Entscheidungsdatum: 27.01.2012
1. Bringt der Verpflichtete die mit einem Vorkaufsrecht belastete Sache in eine von ihm beherrschte Gesellschaft ein und überträgt er anschließend die Gesellschaftsanteile entgeltlich an einen Dritten, kann eine den Vorkaufsfall auslösende kaufähnliche Vertragsgestaltung vorliegen.
2. Der Verpflichtete kann die Erstreckung des Vorkaufs auf andere Gegenstände als diejenigen, auf die sich das Vorkaufsrecht bezieht, nicht schon deshalb verlangen, weil ein Verkauf im "Paket" für ihn vorteilhaft ist, sondern nur dann, wenn sich infolge der Trennung der vorkaufsbelasteten Sache kein adäquater Preis für die verbleibenden Gegenstände erzielen lässt.
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 29. November 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Den Klägern gehört seit 1986 eine Eigentumswohnung nebst Stellplatz in Form eines Wohnungs- und Teilerbbaurechts. Zu ihren Gunsten besteht ein dingliches Vorkaufsrecht für alle Fälle des Verkaufs des Erbbaugrundstücks.
Über das Vermögen der ursprünglichen Eigentümerin des Erbbaugrundstücks (nachfolgend: Schuldnerin) wurde 2001 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zu 3 als Insolvenzverwalter bestellt. Dieser bot den Klägern einen ihrem Wohnungs- und Teilerbbaurecht entsprechenden Miteigentumsanteil an dem Grundstück zum Kauf an. Das lehnten die Kläger ab, weil ihnen der Preis zu hoch erschien, während andere Wohnungserbbauberechtigte entsprechende Angebote akzeptierten.
Mit notariellem Vertrag vom 24. März 2005 übertrug der Beklagte zu 3 das Eigentum an dem Erbbaugrundstück und an weiteren 86, ebenfalls mit Erbbaurechten belasteten Grundstücken unentgeltlich an die Beklagte zu 1, einer unmittelbar zuvor gegründeten GmbH & Co. KG. Mit weiterem notariellen Vertrag vom selben Tag übertrug der Beklagte zu 3 die Gesellschaftsanteile an der Beklagten zu 1 und an deren Komplementärin zum Preis von 25.000 € für die GmbH-Anteile und von 7,44 Mio € für die Kommanditanteile auf die V. AG. Die Beklagte zu 1 verwaltet seither die Erbbaurechte für die V. AG.
Die Kläger, die aufgrund der am 24. März 2005 geschlossenen Verträge den Vorkaufsfall für eingetreten halten, haben das Vorkaufsrecht ausgeübt. Ihre Klage, mit der sie von den Beklagten zu 1 und zu 3 unter anderem die Übertragung des ihrem Wohnungs- und Teilerbbaurecht entsprechenden Miteigentumsanteils an dem Erbbaugrundstück Zug um Zug gegen Zahlung von 14.860,79 € verlangen, ist in den Tatsacheninstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte zu 3 beantragt, verfolgen die Kläger ihre Anträge weiter.
I.
Das Berufungsgericht meint, durch die Einbringung des Erbbaugrundstücks in die Beklagte zu 1 und die anschließende Übertragung von deren Gesellschaftsanteilen auf die V. AG sei der Vorkaufsfall nicht eingetreten. Ein Kaufvertrag über das Grundstück sei nicht geschlossen worden. Es liege auch kein Umgehungsgeschäft vor. Die Übertragung der Gesellschaftsanteile auf die V. AG habe nicht nur dazu gedient, die Rechtsträgerschaft an einem einzelnen Grundstück gegen Entgelt zu verändern; vielmehr sei ein Unternehmen mit dem Zweck der Gewinnerzielung durch das Generieren von Erbbauzinsen verkauft worden. Das zeige sich auch daran, dass die Beklagte zu 1 die Erbbaurechte dauerhaft verwalte.
II.
Die Revision ist begründet. Hinsichtlich der im Verhandlungstermin nicht vertretenen Beklagten zu 1 ist dies durch Versäumnisurteil auszusprechen, welches jedoch inhaltlich auf einer Sachprüfung beruht (vgl. Senat, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81).
1. Zu Unrecht verneint das Berufungsgericht den Eintritt des Vorkaufsfalls und hält deshalb alle mit der Klage verfolgten Ansprüche für unbegründet.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats eröffnet § 463 BGB (§ 504 BGB aF) nicht nur dann die Ausübung des Vorkaufsrechts, wenn der Verpflichtete mit einem Dritten formell einen Kaufvertrag über den mit dem Vorkaufsrecht belasteten Gegenstand geschlossen hat. Vielmehr gebietet eine interessengerechte Auslegung der Norm, sie auch auf solche Vertragsgestaltungen zwischen dem Verpflichteten und dem Dritten anzuwenden, die bei materieller Betrachtung einem Kauf im Sinne des Vorkaufsrechts so nahe kommen, dass sie ihm gleichgestellt werden können, und in die der Vorkaufsberechtigte zur Wahrung seines Erwerbs- und Abwehrinteresses "eintreten" kann, ohne die vom Verpflichteten ausgehandelten Konditionen zu beeinträchtigen (Senat, Urteil vom 11. Oktober 1991 - V ZR 127/90, BGHZ 115, 335, 339 f.; Urteil vom 20. März 1998 - V ZR 25/97, NJW 1998, 2136, 2137; Urteil vom 26. September 2003 - V ZR 70/03, NJW 2003, 3769).
Eine kaufähnliche Vertragsgestaltung in diesem Sinne kann gegeben sein, wenn der Verpflichtete die mit einem Vorkaufsrecht belastete Sache in eine von ihm beherrschte Gesellschaft einbringt und anschließend die Gesellschaftsanteile entgeltlich an einen Dritten überträgt (vgl. OLG Nürnberg, NJW-RR 1992, 461, 462; MünchKomm-BGB/Westermann, 6. Aufl., § 463 Rn. 19a; Soergel/Wertenbruch, BGB 13. Aufl., § 463 Rn. 47). Maßgeblich ist auch hier, ob ein interessengerechtes Verständnis der gewählten Vertragsgestaltung zu dem Ergebnis führt, dass allen formellen Vereinbarungen zum Trotz der Wille der Vertragsschließenden auf eine Eigentumsübertragung (auch) der vorkaufsbelasteten Sache gegen Zahlung eines bestimmten Preises gerichtet war (vgl. Senat, Urteil vom 26. September 2003 - V ZR 70/03, aaO. S. 3770); mehrere Verträge sind dabei in ihrem Zusammenhang zu betrachten (Senat, Urteil vom 15. Juni 1957 - V ZR 198/55, WM 1957, 1162, 1165).
b) Zu Unrecht hält das Berufungsgericht diese Voraussetzungen hier nicht für gegeben. Mit der Einbringung der Grundstücke in die Beklagte zu 1 und dem Verkauf der Anteile an dieser Gesellschaft beabsichtigte der Beklagte zu 3, einen Teil der Insolvenzmasse zu verwerten, indem er diese gegen Übertragung des Eigentums zu Geld machte. Auch aus Sicht der V. AG handelte es sich um ein kaufähnliches Rechtsgeschäft. Das zeigt sich daran, dass das wirtschaftliche Ergebnis der Transaktion kein anderes gewesen wäre, wenn der Insolvenzverwalter die 87 Grundstücke an die V. AG verkauft und diese anschließend eine Verwaltungsgesellschaft gegründet und die Grundstücke darin eingebracht hätte.
Anders als das Berufungsgericht meint, lässt sich diese Bewertung nicht unter Hinweis darauf in Frage stellen, nicht der Verkauf der Grundstücke habe im Vordergrund gestanden, sondern die Übertragung eines - durch die Ausgliederung eines Betriebsteils der Schuldnerin in die Beklagte zu 1 entstandenen - Unternehmens mit dem Zweck der Gewinnerzielung durch die Einnahme von Erbbauzinsen. Hierbei wird bereits verkannt, dass die Veräußerung eines Unternehmens, welches keinen anderen Zweck hat, als die in seinem Eigentum stehenden Grundstücke zu verwalten, wirtschaftlich dem Verkauf dieser Grundstücke gleichsteht. Im hier zu beurteilenden Fall kommt hinzu, dass ein solches selbständiges Unternehmen zu keiner Zeit existierte; denn die Beklagte zu 1 ist erst am Tag des Verkaufs der Gesellschaftsanteile und damit erkennbar zwecks Verwertung der Grundstücke gegründet worden. Dass mit den Anteilen an der Beklagten zu 1 eine Sachgesamtheit auf die V. AG übertragen wurde, ist für den Eintritt des Vorkaufsfalls ohne Bedeutung (vgl. § 467 BGB). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist es schließlich ohne Belang, dass die Beklagte zu 1 noch existiert. Denn die Feststellung, was durch den Verkauf von Gesellschaftsanteilen bewirkt werden soll, hängt nicht davon ab, wie der Käufer dieser Anteile nach dem Erwerb mit der Gesellschaft und deren Vermögen verfährt.
a) Entgegen der Auffassung des Beklagten zu 3 scheitert der gegen ihn gerichtete Anspruch auf Verschaffung des Eigentums an dem der Wohnung der Kläger zugeordneten oder zuzuordnenden Miteigentumsanteil nicht daran, dass die Beklagte zu 1 zwischenzeitlich als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen worden ist. Ausgeschlossen wäre der Anspruch nur dann, wenn dem Beklagten zu 3 die Leistung deshalb unmöglich geworden wäre (§ 275 Abs. 1 BGB). Dies setzte voraus, dass sich das durch die Veräußerung eingetretene Leistungshindernis nicht durch einen Rückerwerb des Grundstücks bzw. des Miteigentumsanteils, auf das sich das Vorkaufsrecht der Kläger bezieht, beheben lässt (vgl. Senat, Urteil vom 30. Oktober 2009 - V ZR 42/09, NJW 2010, 1074, 1075 Rn. 11). Hierzu ist nichts festgestellt.
b) Dem Anspruch steht nicht die Vorschrift des § 471 BGB entgegen, wonach das Vorkaufsrecht ausgeschlossen ist, wenn der Verkauf aus der Insolvenzmasse erfolgt. Ein dingliches Vorkaufsrecht, wie es nach den getroffenen Feststellungen hier besteht, kann auch dann ausgeübt werden, wenn das Grundstück von dem Insolvenzverwalter aus freier Hand verkauft wird (§ 1098 Abs. 1 Satz 2 BGB); dem steht die Eigentumsübertragung aufgrund kaufähnlichen Rechtsgeschäfts gleich.
III.
Das angefochtene Urteil kann somit keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).
1. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil bislang keine Feststellungen dazu getroffen worden sind, ob das zugunsten der Kläger bestehende dingliche Vorkaufsrecht auf einem ihrem Wohnungs- und Teilerbbaurecht entsprechenden Miteigentumsanteil des Grundstücks lastet oder ob es aus anderen Gründen zu dem Erwerb eines solchen Anteils berechtigt; ferner stehen Feststellungen zu der Ausübung des Vorkaufsrechts (§§ 464, 469 BGB) und zu dem Inhalt des mit den Klägern gegebenenfalls zustande gekommenen Kaufvertrages (§ 464 Abs. 2, § 467 Satz 1 BGB) aus.
2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Ein Nachteil im Sinne von § 467 Satz 2 BGB (§ 508 Satz 2 BGB aF), der den Beklagten zu 3 zu dem Einwand berechtigte, der Vorkauf müsse auf alle 87 Grundstücke oder auf alle Miteigentumsanteile des vorkaufsbelasteten Grundstücks erstreckt werden, ist nicht schon im Wegfall der Vorteile zu sehen, die sich aus der Veräußerung der Grundstücke im "Paket" ergeben. Grundsätzlich bestimmt das Vorkaufsrecht, und nicht der den Vorkaufsfall auslösende Vertrag, welche Gegenstände der Berechtigte erwerben kann; er ist deshalb in der Ausübung seines Rechts nicht gehindert, wenn der vorkaufsbelastete Gegenstand als Teil einer Sachgesamtheit veräußert wird (vgl. Senat, Urteil vom 23. Juni 2006 - V ZR 17/06, BGHZ 168, 152, 157 f. Rn. 23 f.). Die Bestimmung des § 467 Satz 2 BGB, die aus Gründen der Billigkeit den Nachteil berücksichtigt, welcher mit der Trennung des vorkaufsbelasteten Gegenstands von der Sachgesamtheit verbunden sein kann, ist als Ausnahme von diesem Grundsatz restriktiv zu handhaben. Kein Nachteil im Sinne dieser Vorschrift ist es, wenn der Mengenverkauf für den Vorkaufsverpflichteten vorteilhafter war als ein Einzelverkauf; denn mit der Auflösung des "Pakets" musste der Verpflichtete angesichts des Vorkaufsrechts von vornherein rechnen. Die Erstreckung des Vorkaufs auf sämtliche Gegenstände kann der Verpflichtete nur dann verlangen, wenn sich infolge der Trennung des vorkaufsbelasteten Gegenstands kein adäquater Preis für die verbleibenden Sachen erzielen lässt (vgl. Soergel/Wertenbruch, BGB, 13. Aufl., § 467 Rn. 9). So kann es beispielsweise liegen, wenn zusammen mit dem vorkaufsbelasteten Grundstück eine isoliert nicht sinnvoll nutzbare Fläche oder ein speziell für ein Haus angefertigter Einrichtungsgegenstand verkauft worden ist.
b) Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, auf sachdienliche Anträge hinzuwirken (§ 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Dabei ist zu beachten, dass ein gemäß § 464 Abs. 2 BGB zustande gekommener Kaufvertrag zwischen den Klägern und dem Beklagten zu 3 als dem Verfügungsberechtigten über das Vermögen der aus dem Vorkaufsrecht verpflichteten Schuldnerin bestünde, so dass sich ein Auflassungsanspruch nur gegen den Beklagten zu 3 richten kann.
Hilfsansprüche, die dazu dienen, die Eigentumsumschreibung auf die Kläger zu ermöglichen (§ 1098 Abs. 2 i.V.m. § 888 Abs. 1 BGB; vgl. Senat, Urteil vom 11. Oktober 1991 - V ZR 127/90, BGHZ 115, 335 sowie Krüger/Hertel, Der Grundstückskauf, 9. Aufl., Rn. 988 ff.), kommen gegen die Beklagte zu 1 in Betracht, da sie - und nicht die wirtschaftlich als Käuferin der Grundstücke anzusehende V. AG - als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen ist. Entsprechendes gilt für zwischenzeitlich erfolgte Belastungen der Sache (vgl. Senat, Urteil vom 20. März 1998 - V ZR 25/97, NJW 1998, 2136, 2138).
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub