Entscheidungsdatum: 30.11.2011
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Kammergerichts vom 5. Mai 2011 - 10 U 100/10 - aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert wird auf 36.000 € festgesetzt.
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Maklerprovision in Höhe von 36.000 € nebst Zinsen in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass der Kläger der Beklagten den späteren Vertragspartner als Interessenten nachgewiesen habe. Die Kenntnis der Beklagten davon, dass der Interessent durch den Kläger nachgewiesen worden sei, ergebe sich daraus, dass ein Schreiben über die Interessenbekundung seitens des späteren Vertragspartners über deren eingeschaltete Makler an den Kläger und von diesem an die Beklagte weitergeleitet worden sei. Dies sah das Landgericht als erwiesen an aufgrund der Zeugenaussage des Zeugen E., der ausgesagt habe, dass er das Interessenbekundungsschreiben an den Kläger weitergeleitet habe und die Beklagte davon erfahren habe. Daraus ergebe sich, dass der Kläger dafür Sorge getragen haben müsse, dass dieses Schreiben der Beklagten zugegangen sei. Einen geeigneten Gegenbeweis dafür, dass sich die spätere Käuferin direkt an sie gewandt habe, habe die Beklagte nicht angeboten.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Kammergericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Es hat sich nicht die Überzeugung davon bilden können, dass eine Nachweismaklerleistung des Klägers gegenüber der Beklagten erbracht worden sei. Der Kläger habe nicht bewiesen, dass das Interessenbekundungsschreiben des späteren Vertragspartners über ihn an die Beklagte weitergeleitet worden sei. Zwar habe der Zeuge E. bekundet, dieses Schreiben an den Kläger weitergeleitet zu haben. Seine weitere Aussage, er "schätze", dass der Kläger das Schreiben an die Verkäuferin weitergeleitet habe, sei indes eine durch nichts belegte Vermutung. Einen Beweis für die Behauptung des Klägers stelle dies nicht dar. Auch sonst gebe es keine Anhaltspunkte für die Annahme des Landgerichts, der Kläger müsse dafür gesorgt haben, dass das Schreiben der Beklagten zugegangen sei. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Schreiben der Beklagten auf anderem Wege als über den Kläger zugegangen sei.
Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision. Er macht geltend, dass das Berufungsgericht zum einen nicht ohne erneute Vernehmung des Zeugen E. ein anderes Beweisergebnis als das des Landgerichts hätte zugrunde legen dürfen. Darüber hinaus sei das Berufungsgericht dem weiteren Beweisantritt, die Vernehmung des Zeugen M., nicht nachgegangen.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft und im Übrigen auch zulässig (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 544 ZPO; § 26 Nr. 8 EGZPO). Sie ist auch begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat das Recht des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
Das Berufungsgericht hat den erstinstanzlich vernommenen Zeugen entgegen § 529 Abs. 1 Nr. 1, § 398 Abs. 1 ZPO nicht erneut vernommen, obwohl es dessen Aussagen anders gewürdigt hat als das Landgericht. Diese rechtsfehlerhafte Anwendung des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO verletzt den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2009 - VIII ZR 3/09, NJW-RR 2009, 1291 Rn. 4 f). Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht grundsätzlich an die Tatsachenfeststellung des ersten Rechtszugs gebunden. Bei Zweifeln an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen ist eine erneute Beweisaufnahme zwingend geboten. Insbesondere muss das Berufungsgericht die bereits in erster Instanz vernommenen Zeugen nochmals gemäß § 398 Abs. 1 ZPO vernehmen, wenn es deren Aussagen anders würdigen will als die Vorinstanz (BGH aaO mwN). Die nochmalige Vernehmung eines Zeugen kann allenfalls dann unterbleiben, wenn sich das Rechtsmittelgericht auf solche Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfreiheit seiner Aussage betreffen (vgl. BGH aaO mwN).
Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Zwar hat das Berufungsgericht zu Recht hervorgehoben, dass der Zeuge lediglich gemutmaßt habe, dass der Kläger das Schreiben über die Interessenbekundung der späteren Vertragspartnerin an die Beklagte weitergeleitet habe. Dies hat aber auch das Landgericht nicht verkannt. Es hat bei seiner Überzeugungsbildung entscheidend auf die (weitere) Erklärung des Zeugen abgestellt, dass ihn der Kläger auf das Objekt aufmerksam gemacht, er diese Information über den Käufermakler H. an die Kaufinteressentin weitergegeben habe und dass deren an die Beklagte gerichtetes Interessenbekundungsschreiben "über dieselbe Kette" an ihn gelangt sei; er habe daraufhin das Schreiben an den Kläger weitergesandt. Wenn das Berufungsgericht angesichts dieser Aussage zu dem Ergebnis gelangt, es gebe keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme des Landgerichts, wonach der Kläger für den Zugang des Schreibens an die Beklagte gesorgt haben müsse, so stellt dies, wie die Beschwerde zu Recht gerügt hat, eine Abweichung von der Beweiswürdigung des Landgerichts dar, die auf einer anderen Auffassung von der Richtigkeit und Vollständigkeit der Aussage beruht. Diese Auffassung durfte das Berufungsgericht nicht ohne erneute Vernehmung des Zeugen zu Grunde legen.
Im Übrigen liegt aber auch deshalb ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG vor, da das Berufungsgericht zu Lasten des Klägers eine Beweiswürdigung vorgenommen hat, ohne alle von ihm benannten Beweise erhoben zu haben. Der Kläger macht zu Recht geltend, dass er in erster Instanz bereits für den Zugang des Interessenbekundungsschreibens durch ihn an die Beklagte den Zeugen M. benannt habe. Auch wenn dieser Zeugenbeweisantritt in der Berufungsinstanz nicht ausdrücklich wiederholt wurde, war er vom Berufungsgericht zu beachten. Der Kläger hat in erster Instanz Erfolg gehabt und in der Berufungserwiderung auf die in erster Instanz vorgebrachten Beweismittel Bezug genommen. Dies ist ausreichend, um die Beweisantritte in erster Instanz zum Gegenstand der Berufungsinstanz zu machen (BGH, Urteil vom 2. Juli 1986 - IVb ZR 37/85, FamRZ 1986, 1085). Das Übergehen eines sachdienlichen und erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 105, 279, 311). Ausgehend von der Rechtsauffassung des Gerichts hätte es die von ihm vorgenommene Beweiswürdigung nicht ohne Erhebung des vom Kläger angetretenen Zeugenbeweises treffen dürfen.
Schlick Dörr Wöstmann
Seiters Tombrink