosten, von Gutachterkosten und von Rechtsanwaltskosten verlangt. Das Landgericht hat die Beklagte zur Erstattung von Kosten für den Außenputz, für die Risssanierung, von Gutachterkosten und von Rechtsanwaltskosten verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Verurteilung auf die Kosten der Wärmedämmung sowie auf höhere Gutachter- und Rechtsanwaltskosten erweitert. Mit der von ihm zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, will die Beklagte die Abweisung der Klage erreichen, soweit die Verurteilung über die Verpflichtung zur Erstattung der Kosten für die Risssanierung hinausgeht.
I.
Ausgehend von der Annahme, dass es sich bei der Giebelwand um eine gemeinsame Wand im Sinne von § 921 BGB handelt, weil die Grenze zwischen den Grundstücken der Parteien in der Mitte der Wand verläuft, kann die Klägerin nach Ansicht des Berufungsgerichts verlangen, dass ihr Recht auf ungehinderte Benutzung der Wand unangetastet bleibt. Weil das abgerissene Gebäude der Beklagten für das Haus der Klägerin auch eine wärmeisolierende Funktion gehabt habe, schulde die Beklagte die nach dem Stand der Technik erforderliche Anbringung einer Wärmedämmung. Die dafür von ihr aufgewendeten Kosten habe die Klägerin - ebenso wie die Kosten für den Außenputz, welche die Beklagte ebenfalls erstatten müsse, weil die Klägerin deren Angebot auf Anbringung des Putzes wegen des Anspruchs auf vorherige Anbringung der Wärmedämmung nicht habe annehmen müssen - nachvollziehbar belegt.
II.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
1. Die Klägerin kann von der Beklagten die Erstattung der Kosten für die Herstellung der Wärmedämmung und des Außenputzes nach §§ 683, 670 BGB oder nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, § 818 Abs. 2 BGB verlangen.
a) Im Ergebnis zutreffend bejaht das Berufungsgericht die Aktivlegitimation der Klägerin. Sie folgt aus der Regelung in § 10 Abs. 6 Satz 3 Alt. 1 oder 3 WEG.
b) Zu Recht - und von der Beklagten unbeanstandet - geht das Berufungsgericht davon aus, dass es sich bei der Giebelwand um eine gemeinschaftliche Grenzeinrichtung im Sinne von § 921 BGB handelt. Denn die Grundstücksgrenze verläuft in der Mitte der Wand; diese steht jeweils zur Hälfte auf den Grundstücken der Parteien, und von dem Grundstück der Beklagten aus wurde an sie angebaut. Es handelt sich deshalb um eine Nachbarwand, die auch als halbscheidige Giebelmauer oder Kommunmauer bezeichnet wird, welche dazu bestimmt ist, von jedem der beiden Nachbarn in Richtung auf sein eigenes Grundstück benutzt zu werden; das hierdurch begründete Rechtsverhältnis der Nachbarn ist durch die §§ 921, 922 BGB sowie - gegebenenfalls - durch landesrechtliche Vorschriften besonders geregelt (Senat, Urteil vom 18. Februar 2011 - V ZR 137/10, NJWRR 2011, 515, 516 Rn. 8).
c) Mit dem Abriss des Hauses der Beklagten ist die Giebelwand freigelegt und dadurch ungeschützt der Witterung ausgesetzt worden. Sie hat auch die wärmeisolierende Funktion des abgerissenen Gebäudes für das Haus der Klägerin verloren. Ein solcher - wovon mangels anderen Vortrags und anderer Anhaltspunkte auszugehen ist - ohne Zustimmung der Klägerin vorgenommener Eingriff verstößt gegen § 922 Satz 3 BGB. Diese Vorschrift schützt nicht nur die Substanz einer Grenzeinrichtung; sie will auch die Aufhebung oder Minderung des Bestimmungszwecks der Einrichtung und deren Brauchbarkeit in dem bisherigen Umfang für diesen Zweck zum Nachteil des Nachbarn verhindern. Dem widerspricht es, wenn der Abriss des Nachbarhauses die Bestands- und Funktionsfähigkeit der gemeinsamen Giebelmauer derart beeinträchtigt, dass der andere Nachbar gezwungen wird, sich durch bauliche Maßnahmen erst wieder die Nutzungsmöglichkeit zu verschaffen, die ihm die Mauer bisher bot (Senat, Urteil vom 28. November 1980 - V ZR 148/79, BGHZ 78, 379, 398 f.; Urteil vom 21. April 1989 - V ZR 248/87, NJW 1989, 2541).
d) Anders als die Beklagte meint, kommt es somit nicht darauf an, dass die Giebelwand als solche erhalten geblieben ist; entscheidend ist vielmehr, dass ihr durch den Abriss des angebauten Hauses der bisherige Schutz gegen Witterungseinflüsse genommen wurde und sie folglich in dem freigelegten Zustand für die Klägerin nicht mehr ausreichend als Hausabschlusswand nutzbar war (vgl. Senat, Urteil vom 28. November 1980 - V ZR 148/79, BGHZ 78, 397, 399).
e) Die Vorschrift des § 922 Satz 3 BGB beschränkt allerdings nicht das Recht des Grundstückseigentümers, sein Haus abzureißen. Er muss jedoch diejenigen Maßnahmen treffen, die zur Verhinderung oder Beseitigung der Auswirkungen des Abrisses auf das Nutzungsinteresse des Nachbarn geboten sind (Senat, Urteil vom 28. November 1980 - V ZR 148/79, aaO; Urteil vom 21. April 1989 - V ZR 248/87, aaO). Bei den dafür nötigen Aufwendungen handelt es sich nicht etwa um Unterhaltungskosten im Sinne von § 922 Satz 2 BGB, die - unter der Voraussetzung fortbestehenden Miteigentums an der Wand - von beiden Nachbarn gleichmäßig zu tragen wären (Senat, Urteil vom 28. November 1980 - V ZR 148/79, aaO). Die Beklagte war deshalb verpflichtet, außer für das Aufbringen des Außenputzes auch für das Anbringen der - notwendigen, was die Beklagte nicht in Abrede stellt - Wärmedämmung Sorge zu tragen. Weil sie dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist, kann die Klägerin die Erstattung der dafür angefallenen Kosten verlangen (§§ 683, 670 BGB oder §§ 812, 818 Abs. 2 BGB).
f) Dem kann die Beklagte die "Entstehungsgeschichte" der Giebelwand nicht mit Erfolg entgegenhalten. Zwar wurde - nach sachverständiger Auskunft - zunächst das auf dem Grundstück der Klägerin stehende Gebäude mit der mittig auf der Grundstücksgrenze stehenden Giebelwand errichtet; das nunmehr abgerissene Haus auf dem Grundstück der Beklagten wurde später angebaut. Aber die Errichtung des Gebäudes mit der halbscheidigen Giebelwand erfolgte "entsprechend den damaligen Festlegungen". Daraus folgt, dass von vornherein ein Anbau des Nachbarhauses und somit die Funktion der Wand als Nachbarwand vorgesehen war. Dies schließt es aus, die von dem Senat entwickelten Grundsätze zu dem nachträglichen Anbau an eine vollständig auf dem Nachbargrundstück stehende Grenzwand (siehe dazu Urteil vom 18. Februar 2011 - V ZR 137/10, NJWRR 2011, 515 f. Rn. 6; Urteil vom 16. April 2010 - V ZR 171/09, NJW 2010, 1808 Rn. 8) auf den hier vorliegenden Fall zu übertragen.
g) Schließlich macht die Beklagte ebenfalls erfolglos geltend, dass die Wärmedämmung ausschließlich der Klägerin einen Vorteil bringe und diese daraus den alleinigen Nutzen ziehe, so dass sie die gesamten Herstellungskosten tragen müsse. Zwar hat der Senat in diesem Sinn den Fall entschieden, dass der Teilhaber einer Giebelwand, an die (noch) nicht (vollständig) angebaut ist, die Kosten für das Anbringen einer Wärmedämmung auf dem freien Teil der Wand allein tragen muss (Urteil vom 11. April 2008 - V ZR 158/07, NJW 2008, 2032, 2033 Rn. 17). Aber hier liegt es anders. An die Giebelwand war von dem Grundstück der Beklagten aus vollständig angebaut worden. Der Anbau hatte für das Gebäude der Klägerin eine wärmeisolierende Funktion. Diese hat die Beklagte mit dem Abriss ihres Hauses beseitigt. Deshalb ist sie zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands auf ihre Kosten verpflichtet.
2. Wegen der unberechtigten Weigerung der Beklagten, die Wärmedämmung anzubringen, hat sie der Klägerin auch die vorgerichtlichen Sachverständigen- und Rechtsanwaltskosten in der von dem Berufungsgericht ausgeurteilten, von der Beklagten nicht angegriffenen Höhe zu erstatten (§ 280 Abs. 1 und 2, § 286 BGB).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub