Entscheidungsdatum: 14.12.2012
Bei einer Beschlussmängelklage muss das Gericht auf Anregung des Klägers der Verwaltung aufgeben, eine aktuelle Liste der Wohnungseigentümer vorzulegen, und die Anordnung nach Fristablauf gegebenenfalls mit Ordnungsmitteln durchsetzen (§ 142 ZPO analog).
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil der Zivilkammer 55 des Landgerichts Berlin vom 13. Mai 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Parteien sind die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Kläger haben mit der gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichteten Klage mehrere in der Eigentümerversammlung vom 21. Dezember 2009 gefasste Beschlüsse angefochten. In der Klageschrift haben sie die Verwaltung aufgefordert, eine aktuelle Liste der Wohnungseigentümer vorzulegen und zugleich beantragt, der Verwaltung die Vorlage gemäß § 142 Abs. 1 ZPO aufzugeben. Hilfsweise haben sie sich auf die in einem weiteren, bei demselben Amtsgericht geführten Rechtsstreit vorgelegte Eigentümerliste bezogen. Das Amtsgericht hat der Verwaltung unter Fristsetzung aufgegeben, eine aktuelle Liste der Wohnungseigentümer vorzulegen. Die Verwaltung ist dem nicht nachgekommen; bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung hat eine Liste nicht vorgelegen. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten als unzulässig abgewiesen. Dagegen wenden sich die Kläger mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen.
I.
Das Berufungsgericht meint, die Klage sei unzulässig, weil die Kläger bis zu der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht keine Eigentümerliste vorgelegt hätten. Ihre Anregung an das Amtsgericht, die Verwaltung zu der Vorlage aufzufordern, entbinde sie nicht von der Vorlagepflicht. Auch sei kein Hinweis des Amtsgerichts erforderlich gewesen, weil den Klägern bewusst gewesen sei, dass sie die Liste hätten vorlegen müssen.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht sieht die Klage zu Unrecht als unzulässig an.
1. Werden - wie hier - die übrigen Wohnungseigentümer im Wege der Anfechtungsklage verklagt, genügt für ihre nähere Bezeichnung zunächst die bestimmte Angabe des gemeinschaftlichen Grundstücks (§ 44 Abs. 1 Satz 1 WEG). Der Gesetzgeber wollte die Einhaltung der einmonatigen Anfechtungsfrist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 WEG) nicht über Gebühr erschweren. Die Bezeichnung der übrigen Wohnungseigentümer mit Namen und ladungsfähiger Anschrift ist dennoch erforderlich und hat spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu erfolgen (§ 44 Abs. 1 Satz 2 WEG; näher Senat, Urteil vom 4. März 2011 - V ZR 190/10, NJW 2011, 1738 Rn. 11 mwN).
Nach der Rechtsprechung des Senats kann der Kläger auf eine Liste Bezug nehmen, die die Gegenseite vorgelegt hat (Urteil vom 4. März 2011 - V ZR 190/10, aaO Rn. 12); eine solche Bezugnahme kann auch stillschweigend erfolgen (vgl. Senat, Urteil vom 20. Mai 2011 - V ZR 99/10, NJW 2011, 3237 Rn. 9). Die fehlende Bezeichnung der einzelnen Wohnungseigentümer kann im Berufungsrechtszug nachgeholt werden. Dies hat der Senat - allerdings erst nach Erlass des Berufungsurteils - zunächst für das Fehlen ladungsfähiger Anschriften (Urteil vom 20. Mai 2011 - V ZR 99/10, aaO Rn. 9) und anschließend für die unterbliebene namentliche Bezeichnung entschieden; dabei hat er auf die deklaratorische Bedeutung der Eigentümerliste hingewiesen (Urteile vom 8. Juli 2011 - V ZR 34/11, ZMR 2011, 976 Rn. 8 und vom 28. Oktober 2011 - V ZR 39/11, NJW 2012, 997 Rn. 10). Infolgedessen wird der Zulässigkeitsmangel geheilt. Die verspätete Vorlage der Liste kann sich allerdings im Einzelfall gemäß § 97 Abs. 2 ZPO auf die Kostenentscheidung auswirken (Urteil vom 28. Oktober 2011 - V ZR 39/11, aaO Rn. 10 aE).
2. Gemessen daran ist die Klage zulässig.
a) Der Zulässigkeitsmangel ist jedenfalls in der Berufungsinstanz geheilt worden. Die Revision weist zutreffend darauf hin, dass die Kläger mit der Berufungserwiderung eine Eigentümerliste aus einem anderen Rechtsstreit vorgelegt haben. Die Richtigkeit der darin enthaltenen Angaben haben die Beklagten nicht angezweifelt.
b) Zudem sind die Kläger schon in erster Instanz ihren prozessualen Obliegenheiten nachgekommen, indem sie beantragt haben, der Verwaltung die Vorlage der Liste aufzugeben.
aa) Zwar ist die Einreichung der Eigentümerliste als Bestandteil der ordnungsgemäßen Klageerhebung (§ 44 Abs. 1 Satz 2 WEG) Sache des Klägers. Gleichwohl muss das Gericht aber - wie hier ohne Erfolg geschehen - auf dessen Anregung hin tätig werden und der Verwaltung die Vorlage der Liste unter Fristsetzung aufgeben. Dies folgt aus § 142 Abs. 1 ZPO analog (so zu Recht Klein in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 44 Rn. 11; MünchKomm-BGB/Engelhardt, 5. Aufl., § 44 WEG Rn. 5; Niedenführ in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 44 Rn. 8; Riecke/Schmidt/Abramenko, WEG, 3. Aufl., § 44 Rn. 7; Timme/Elzer, WEG, § 44 Rn. 25 a.E.; ähnlich LG Stuttgart, NZM 2009, 165 f.; a.A. LG Köln, ZWE 2011, 234 f.; LG Stuttgart vom 2. April 2009 - 2 S 34/08, juris; AG Ulm, ZMR 2011, 920 f.; Suilmann in Jennißen, WEG, 3. Aufl., § 44 Rn. 14 b).
(1) Die direkte Anwendung der Vorschrift scheidet schon deshalb aus, weil die Vorlage der Eigentümerliste nicht der materiellen Sachaufklärung dient, sondern dazu, die prozessualen Voraussetzungen der Klageerhebung herzustellen. Zudem geht es üblicherweise nicht um die Vorlage einer bestehenden Urkunde, sondern um die Anfertigung der erforderlichen aktuellen Liste und damit im Kern um eine prozessuale Auskunft, die von § 142 Abs. 1 ZPO an sich nicht erfasst wird (vgl. Musielak/Stadler, ZPO, 9. Aufl., § 142 Rn. 3; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 142 Rn. 14).
(2) Es besteht jedoch die für eine entsprechende Anwendung der Norm erforderliche planwidrige Regelungslücke. Dem Gesetzgeber war bewusst, dass für den Kläger Verzögerungen durch die Erstellung der Liste entstehen können. Dies hat er zum Anlass für die Einführung von § 44 WEG genommen und in diesem Zusammenhang betont, dass eine Abweisung der Klage als unzulässig nur dann in Betracht komme, wenn der Kläger die notwendigen Angaben endgültig und grundlos verweigere (BT-Drucks. 16/887 S. 36). Dabei hat er aber nicht in den Blick genommen, dass der Verwalter – wie hier – nach Anforderung der Liste durch den Kläger pflichtwidrig untätig bleiben kann. Während der Verwaltung die aktuellen Daten regelmäßig bekannt sind, ist der Kläger in der Regel auf deren Auskunft angewiesen. Denn aus dem Grundbuch und den Grundakten müssen die ladungsfähigen Anschriften nicht hervorgehen (vgl. § 15 Abs. 1 GBV); zudem kann sich ein Eigentümerwechsel auch außerhalb des Grundbuchs vollziehen. Es besteht deshalb ein praktisches Bedürfnis, die Vorlage der Liste durch den Verwalter herbeizuführen, ohne den Kläger auf einen weiteren Rechtsstreit gegen diesen bzw. auf das Verfahren der einstweiligen Verfügung verweisen zu müssen. Dies ist mit dem in § 142 Abs. 1 ZPO geregelten Sachverhalt vergleichbar, bei dem sich eine beweiserhebliche Urkunde im Besitz eines Dritten befindet. Voraussetzung ist gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 ZPO, dass sich der Kläger auf die Vorlage der Liste durch die Verwaltung bezieht; ein förmlicher Antrag ist nicht erforderlich.
bb) Die Anordnung muss in der Regel ergehen. Ein Ermessensspielraum des Gerichts besteht regelmäßig nicht, weil der Verwalter aufgrund des Verwaltervertrags auch gegenüber dem einzelnen Wohnungseigentümer zu der Vorlage verpflichtet ist (vgl. Timme/Elzer, WEG, § 44 Rn. 25; Drasdo, NZM 2009, 724 ff.). Schon aus diesem Grund ist ihm die Vorlage zumutbar im Sinne von § 142 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Zudem ist er ohnehin im Wege der Beiladung an dem Verfahren zu beteiligen (§ 48 Abs. 1 Satz 2 WEG); in der Regel ist er auch Zustellungsvertreter der Wohnungseigentümer (§ 45 Abs. 1 WEG). Aus diesen Gründen bedarf es keiner vorangehenden außergerichtlichen Aufforderung. Weil es um eine Zulässigkeitsvoraussetzung geht, kann die Anordnung bereits mit Zustellung der Klage erfolgen; § 273 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Nr. 5 ZPO steht dem nicht entgegen. Kommt der Verwalter - wie hier - der Anordnung nicht innerhalb der gesetzten Frist nach, ist er dazu mit Ordnungsmitteln anzuhalten (§ 142 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 390 ZPO analog). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wirkt sich das Versäumnis der Verwaltung jedenfalls nicht zu Lasten des Klägers aus und darf nicht zur Abweisung der Klage als unzulässig führen.
III.
Weil das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - die geltend gemachten Beschlussmängel in der Sache nicht geprüft hat, ist das Urteil aufzuheben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, damit die erforderlichen Feststellungen getroffen werden können. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, sich mit der Sache auch unter Berücksichtigung der in der Revisionsbegründung und der Revisionserwiderung enthaltenen Ausführungen zu befassen. Hinsichtlich der Anfechtung zu TOP 4 ist auf das Urteil des Senats vom 9. März 2012 hinzuweisen (V ZR 147/11, NJW 2012, 2796 f.). Danach sind Jahresabrechnungen insoweit nichtig, als sie Rückstände früherer Jahre einbeziehen und neu begründen; die Nichtigkeitsfolge tritt allerdings nur für den davon betroffenen Teil der Gesamt- bzw. Einzelabrechnung ein (Senat, Urteile vom 9. März 2012, aaO Rn. 13 aE und vom 11. Mai 2012 - V ZR 193/11, NJW 2012, 2648 ff.).
Stresemann Schmidt-Räntsch Roth
Brückner Weinland