Entscheidungsdatum: 15.07.2016
1. Wurde im Beitrittsgebiet vor dem 3. Oktober 1990 über die Grenze gebaut, folgt daraus allein kein Anspruch auf Ankauf der überbauten Flächen zu den Bedingungen des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes.
2. Die entsprechende Anwendung von § 912 BGB auf einen nachträglichen über die Grenze gebauten Anbau hängt nicht davon ab, in welchem Umfang der Anbau auf dem überbauten Grundstück steht, sondern von den mit dem Abbruch des Anbaus verbundenen Folgen für das auf dem Grundstück des Überbauenden stehende Gebäude.
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Oberlandesgerichts Rostock - 3. Zivilsenat - vom 30. Juli 2015 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage wegen des Antrags abgewiesen worden ist festzustellen, dass der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung einer Pacht/Nutzungsgebühr für die Nutzung ihres Grundstücks für den Anbau nicht zusteht (Antrag zu 2).
Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Kläger kauften mit notariellem Vertrag vom 14. Februar 1968 ein Grundstück in Rostock-Warnemünde. Das Grundstück war seinerzeit mit einem Wohngebäude bebaut, das sich zur Straße hin mit einer abbruchreifen überdachten Veranda in Holzbauweise fortsetzte. Die Veranda stand auf einer Fläche von etwa 25 m² auf dem angrenzenden - seinerzeit volkseigenen - Grundstück der Beklagten. Auf Grund einer Baugenehmigung vom 8. Mai 1968 zu „Aufstockung, Werterhaltung und Teilabbruch“ wurde u. a. die Holzveranda samt Fundament vollständig abgerissen und durch einen Massivbau aus Mauerwerk mit massivem neuen Fundament und Betondecke ersetzt. Die Arbeiten insgesamt waren 1970 abgeschlossen. Bei dem Erwerb des Grundstücks und den späteren Baumaßnahmen nahmen die Kläger an, sie hätten auch die Fläche erworben, auf der die abgerissene Holzveranda stand.
Mit Schreiben vom 10. März 2010 kündigte die Beklagte einen angeblich bestehenden Leihvertrag über die mit dem Anbau bebaute Teilfläche ihres Grundstücks. Sie verlangt von den Klägern unter Zugrundelegung eines Verkehrswerts von 344 €/m² die Zahlung eines Nutzungsentgeltes, zuletzt - für die Zeit ab dem 1. Januar 2012 - in Höhe von 602,04 € im Jahr. Ein auf Antrag der Kläger eingeleitetes notarielles Vermittlungsverfahren nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz wurde im Juli 2012 ausgesetzt.
Die Kläger meinen, ihnen stehe ein Anspruch auf Ankauf der für den Anbau in Anspruch genommenen Fläche nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz zu. Jedenfalls handele es sich bei dem Anbau um einen von der Beklagten zu duldenden Überbau. Sie beantragen die Feststellung ihrer Ankaufsberechtigung nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz und die Feststellung, dass der Beklagten der geltend gemachte Anspruch auf Nutzungsentgelt nicht zustehe. Die Beklagte stellt sowohl die Ankaufsberechtigung der Kläger als auch deren Annahme in Abrede, sie habe den Anbau als Überbau zu dulden.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgen diese ihre Feststellungsanträge weiter. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts steht den Klägern der geltend gemachte Anspruch auf Ankauf der für den Anbau in Anspruch genommenen Fläche nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz nicht zu. Dieses Gesetz erfasse die bauliche Nutzung des Grundstücks der Beklagten durch die Kläger nicht. Es betreffe nach seinem § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b nur das „spezifisch im Recht der ehemaligen DDR verankerte selbstständige Gebäudeeigentum“. Solches Gebäudeeigentum liege hier nicht vor. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe c, § 4 Nr. 1 und § 5 Abs. 1 Nr. 3 SachenRBerG. Die Kläger hätten das Grundstück der Beklagten schon nicht, wie aber von den Vorschriften vorausgesetzt, „in Besitz genommen“, sondern den vorhandenen Besitz der Verkäuferin übernommen. Es liege weder eines der Regelbeispiele der zuletzt genannten Vorschrift noch ein sonstiger hängender Fall vor. Vielmehr handele es sich um einen Überbau. Auf die Bereinigung solcher Überbauungsfälle sei das Gesetz nach dem in § 3 Abs. 2 Satz 2 SachenRBerG bestimmten Nachzeichnungsprinzip nicht anzuwenden.
Der negative Feststellungsantrag der Kläger scheitere daran, dass kein Überbau vorliege, den die Beklagte zu dulden hätte. Um einen rechtmäßigen Überbau auf Grund eines Einverständnisses der Beklagten oder einer Vereinbarung könne es nicht gehen, da die Kläger beides in Abrede stellten und für beides auch nichts ersichtlich sei. Auch ein entschuldigter Überbau liege nicht vor. Die Annahme eines Überbaus im Sinne von § 912 BGB scheide bei einem nachträglichen Anbau aus, wenn dieser - wie hier - mit seinen Abmessungen vollständig auf dem Nachbargrundstück stehe. Es könne deshalb offen bleiben, ob auch die übrigen Voraussetzungen eines entschuldigten Überbaus vorlägen, insbesondere, ob der Anbau ohne wesentliche Beeinträchtigung des Grundstücks der Kläger entfernt werden könne.
II.
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nur teilweise stand.
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht die nach § 108 Abs. 1 SachenRBerG zulässige Klage auf Feststellung des Bestehens einer Ankaufsberechtigung der Kläger nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz abgewiesen. Die Kläger sind nicht berechtigt, die für den Anbau in Anspruch genommene Fläche auf dem Grundstück der Beklagten nach Maßgabe des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes anzukaufen.
a) Nach § 61 Abs. 1 SachenRBerG kann der Nutzer vom Grundstückseigentümer die Annahme eines Angebots für einen Grundstückskaufvertrag verlangen, wenn der Inhalt des Angebots den Bestimmungen der §§ 65 bis 74 SachenRBerG entspricht. Diese Vorschrift ist, soweit hier von Interesse, nur anwendbar, wenn ein nach § 1 Abs. 1 SachenRBerG bereinigungsfähiges Rechtsverhältnis an dem anzukaufenden Grundstück im Beitrittsgebiet besteht und eine nach §§ 4 und 5 SachenRBerG bereinigungsfähige bauliche Nutzung vorliegt. Die bereinigungsfähige Nutzung könnte sich hier nur unter dem Gesichtspunkt einer Nutzung für den Bau von Eigenheimen nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 SachenRBerG ergeben. Danach liegt eine nach den Grundsätzen des Sachenbereinigungsgesetzes bereinigungsfähige bauliche Nutzung vor, wenn Grundstücke mit Billigung staatlicher Stellen in Besitz genommen und mit einem Eigenheim bebaut worden sind. Daran fehlt es hier.
b) Das ergibt sich allerdings nicht schon daraus, dass die Kläger auf dem Grundstück der Beklagten kein Eigenheim, sondern nur einen Anbau errichtet haben. Denn nach § 5 Abs. 2 Satz 2 SachenRBerG gelten die Bestimmungen des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes über Eigenheime auch für mit Billigung staatlicher Stellen errichtete Nebengebäude wie Werkstätten oder Lagerräume. Unschädlich ist ferner, dass die von den Klägern auf dem Grundstück der Beklagten vorgenommene Bebauung keiner der in § 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 SachenRBerG bestimmten Fallgruppen entspricht. Hierbei handelt es sich nur um Regelbeispiele. Mit § 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 SachenRBerG hat der Gesetzgeber einen Auffangtatbestand geschaffen, der auch bislang unentdeckte Fälle einer Bereinigung zugänglich macht (Senat, Urteil vom 21. März 2003 - V ZR 290/02, WM 2003, 1908, 1909 f.).
c) Ein solcher unentdeckter Fall kann nach der Rechtsprechung des Senats aber nur angenommen werden, wenn er bei wertender Betrachtung einem der in Satz 2 der Vorschrift genannten Regelbeispiele gleichzustellen ist oder aus sonstigen Gründen nach der gesetzlichen Zielsetzung dem Schutzbereich des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes unterfällt (vgl. SachenRÄndG-RegE, BT-Drucks. 12/5992, S. 102; Senat, Urteile vom 16. Oktober 1998 - V ZR 390/97, WM 1999, 94, 97, vom 12. März 1999 - V ZR 143/98, WM 1999, 968 f. und vom 3. Mai 2002 - V ZR 246/01, VIZ 2002, 642, 643). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
aa) Der Fall der Kläger steht bei wertender Betrachtung keinem der in § 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 SachenRBerG genannten Regelbeispiele gleich. Sie alle erfassen Fälle, in denen die an sich vorgesehene Verleihung oder Zuweisung von Nutzungsrechten für die Eigenheimnutzung ausgeblieben und Wohn- und Stallgebäude für die persönliche Hauswirtschaft oder Eigenheime ohne oder ohne sachgerechte Absicherung auf fremden Grundstücken errichtet, rekonstruiert oder neuerrichtungsgleich ausgebaut worden sind. Diesen Regelbeispielen hat der Senat etwa den Fall gleichgestellt, dass eine Kleingartenparzelle zu Wohnzwecken genutzt wurde, aber nicht festzustellen war, ob die Baulichkeit auf Grund eines Nutzungsvertrags nach § 312 ZGB errichtet worden war (Urteil vom 3. Mai 2002 - V ZR 246/01, aaO). Die Kläger haben aber kein Eigenheim auf fremdem Grund und Boden errichtet, rekonstruiert oder ausgebaut, sondern ihr auf dem eigenen Grundstück stehendes Wohnhaus ausgebaut und bei der in diesem Zusammenhang vorgenommenen Erneuerung des Anbaus auf das Nachbargrundstück übergebaut.
bb) Ein solcher Fall kann auch nicht aus sonstigen Gründen nach der gesetzlichen Zielsetzung in den Schutzbereich des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes einbezogen werden. Seine Einbeziehung stünde nämlich im Widerspruch zu den in § 3 Abs. 2 des Gesetzes bestimmten Regelungszielen.
(1) Das Sachenrechtsbereinigungsgesetz dient in erster Linie dazu, die in Art. 233 § 3 Abs. 2 EGBGB in der Fassung des Einigungsvertrags vorbehaltene Bereinigung der zunächst aufrechterhaltenen beschränkten dinglichen Rechte und ihre Anpassung an die Bedingungen des Sachenrechts des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorzunehmen und dabei insbesondere auch die Rechte der Grundstückseigentümer angemessen zu regeln. Dieses Regelungsziel beschreibt das Gesetz in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 3 SachenRBerG. Hierbei ist der Gesetzgeber, wie die erwähnten Regelbeispiele in § 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 SachenRBerG zeigen, nicht stehengeblieben. In Anlehnung an den Grundgedanken des Schutzes von baulichen Investitionen bei Überbauten nach § 912 BGB sollten ungesicherte bauliche Investitionen in die Regelung einbezogen werden (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 12/5992 S. 62). Eine Investitionssicherung durch die Einräumung eines Anspruchs auf Ankauf von Grund und Boden zum halben Bodenwert oder auf Bestellung eines Erbbaurechts zur Hälfte des üblichen Erbbauzinses sollte aber nur erfolgen, wenn in dem Recht der DDR eine „Verdinglichung“ durch Nutzungsrechte vorgesehen war (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 12/5992 S. 56). Entsprechend diesem mit § 3 Abs. 2 Satz 2 SachenRBerG auch Gesetz gewordenen Nachzeichnungsprinzip können deshalb in die Bereinigung nach Maßgabe des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes nur Fälle einbezogen werden, in denen eine Absicherung durch Nutzungs- oder vergleichbare Rechte nach den maßgeblichen Vorschriften der DDR möglich war (Senat, Urteil vom 12. Oktober 2012 - V ZR 187/11, NJW-RR 2013, 789 Rn. 26) und infolge eines für die DDR typischen strukturellen Vollzugsdefizits planwidrig unterblieben ist (Senat, Urteile vom 16. Oktober 1998 - V ZR 390/97, WM 1999, 94, 97, vom 14. November 2003 - V ZR 72/03, WM 2004, 1394, 1395, vom 20. Februar 2009 - V ZR 184/08, NJW-RR 2009, 1028 Rn. 11 und vom 23. Januar 2015 - V ZR 318/13, ZOV 2015, 135 Rn. 23). Daraus ergibt sich allerdings auch, dass das Sachenrechtsbereinigungsgesetz keine Anwendung findet, wenn die dingliche Absicherung einer baulichen Nutzung nicht planwidrig unterblieben und auch nicht an einem für die DDR typischen Vollzugsdefizit gescheitert ist (Senat, Urteil vom 4. März 2005 - V ZR 148/04, ZOV 2005, 164, 165; ähnlich Urteil vom 27. September 2002 - V ZR 262/01, VIZ 2003, 90, 91 f.).
(2) Der zuletzt genannte Ausnahmefall liegt hier, worauf das Berufungsgericht letztlich auch entscheidend abstellt, vor.
(a) Der Senat hat allerdings, das ist den Klägern einzuräumen, einen unentdeckten Fall der Sachenrechtsbereinigung in einem Fall angenommen, in dem einem Nutzer durch die LPG ein Nutzungsrecht an einer in die LPG eingebrachten, noch unvermessenen Fläche zugewiesen wurde und sich bei der späteren Einmessung herausstellte, dass eine Klärgrube, eine Gartenmauer und eine Treppe außerhalb der Grenze des Nutzungsrechts auf fremdem Boden angelegt worden waren (Urteil vom 12. März 1999 - V ZR 143/98, WM 1999, 968, 969). Im Ergebnis hatten die Nutzer hier zwar auch ein fremdes Grundstück mit Nebenbauwerken überbaut. Seine Ursache hatte dieser Fehler aber darin, dass die Bebauung auf der Grundlage eines Nutzungsrechts erfolgte, das die LPG ihnen ohne konkrete Festlegung der zu bebauenden Fläche zugewiesen hatte und dass diese Nebenanlagen bei der späteren Einmessung einem anderen nicht mit dem Nutzungsrecht belasteten Flurstück zugeordnet wurden. Demgegenüber haben die Kläger bei der Rekonstruktion des Wohnhauses auf ihrem vermessenen Innenstadtgrundstück mit dem Anbau über die Grenze gebaut. Solche Überbauungsfälle sind nicht die Folge eines für die DDR typischen Vollzugsdefizits, sondern die Folge von Fehlern bei der Planung und Ausführung von Bauten durch den Eigentümer. Sie kamen schon immer und kommen nach wie vor im gesamten Bundesgebiet vor. Sie sind seit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs am 1. Januar 1900 in § 912 BGB (Überbau) geregelt und hatten in der ehemaligen DDR auch unter Geltung des Zivilgesetzbuchs eine ähnliche Ausgestaltung gefunden (§ 320 ZGB). Solche Fälle waren befriedigend geregelt und bedurften keiner Bereinigung. Die Bereinigung solcher Überbauungen nach den Grundsätzen des Kapitels 2 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes wäre deshalb auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung nicht zu rechtfertigen.
(b) Sie ließe sich jedenfalls nicht mit dem Nachzeichnungsprinzip begründen, sondern stünde dazu vielmehr im Widerspruch. Die Kläger hätten die für den Anbau in Anspruch genommene Fläche auf dem Grundstück der Beklagten in der DDR weder kaufen noch hierfür an dem Grundstück eine anderweitige eigentumsähnliche Absicherung erlangen können, die ein Ankaufsrecht zu den Bedingungen des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes rechtfertigen könnte.
(aa) Ein Erwerb der bebauten Teilfläche kam nicht in Betracht, weil das Grundstück bis zum 3. Oktober 1990 in Volkseigentum stand. Ein förmliches Verbot der Veräußerung von Volkseigentum ist zwar erst durch den am 1. Januar 1977 in Kraft getretenen § 20 Abs. 3 ZGB geschaffen worden. Volkseigentum wurde aber, dessen ungeachtet, auch schon vorher - und damit auch bei Errichtung des Anbaus bis spätestens 1970 - nicht mehr an Bürger verkauft. Vorgesehen war vielmehr seinerzeit wie auch später nur die Verleihung von Nutzungsrechten für die Errichtung oder den Erwerb von Eigenheimen etwa nach § 8 des Gesetzes über die Aufnahme des Bausparens vom 15. September 1954 (GBl. I S. 783) und der Verkauf volkseigener Eigenheime etwa nach dem Gesetz über den Verkauf volkseigener Eigenheime und Siedlungshäuser vom 15. September 1954 (GBl. I S. 784). Daran hat sich mit der Aufhebung von § 20 Abs. 3 ZGB zum 1. Juli 1990 durch Gesetz vom 28. Juni 1990 (GBl. I S. 524) nichts geändert.
(bb) Der Erwerb eines solchen Nutzungsrechts oder von Gebäudeeigentum an dem Anbau wäre nicht in Betracht gekommen, da es nicht um die Errichtung oder den Erwerb eines Eigenheims auf volkseigenem Grund, sondern lediglich um einen Anbau an ein auf Privateigentum stehenden Wohnhauses handelte. Die Bestellung eines Erbbaurechts wäre damals schon aus ideologischen Gründen (vgl. dazu Rohde in: Prorektorat für Forschung der deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft, Bodenrecht [1961], S. 96 ff., 115 f.) nicht in Betracht gekommen. Sie war aber auch rechtlich unzulässig. Denn es hätte sich um ein Nachbarerbbaurecht gehandelt, das, wie sich heute im Umkehrschluss aus § 39 Abs. 3 SachenRBerG ergibt, nach dem seinerzeit auch in der DDR noch geltenden § 1 Abs. 3 ErbbauVO (= § 1 Abs. 3 ErbbauRG) nicht zulässig ist (vgl. Senat, Urteil vom 22. Juni 1973 - V ZR 160/71, WM 1973, 999, 1000; Lemke/Czub, Immobilienrecht, 2. Aufl., § 1 ErbbauRG Rn. 10).
2. Die von dem Berufungsgericht gegebene Begründung rechtfertigt indessen nicht die Abweisung des nach § 256 ZPO ebenfalls zulässigen Antrags der Kläger festzustellen, dass der Beklagten ein Anspruch auf Pacht oder Nutzungsentgelt nicht zusteht. Die Entscheidung erweist sich insoweit auch nicht aus einem anderen Grund als richtig (§ 561 ZPO).
a) Mit dem Feststellungsantrag wenden sich die Kläger nicht gegen eine Verpflichtung zur Zahlung einer Überbaurente. Sie wenden sich vielmehr gegen die Annahme der Beklagten, sie habe den Anbau nicht als Überbau zu dulden und könne deshalb Nutzungsentschädigung nach § 988 BGB verlangen.
b) Das Berufungsgericht hält die Annahme der Beklagten für richtig. Seine Begründung trägt diese Entscheidung indessen nicht.
aa) Noch zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Anbau an das Haus der Kläger ein Überbau sein kann, obwohl er erst nachträglich angefügt ist. Denn auf den nachträglichen Überbau sind die Vorschriften über den Überbau im Grundsatz entsprechend anzuwenden (Senat, Urteil vom 19. September 2008 - V ZR 152/07, NJW-RR 2009, 24 Rn. 10).
bb) Unzutreffend ist aber die weitere Annahme des Berufungsgerichts, der Anbau könne schon deshalb kein Überbau sein, weil er vollständig auf dem Grundstück der Beklagten stehe.
(1) Das Berufungsgericht geht in Übereinstimmung mit dem Kammergericht (ZfIR 2000, 371, 373) davon aus, dass ein Überbau begrifflich ausscheidet, wenn ein selbständiger Anbau vollständig auf dem überbauten Grundstück steht (ebenso auch in seinem unveröffentlichten Urteil vom 12. November 2009 - 3 U 30/08). Das Kammergericht stützt seine Ansicht auf eine Entscheidung des Reichsgerichts (RGZ 169, 172, 178), die jedoch einen Zwischenbau betrifft, der sich keinem der angrenzenden Gebäude zuordnen lässt. Ihm sind außer dem Berufungsgericht das Hanseatische Oberlandesgericht (Urteil vom 28. September 2012 - 11 U 76/12, juris Rn. 46) und Teile der Literatur gefolgt (Bamberger/Roth/Fritzsche, BGB, 3. Aufl., § 912 Rn. 11 a.E.; Erman/A. Lorenz, BGB, 14. Aufl., § 912 Rn. 3 a.E.; Palandt/Bassenge, BGB, 75. Aufl., § 912 Rn. 6 a.E.). Nach anderer Ansicht kommt es auch in solchen Fällen darauf an, ob der Anbau und das ursprüngliche Gebäude eine Einheit darstellen (Tersteegen, RNotZ 2006, 433, 441). Nach einer dritten Ansicht soll entscheidend sein, ob der Anbau ohne Nachteil für das Hauptgebäude abgerissen werden kann (Staudinger/Roth, BGB [2016], § 912 Rn. 17).
(2) Der Senat hat das Urteil des Kammergerichts aus anderen Gründen aufgehoben und die Frage seinerzeit offen gelassen (Urteil vom 22. September 2000 - V ZR 443/99, ZfIR 2001, 69, 70). Er entscheidet sie jetzt im Sinne der zuletzt genannten Ansicht.
(a) Die Vorschrift des § 912 BGB beruht auf dem Rechtsgedanken, dass die mit der Beseitigung eines Überbaus verbundene Zerschlagung wirtschaftlicher Werte vermieden werden soll, die dadurch entsteht, dass sich der Abbruch eines überbauten Gebäudeteils meist nicht auf diesen beschränken lässt, sondern zu einer Beeinträchtigung und Wertminderung auch des bestehen bleibenden, auf eigenem Grund gebauten Gebäudeteils führt (Senat, Urteile vom 4. April 1986 - V ZR 17/85, BGHZ 97, 292, 294, vom 16. Januar 2004 - V ZR 243/03, BGHZ 157, 301, 304 und vom 19. September 2008 - V ZR 152/07, NJW-RR 2009, 24 Rn. 10; Staudinger/Roth BGB [2016], § 912 Rn. 1; MüKoBGB/Säcker, 6. Aufl., § 912 Rn. 1). Der mit § 912 BGB verfolgte Regelungszweck lässt sich nicht durch eine dem Wortsinn verhaftete Auslegung der Vorschrift sachgerecht verwirklichen, sondern nur durch eine Auslegung, die den Zweck der Vorschrift in den Blick nimmt (Senat, Urteil vom 27. März 2015 - V ZR 216/13, BGHZ 204, 364 Rn. 30).
(b) Bei Veränderungen eines bestehenden Gebäudes wird der Grundgedanke des § 912 BGB nicht in jedem Fall zum Tragen kommen und daher nicht stets von einem Überbau im Rechtssinne auszugehen sein. Dies gilt insbesondere bei nachträglich angefügten Gebäudeteilen, wie Fensterläden und Markisen, weil bei deren Beseitigung nicht von der Zerstörung wirtschaftlicher Werte gesprochen werden kann (Senat, Urteil vom 19. September 2008 - V ZR 152/07, NJW-RR 2009, 24 Rn. 10). Entsprechendes gilt für einen Öltank, der nicht in das Gebäude eingefügt ist, dessen Beheizung er dient (Senat, Urteil vom 19. Oktober 2012 - V ZR 263/11, NJW-RR 2013, 652 Rn. 17 f.). Nach diesen Grundsätzen muss auch ein Anbau beurteilt werden, der vollständig auf dem überbauten Grundstück steht. Die entsprechende Anwendung von § 912 BGB auf einen nachträglichen über die Grenze gebauten Anbau hängt nicht von dem mehr oder weniger zufälligen Umstand ab, in welchem Umfang dieser auf dem überbauten Grundstück steht, sondern von den mit dem Abbruch des Anbaus verbundenen Folgen für das auf dem Grundstück des Überbauenden stehende Gebäude.
cc) Die danach maßgebliche Frage, ob der Anbau ohne wesentliche Beeinträchtigung für das Wohnhaus der Kläger abgerissen werden kann, hat das Berufungsgericht letztlich offengelassen. Es ist deshalb für das Revisionsverfahren zu unterstellen, dass der Anbau nicht ohne eine solche Beeinträchtigung für das Wohnhaus der Kläger abgerissen werden kann.
dd) Zu dulden hat die Beklagte den Überbau der Kläger nach § 912 Abs. 1 BGB nur, wenn er ohne Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit erfolgte. Grobe Fahrlässigkeit wird sich zwar nicht allein deshalb verneinen lassen, weil die Kläger geglaubt haben, auch diese Fläche erworben zu haben. Denn auch dann könnten sie an der Grenze gebaut haben und gehalten gewesen sein, den Grenzverlauf zu klären (dazu: Senat, Urteile vom 19. September 2003 - V ZR 360/02, BGHZ 156, 170, 171 f. und vom 19. September 2008 - V ZR 152/07, NJW-RR 2009, 24 Rn. 12). Feststellungen dazu hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Deshalb ist für das Revisionsverfahren zu unterstellen, dass die Kläger ohne Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit handelten.
c) Auf dieser Grundlage lässt sich die entsprechende Anwendung von § 912 BGB auf den Anbau der Kläger nicht ausschließen, so dass sich die Entscheidung des Berufungsgerichts auch nicht aus anderen Gründen als rechtmäßig erweist (§ 561 ZPO).
aa) Eine Verpflichtung der Beklagten, den Anbau als Überbau zu dulden, wäre zwar erloschen, wenn die Beklagte den Anbau im Zusammenhang mit dessen Genehmigung widerruflich gestattet oder wenn sie den Klägern die Grundstücksfläche zur Nutzung für den Anbau überlassen hätte. In diesem Fall bestünde die Verpflichtung der Beklagten zur Duldung des Anbaus nur bis zum Widerruf der Gestattung oder zur Beendigung der Überlassung (vgl. Senat, Urteil vom 16. Januar 2004 - V ZR 243/03, BGHZ 157, 301, 308), die hier durch die Kündigung eines etwaigen Leihverhältnisses durch die Beklagte eingetreten wäre.
bb) Die von der Beklagten vorgelegte Vereinbarung der (damaligen) Stadt Rostock mit P. S. vom 10. Juni 1884 könnte zwar eine solche Gestattung enthalten. Eine aus ihr folgende Duldungspflicht muss entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht mit der Entfernung der ursprünglich vorhandenen Holzveranda durch die Kläger entfallen sein. Die Gestattung eines Überbaus kann nämlich im Unterschied zu einem kraft Gesetzes zu duldenden entschuldigten Überbau (zu diesem: Senat, Urteil vom 17. Januar 2014 - V ZR 292/12, NJW-RR 2014, 973 Rn. 24; Staudinger/Roth, BGB [2016], § 912 Rn. 35) entsprechend dem Willen der daran Beteiligten auch die Duldung des Wiederaufbaus, der Erneuerung oder der Ersetzung der erlaubten Anlage durch eine andere umfassen. Gegenüber den Rechtsnachfolgern von P. S. würde eine solche Gestattung aber nur wirken, wenn sie von diesen jeweils übernommen worden ist (vgl. Senat, Urteil vom 3. Dezember 1954 - V ZR 93/53, LM Nr. 1 zu § 912 BGB Bl. 4 Rs.). Dazu könnte es durch die Regelung in Nr. III des Kaufvertrags der Parteien gekommen sein. Damit hat sich das Berufungsgericht nicht näher befasst. Der Senat kann diese Regelung nicht selbst auslegen, weil nicht auszuschließen ist, dass sich bei näherer Aufklärung auslegungsrelevante Feststellungen ergeben. Deshalb ist für das Revisionsverfahren zu unterstellen, dass aus der Regelung kein Übergang der Rechte und Pflichten aus der Gestattung von 1884 folgt.
cc) In einem Parallelfall hat das Berufungsgericht angenommen, dass durch die Genehmigung und Duldung der Überbauung stillschweigend eine Grundstückleihe zwischen der Stadt und dem Überbauenden zustande gekommen ist (Urteil vom 12. November 2009 - 3 U 30/08, unveröffentlicht). Die Beklagte hat deshalb ein zu den Klägern etwa bestehendes Leihverhältnis gekündigt. Die Annahme einer (stillschweigenden) Grundstücksleihe scheitert im Fall der Kläger indessen daran, dass diese nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sowohl bei Erwerb des Grundstücks als auch bei der Errichtung des Anbaus glaubten, sie hätten die bebaute Fläche miterworben, und sich für sie die Frage einer Leihe gar nicht stellte (vgl. Senat, Urteil vom 10. Februar 2012 - V ZR 51/11, WM 2012, 2035 Rn. 21 für die Bestätigung eines nichtigen Vertrags, den die Parteien für wirksam halten).
d) Sollte sich ergeben, dass die Beklagte den Anbau nicht zu dulden hat, könnte sie Nutzungsentschädigung gemäß § 988 BGB verlangen, und zwar entgegen der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat von dem Prozessbevollmächtigten der Kläger vertretenen Ansicht auch, wenn sie die dann bestehenden Ansprüche auf Herausgabe des Grundstücks und Beseitigung des Anbaus nicht geltend macht. Die Norm richtet sich - anders als § 987 BGB - gegen den unverklagten Besitzer. Sie setzt keine Vindikationsklage, sondern nur eine Vindikationslage voraus, die auch die Kläger jederzeit durch die dann geschuldete Herausgabe der Fläche beenden könnten.
III.
Die Revision ist hinsichtlich der beantragten Feststellung eines Ankaufsanspruchs nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz unbegründet. Im Übrigen kann das Berufungsurteil dagegen keinen Bestand haben. Insoweit ist die Sache nicht zur Entscheidung reif, weil tatsächliche Feststellungen fehlen. Der Rechtsstreit ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Stresemann Schmidt-Räntsch Czub
Kazele Göbel