Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 25.10.2013


BGH 25.10.2013 - V ZR 147/12

Sicherungsgrundschuld: Einrede des Eigentümers aus dem Sicherungsvertrag bei zweiter Abtretung nach dem gesetzlichen Stichtag; Umfang der Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht bei als fehlerhaft erachteter Tatsachenfeststellung des erstinstanzlichen Gerichts


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
25.10.2013
Aktenzeichen:
V ZR 147/12
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend Brandenburgisches Oberlandesgericht, 30. Mai 2012, Az: 4 U 67/11vorgehend LG Potsdam, 1. April 2011, Az: 10 O 405/09
Zitierte Gesetze
§ 1192 Abs 1a BGB

Leitsätze

1. Ist eine Sicherungsgrundschuld, gegen die dem Eigentümer eine Einrede auf Grund des Sicherungsvertrags mit einem früheren Gläubiger zustand, vor dem für die Anwendbarkeit von § 1192 Abs. 1a BGB maßgeblichen Stichtag von einem Dritten gutgläubig einredefrei erworben worden, führt eine weitere Abtretung an einen Dritten nach dem Stichtag nicht dazu, dass die Einrede wieder erhoben werden kann.

2. Sieht das Berufungsgericht eine von dem Gericht des ersten Rechtszuges getroffene entscheidungserhebliche Tatsachenfeststellung als verfahrensfehlerhaft an, weil die Vernehmung eines Zeugen unterblieben ist, so entfällt die Bindung an die Feststellung, und das Berufungsgericht hat nicht nur den Zeugen zu vernehmen, sondern alle erhobenen Beweise insgesamt selbst zu würdigen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 30. Mai 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Kläger erwarben im Jahr 2000 ein Hausgrundstück und bestellten zu Gunsten von G.     M.     eine Buchgrundschuld in Höhe von 200.000 DM. Dieser trat die Grundschuld noch an demselben Tag zur Sicherung einer Finanzierung an die H.            GmbH & Co. KG Bankhaus (im Folgenden: Bankhaus) ab. Die Grundschuld wurde in das Grundbuch eingetragen; die Eintragung der Abtretung erfolgte im Jahr 2001. Das Bankhaus seinerseits trat die Grundschuld nach Ablösung des Kredits im Jahr 2003 an den Beklagten ab. Diese Abtretung wurde erst am 22. September 2008 in das Grundbuch eingetragen.

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Der Beklagte betreibt die Zwangsversteigerung des Grundstücks. Die Kläger behaupten, die Grundschuld habe ein Darlehen des G.     M.     sichern sollen, das nur zum Schein vereinbart und tatsächlich nicht ausgezahlt worden sei. Ihre darauf gestützte Vollstreckungsgegenklage hat in den Tatsacheninstanzen Erfolg gehabt. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Kläger beantragen, will der Beklagte die Abweisung der Klage erreichen.

Entscheidungsgründe

I.

3

Das Berufungsgericht sieht es als erwiesen an, dass die Grundschuld als Sicherungsgrundschuld bestellt wurde, das zu sichernde Darlehen niemals zur Auszahlung gelangte und das Bankhaus als Zwischenerwerber insoweit gutgläubig war. Es meint, die Kläger könnten gleichwohl die auf der fehlenden Valutierung beruhende Einrede auf Grund der zwischen ihnen und G.     M.      getroffenen Sicherungsabrede gemäß § 1192 Abs. 1a BGB auch dem Beklagten entgegenhalten. Diese Norm sei anwendbar, weil der dingliche Rechtserwerb erst nach dem 19. August 2008 erfolgt sei (Art. 229 § 18 Abs. 2 EGBGB).

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Ein gutgläubiger Erwerb durch das Bankhaus vor dem 19. August 2008 stehe dem nicht entgegen. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut von § 1192 Abs. 1a BGB komme es nur darauf an, dass die Grundschuld zur Sicherung eines Anspruchs verschafft worden sei. Aufgrund besonderer Umstände sei die Vorschrift auch noch aus einem anderen Aspekt heraus anwendbar. Es müsse nämlich davon ausgegangen werden, dass die Abtretung an den Beklagten auf Geheiß des G.     M.      erfolgt sei. Es handele sich also nur um eine abgekürzte Abtretungskette, bei der der Erwerb wirtschaftlich von dem bösgläubigen Sicherungsnehmer erfolgt sei. Ob der Beklagte bösgläubig gewesen sei oder sogar mit G.     M.      kollusiv zusammengewirkt habe, könne offen bleiben.

II.

5

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Nach den bislang getroffenen Feststellungen können die Kläger sich nicht auf die Einrede der unterbliebenen Valutierung berufen.

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1. Im Ausgangspunkt rechtsfehlerfrei hält das Berufungsgericht § 1192 Abs. 1a BGB für anwendbar. Dieser Bestimmung zufolge können Einreden, die dem Eigentümer auf Grund des Sicherungsvertrags mit dem bisherigen Gläubiger gegen eine Sicherungsgrundschuld zustehen oder sich aus dem Sicherungsvertrag ergeben, auch jedem Erwerber der Grundschuld entgegengesetzt werden; § 1157 Satz 2 BGB, der auf die Vorschriften über den guten Glauben verweist, findet insoweit keine Anwendung. Zu den Einreden, die dem Eigentümer auf Grund des Sicherungsvertrags mit dem vorherigen Gläubiger zustehen - die also im Zeitpunkt des Übergangs bereits verwirklicht sind - zählt unter anderem die fehlende Valutierung (BT-Drucks. 16/9821, S. 17; Palandt/Bassenge, BGB, 72. Aufl., § 1192 Rn. 3). In zeitlicher Hinsicht findet § 1192 Abs. 1a BGB nach der maßgeblichen Übergangsbestimmung (Art. 229 § 18 Abs. 2 EGBGB) Anwendung, weil der Beklagte die Grundschuld nach dem 19. August 2008 erworben hat; sein dinglicher Rechtserwerb ist nämlich erst am 22. September 2008 durch die Eintragung in das Grundbuch vollendet worden.

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2. Auch trifft es grundsätzlich zu, dass die Kläger dem Beklagten gemäß § 1192 Abs. 1a Satz 1 BGB Einreden aus dem mit G.     M.      geschlossenen Sicherungsvertrag entgegensetzen könnten, obwohl der Beklagte die Grundschuld von dem Bankhaus erworben hat. Denn es besteht Einigkeit darüber, dass § 1192 Abs. 1a Satz 1 BGB weit auszulegen ist, soweit der Sicherungsvertrag „mit dem bisherigen Gläubiger“ maßgeblich ist; darunter ist ein früherer Grundschuldgläubiger zu verstehen, der nicht zugleich Veräußerer der Grundschuld sein muss (Palandt/Bassenge, BGB, 72. Aufl., § 1192 Rn. 3; Wellenhofer, JZ 2009, 1077, 1081).

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3. Schließlich ist es auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht das Bankhaus im Hinblick auf die Einrede als gutgläubig ansieht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats reicht allein die Kenntnis von dem Sicherungscharakter der Grundschuld nicht aus, um die Bösgläubigkeit hinsichtlich der fehlenden Valutierung zu begründen (Senat, Urteil vom 21. April 1972 - V ZR 52/70, BGHZ 59, 1 ff.; Urteil vom 15. Januar 1988 - V ZR 183/86, BGHZ 103, 72, 82, jeweils mwN).

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4. Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, gemäß § 1192 Abs. 1a BGB müsse sich der Beklagte die fehlende Valutierung der Grundschuld entgegenhalten lassen, obwohl das Bankhaus als Zedentin die Grundschuld vor dem 19. August 2008 gutgläubig einredefrei erworben hat (§ 1192 Abs. 1, § 1157 Satz 2, § 892 BGB).

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a) Ob eine Einrede trotz eines gutgläubigen Erwerbs vor dem 19. August 2008 bei einer erneuten Abtretung nach diesem Tag wieder erhoben werden kann, wird allerdings uneinheitlich beurteilt. Teilweise wird vertreten, ein Gläubiger, der die Grundschuld samt Forderung nach dem Stichtag erworben habe, sei auch solchen Einreden aus dem Sicherungsvertrag mit einem bisherigen Gläubiger ausgesetzt, die sich sein Rechtsvorgänger aufgrund eines gutgläubigen Erwerbs vor dem Stichtag nicht entgegenhalten lassen musste (Staudinger/Wolfsteiner, BGB [2009], § 1192 Rn. 49). Andere meinen dagegen, es bleibe bei der Einredefreiheit (Lemke/Regenfus, Immobilienrecht, § 1192 BGB Rn. 6).

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b) Die letztere Auffassung hält der Senat für richtig. Zwar schließt § 1192 Abs. 1a Satz 1 BGB hinsichtlich der in der Norm aufgeführten Einreden einen gutgläubigen Erwerb gemäß § 1157 Satz 2, § 892 Abs. 1 Satz 1 BGB aus. Seit dem Erwerb durch das Bankhaus war die Grundschuld indes einredefrei. Demzufolge hat der Beklagte die Grundschuld so erworben, wie sie (jetzt) ist, nämlich einredefrei; dazu bedurfte es des guten Glaubens nicht (mehr). Dies entspricht dem allgemein anerkannten sachenrechtlichen Grundsatz, dass ein einmal vollendeter einredefreier Erwerb des dinglichen Rechts auch für einen weiteren - selbst einen bösgläubigen - Rechtsnachfolger fortwirkt (RGZ 135, 357, 361 ff.; Senat, Urteil vom 4. Juli 1986 - V ZR 238/84, NJW-RR 1987, 139, 140 unter II. 1a) a.E.; BGH, Urteil vom 16. Januar 2001 - XI ZR 41/00, NJW-RR 2001, 1097 f.; Erman/Wenzel, 13. Aufl., § 1157 Rn. 6; MünchKomm-BGB/Kohler, 6. Aufl., § 892 Rn. 71; MünchKomm-BGB/Eickmann, 6. Aufl., § 1157 Rn. 14; zu - hier nicht einschlägigen - Ausnahmen siehe MünchKomm-BGB/Kohler, 6. Aufl., § 892 Rn. 39 mwN). Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber von diesem Grundsatz abweichen wollte; die auf Art. 229 § 18 Abs. 2 EGBGB bezogene Gesetzesbegründung weist sogar ausdrücklich darauf hin, dass Grundschuldveräußerungen aus der Zeit vor Inkrafttreten der Rechtsänderung nicht einbezogen würden, weil es sich um bereits abgeschlossene Tatbestände handele, in die nicht nachträglich eingegriffen werden solle (BT-Drucks. 16/9821, S. 18).

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5. Auch die hilfsweise angestellten Erwägungen des Berufungsgerichts tragen das Ergebnis nicht. Selbst wenn der Beklagte die Sicherungsgrundschuld auf Geheiß des G.     M.     als dem bösgläubigen Sicherungsnehmer erworben haben sollte, war sie zu diesem Zeitpunkt einredefrei.

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a) Richtig ist zwar, dass zwischen den Klägern und G.     M.     weiterhin der schuldrechtliche Sicherungsvertrag besteht. Hätte das Bankhaus die Grundschuld zunächst an G.    M.    abgetreten und wäre die Abtretung in das Grundbuch eingetragen worden, hätten die Kläger ihm die fehlende Valutierung (erneut) entgegenhalten können. Hätte G.    M.     seinerseits die Grundschuld nach dem 19. August 2008 an den Beklagten abgetreten, wäre er als „bisheriger Gläubiger“ im Sinne von § 1192 Abs. 1a Satz 1 BGB anzusehen gewesen; dann hätten die Kläger dem Beklagten die Einrede auch dann entgegensetzen können, wenn dieser insoweit gutgläubig gewesen wäre. Ein (erneuter) dinglicher Rechtserwerb des G.     M.      hat aber - davon geht auch das Berufungsgericht aus - nicht stattgefunden; er ist nicht nochmals Grundschuldgläubiger im Sinne von § 1192 Abs. 1a Satz 1 BGB geworden. Infolgedessen war die Grundschuld bei der nach dem 19. August 2008 erfolgten Abtretung nicht (erneut) einredebehaftet.

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b) Auch wenn das Bankhaus die Abtretung an den Beklagten in Erfüllung des Rückgewähranspruchs des G.    M.      und auf dessen Weisung vorgenommen hat, können wertende Überlegungen die Anwendung von § 1192 Abs. 1a Satz 1 BGB nicht rechtfertigen. Dafür spricht zunächst, dass es an einer abgekürzten Abtretungskette schon dann fehlt, wenn der Rückgewähranspruch - wie es häufig der Fall ist - abgetreten worden ist. Entscheidend ist jedoch, dass das Immobiliarsachenrecht aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit in besonderer Weise formalisiert ist, soweit der dingliche Rechtserwerb - wie es bei einer Buchgrundschuld der Fall ist - die Eintragung in das Grundbuch erfordert. Ein unterbliebener dinglicher Rechtserwerb kann deshalb - abgesehen von dem Sonderfall einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§§ 242, 826 BGB) - nicht durch Wertungen ersetzt werden. Nichts anderes lässt sich aus dem von den Klägern in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat herangezogenen Geheißerwerb bei beweglichen Sachen herleiten. Dabei wird die Übergabe einer beweglichen Sache (§ 929 Satz 1 BGB) an den Erwerber durch die Übergabe an einen Dritten „auf Geheiß“ des Erwerbers vorgenommen. Folge ist ein dinglicher Rechtserwerb des Anweisenden (BGH, Urteil vom 9. November 1998 - II ZR 144/97, NJW 1999, 425; Hassold, Zur Leistung im Dreipersonenverhältnis [1981], S. 74 f.). Dagegen kann es einen dinglichen Zwischenerwerb bei einer Buchgrundschuld nur infolge der Eintragung in das Grundbuch geben, an der es gerade fehlt.

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6. Schließlich muss sich der Beklagte die Einrede nach den bisherigen Feststellungen auch nicht gemäß § 242 BGB entgegenhalten lassen. Ist § 1192a Abs. 1 Satz 1 BGB - wie ausgeführt - nicht anwendbar, so muss er die Einrede im Grundsatz selbst dann nicht gegen sich gelten lassen, wenn er Kenntnis von der Nichtvalutierung gehabt haben sollte. Anders läge es nur dann, wenn er mit G.     M.      kollusiv zusammengewirkt haben sollte, um die Kläger vorsätzlich und sittenwidrig zu schädigen (§§ 826, 242 BGB; vgl. Senat, Urteil vom 4. Juli 1986 - V ZR 238/84, NJW-RR 1987, 139, 140 unter II. 1a)). Ob eine solche Sachlage gegeben ist - entsprechend der Würdigung des Landgerichts, das den Beklagten als „Strohmann“ von G.      M.      angesehen hat , ist von dem Berufungsgericht aber gerade offen gelassen worden.

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7. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif; sie ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO), das Feststellungen zu den Voraussetzungen der §§ 242, 826 BGB aufgrund eines kollusiven Zusammenwirkens zwischen dem Beklagten und G.      M.       - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang nicht getroffen hat.

IV.

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Für den Fall, dass es in dem weiteren Verfahren auf die Auszahlung des Darlehens durch G.     M.      ankommen sollte, weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass das Berufungsgericht - wie der Beklagte mit der Revision zu Recht rügt - verfahrensfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt ist, die Auszahlung sei unterblieben.

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1. Dies gilt zum einen im Hinblick auf die Anwendung von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

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a) Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Vernehmung des Zeugen L.     zu der fehlenden Valutierung in erster Instanz zu Unrecht unterblieben. Deshalb hat es diesen Zeugen seinerseits vernommen. Gleichwohl hat es sich gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die auf der Vernehmung der weiteren Zeugen beruhende Tatsachenfeststellung des Landgerichts gebunden gesehen und hat eine eigenständige Beweiswürdigung unterlassen.

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b) Dies beruht auf einem grundlegenden Missverständnis von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

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aa) Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des ersten Rechtszuges gebunden. Bei Zweifeln an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen ist eine erneute Beweisaufnahme zwingend geboten (st. Rspr., BGH, Beschluss vom 14. Juli 2009 - VIII ZR 3/09, MDR 2009, 1126 Rn. 5; Beschluss vom 30. November 2011 - III ZR 165/11, GuT 2012, 486 Rn. 5; Beschluss vom 15. März 2012 - I ZR 125/11, GuT 2012, 181 Rn. 8). So liegt es hier. Die entscheidungserhebliche Tatsache, an deren Feststellung das Berufungsgericht gebunden sein könnte, ist die Auszahlung des Kredits. Diese Feststellung hat es als fehlerhaft erachtet, weil es die Beweisaufnahme als unvollständig ansah; damit war es an das erstinstanzliche Urteil nicht mehr gebunden und musste zwingend eine eigene Tatsachenfeststellung vornehmen. Diese ist unterblieben, weil das Berufungsgericht lediglich die Beweiswürdigung des Landgerichts nachvollzogen hat, ohne sich diese erkennbar zu eigen zu machen.

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bb) Richtig ist zwar, dass das Berufungsgericht nicht alle Zeugen erneut vernehmen muss, wenn es - wie hier - deren Aussagen nicht anders würdigen will als die Vorinstanz. Denn die erneute Vernehmung von Zeugen steht in dem Ermessen des Berufungsgerichts, solange es bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit nicht von dem Ergebnis der Vorinstanz abweichen will (st. Rspr., vgl. nur Senat, Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 257/03, BGHZ 158, 269, 273 ff.; BGH, Beschluss vom 30. November 2011 - III ZR 165/11, GuT 2012, 486 Rn. 5; Beschluss vom 15. März 2012 - I ZR 125/11, GuT 2012, 181 Rn. 8). Daraus folgt aber nicht, dass es eine Zeugenvernehmung als einen Baustein der Beweisaufnahme nachholen und dadurch die Bindung an die erstinstanzliche Tatsachenfeststellung gleichsam wiederherstellen kann. Auch wenn das Berufungsgericht die Aussage des erst in der Berufungsinstanz vernommenen Zeugen als unergiebig und eine erneute Vernehmung der übrigen Zeugen als verzichtbar ansieht, hat es eine eigenständige Würdigung der erhobenen Beweise anhand der Vernehmungsprotokolle durchzuführen; dabei kann es sich die Würdigung der Vorinstanz ausdrücklich zu eigen machen.

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2. Zum anderen hat das Berufungsgericht eine erneute Vernehmung des Zeugen M.      in verfahrensfehlerhafter Anwendung von § 531 Abs. 2 ZPO unterlassen.

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a) In der Sitzung vom 17. Februar 2011 erweiterte das Landgericht das vor dem Termin beschlossene Beweisthema. Sodann vernahm es den prozessleitend geladenen Zeugen H.      zu dem erweiterten Beweisthema, nämlich zu der Behauptung, G.      M.      habe dem Zeugen mitgeteilt, die Kläger hätten sich das Geld für den Hauskauf aus der Ukraine selbst beschafft. Dies bestätigte der Zeuge und gab an, G.       M.       habe ihm gegenüber geäußert, die Grundschuldbestellung sei nur zum Schein erfolgt. Zwecks Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme wurde dem Beklagten Schriftsatznachlass gewährt. In dem nachgelassenen Schriftsatz benannte er G.     M.       als Zeugen zum Beweis dafür, dass er eine solche Mitteilung nicht gemacht habe; dieser war zwar bereits als Zeuge vernommen worden, aber nicht zu diesem Beweisthema. Die Begründung des Landgerichts, der Zeuge sei schon vernommen, war deshalb ersichtlich falsch. Dies ist in der Berufungsbegründung gerügt worden und hätte dem Berufungsgericht Anlass für die Vernehmung geben müssen.

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b) Die Zurückweisung des Beweisantritts stützt das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft auf § 531 Abs. 2 ZPO, weil es meint, es handele sich um ein neues Angriffsmittel. Dabei übersieht es, dass das Recht, zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen, auch das Recht umfasst, neue Beweisanträge zu stellen (BGH, Beschluss vom 25. Januar 2012 - IV ZR 230/11, juris Rn. 16; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 285 Rn. 1; Hk-ZPO/Saenger, 5. Aufl., § 285 Rn. 3). Damit gilt nicht die von dem Berufungsgericht herangezogene Norm des § 296a Satz 1 ZPO, sondern § 296a Satz 2 i.V.m. § 283 ZPO. Nach diesen Vorschriften musste der Inhalt des nachgelassenen Schriftsatzes berücksichtigt werden. Der darin enthaltene Beweisantritt war auch nicht verspätet. Denn die Kläger haben die fragliche Behauptung erst mit Schriftsatz vom 11. Januar 2011 aufgestellt, also relativ kurz vor dem Termin der Beweisaufnahme am 17. Februar 2011. Eine Verspätung gemäß § 296 Abs. 1 ZPO scheidet aus, weil sich der Beklagte zu der Behauptung nicht fristgebunden äußern musste; die Voraussetzungen für eine auf § 296 Abs. 2 ZPO gestützte Zurückweisung sind nicht ersichtlich. Ohnehin hätte eine Zurückweisung als verspätet erst nach einem Hinweis des Gerichts erfolgen dürfen, was eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung vorausgesetzt hätte (BGH, Beschluss vom 25. Januar 2012 - IV ZR 230/11, juris Rn. 19; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 139 Rn.19, § 296 Rn. 32, jeweils mwN).

Stresemann                          Roth                          Brückner

                     Weinland                      Kazele