Entscheidungsdatum: 11.01.2018
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Landgerichts Ansbach - 4. Zivilkammer - vom 23. Februar 2017 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Weißenburg i. Bay. vom 20. Januar 2017 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.
I.
Der Betroffene ist ukrainischer Staatsangehöriger. Mit Bescheid vom 2. Juni 2016 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag des Betroffenen ab und ordnete dessen Abschiebung an, die am 17. August 2016 vollzogen wurde. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde in dem Bescheid befristet auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung. Am 19. Januar 2017 sprach der Betroffene bei der beteiligten Behörde vor.
Auf deren Antrag hat das Amtsgericht am 20. Januar 2017 Haft zur Sicherung der Abschiebung des Betroffenen bis zum 31. März 2017 angeordnet. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde hat das Landgericht als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Betroffene, der am 27. März 2017 aus der Haft entlassen worden ist, mit der Rechtsbeschwerde.
II.
Das Beschwerdegericht meint, der Betroffene verfüge über kein ausreichendes Feststellungsinteresse. Da er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung noch in Haft befunden habe, sei es ihm möglich und zumutbar gewesen, sich im Interesse einer endgültigen Klärung im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gegen den Beschluss des Amtsgerichts als solchen zu wenden und dessen Aufhebung zu beantragen, um die Beendigung der Haft zu erreichen. Eines Hinweises hierzu an den Betroffenen habe es nicht bedurft, da die Beschwerde auch unbegründet sei. Der Betroffene sei wegen seiner unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig gewesen, so dass der Haftgrund des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vorgelegen habe. Die angeordnete Dauer der Haft sei erforderlich und verhältnismäßig gewesen.
III.
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 FamFG ohne Zulassung statthaft, auch wenn bereits das Beschwerdegericht über einen Feststellungsantrag nach § 62 Abs. 1 FamFG entschieden hat (Senat, Beschlüsse vom 14. Juli 2016 - V ZB 32/15, InfAuslR 2016, 432 Rn. 5 und vom 6. Oktober 2011 - V ZB 314/10, FGPrax 2012, 44 Rn. 5); dies gilt auch, wenn das Beschwerdegericht den Feststellungsantrag als unzulässig verworfen hat.
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
a) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts war die Beschwerde des Betroffenen zulässig.
aa) Ein sich in Haft befindender Ausländer kann die Beschwerde gegen die Haftanordnung nach §§ 58 ff. FamFG mit einem Feststellungsantrag analog § 62 FamFG verbinden, durch die angefochtene Haftanordnung in seinen Rechten verletzt worden zu sein (Senat, Beschluss vom 31. Januar 2013 - V ZB 20/12, FGPrax 2013, 130 Rn. 7 mwN). Ist das geschehen, muss das Beschwerdegericht über beide Anträge, die nicht dasselbe Rechtsschutzziel verfolgen, entscheiden (Senat, Beschluss vom 31. Januar 2013 - V ZB 20/12, aaO).
bb) So liegt es, wenn ein inhaftierter Betroffener - wie hier - Beschwerde gegen den die Haft anordnenden Beschluss einlegt. Denn damit will er erreichen, dass der Beschluss aufgehoben und die Haft beendet wird. Dass der Betroffene mit der Beschwerde auch die Feststellung begehrt, der angefochtene Beschluss habe ihn in seinen Rechten verletzt, ändert hieran nichts. Die Annahme des Beschwerdegerichts, der Betroffene habe lediglich isoliert die Rechtswidrigkeit der Haft feststellen lassen, deren Vollzug aber weiter dulden wollen, entspricht dagegen ersichtlich nicht dem Rechtsschutzziel der Beschwerde. Dies wird auch daraus deutlich, dass der anwaltlich vertretene Betroffene in der Beschwerdebegründung Akteneinsicht für den Fall beantragt hat, dass das Beschwerdegericht die Haft nicht aufhebt.
b) Die Anordnung der Abschiebungshaft hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt.
aa) Es fehlte bereits an einem zulässigen Haftantrag, weil der Haftantrag der beteiligten Behörde keine Ausführungen zu dem Vorliegen oder der Entbehrlichkeit einer Abschiebungsandrohung enthält.
(1) Das Vorliegen einer Abschiebungsandrohung gehört zu den von der Behörde im Haftantrag nach § 417 Abs. 2 Nr. 5 FamFG darzulegenden Vollstreckungsvoraussetzungen. Fehlt es an Angaben der Behörde, dass eine Abschiebungsandrohung entweder bereits ergangen ist oder aber wegen Vorliegens einer anderen Rückkehrentscheidung ausnahmsweise entbehrlich ist, liegt ein Verstoß gegen den gesetzlichen Begründungszwang vor, der zur Unzulässigkeit des Haftantrags führt (Senat, Beschlüsse vom 14. Juli 2016 - V ZB 32/15, InfAuslR 2016, 432 Rn. 9 und vom 30. Oktober 2013 - V ZB 29/13, juris Rn. 4 mwN). Ohne einen zulässigen Haftantrag der Behörde darf der Richter die beantragte Haft zur Sicherung der Abschiebung nicht anordnen (Senat, Beschluss vom 17. Oktober 2013 - V ZB 162/12, InfAuslR 2014, 51 Rn. 6 mwN).
(2) Entsprechende Ausführungen waren vorliegend nicht ausnahmsweise deshalb entbehrlich, weil der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. Juni 2016 eine Abschiebungsandrohung enthielt. Denn durch den Vollzug der hierin angedrohten Abschiebung ist die Vollstreckungsmaßnahme der Verwaltungsbehörde abgeschlossen und erledigt. Die Abschiebungsandrohung ist hierdurch „verbraucht“; sie wirkt nicht als vorsorgliche Androhung für den Fall einer erneuten unerlaubten Einreise fort. Reist der Betroffene später wieder in die Bundesrepublik Deutschland ein, kann daher von einer nach § 59 AufenthG notwendigen Abschiebungsandrohung nicht unter Hinweis auf die früher ergangene Abschiebungsandrohung abgesehen werden (vgl. für den Fall der freiwilligen Ausreise Senat, Beschlüsse vom 17. März 2016 - V ZB 39/15, juris Rn. 8, vom 14. Januar 2016 - V ZB 18/14, Rn. 9 und vom 1. Oktober 2015 - V ZB 44/15, InfAuslR 2015, 440 Rn. 7).
bb) Dieser Mangel des Haftantrags ist nicht durch die Feststellung des Beschwerdegerichts geheilt worden, dass die Behörde dem Betroffenen mit dem ihm am 2. Februar 2017 zugestellten Bescheid vom 27. Januar 2017 die Abschiebung in die Ukraine angedroht hat. Zwar können solche Mängel mit Wirkung für die Zukunft behoben werden, indem die Behörde von sich aus oder auf richterlichen Hinweis ihre Darlegungen ergänzt und dadurch die Lücken in ihrem Haftantrag schließt oder indem der Haftrichter selbst die Voraussetzungen zur Durchführbarkeit der Ab- oder Zurückschiebung des Ausländers und zu der dafür erforderlichen Haftdauer in seiner Entscheidung feststellt (§ 26 FamFG, vgl. zum Ganzen Senat, Beschluss vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 21 ff.). Diese Heilung kann auch noch während des Beschwerdeverfahrens erfolgen (Senat, Beschluss vom 17. November 2016 - V ZB 90/16, juris Rn. 9). Zwingende weitere Voraussetzung für eine rechtmäßige Haftanordnung ist in einem solchen Fall aber, dass der Betroffene zu den ergänzenden Angaben persönlich angehört wird (Senat, Beschlüsse vom 15. September 2016 - V ZB 30/16, juris Rn. 9 mwN und vom 17. November 2016 - V ZB 90/16, aaO). An einer solchen Anhörung fehlt es.
3. Der Senat kann über den Feststellungsantrag in der Sache selbst entscheiden, weil dieser zur Endentscheidung reif ist (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG). Zwar könnte die Anhörung des Betroffenen zu der zwischenzeitlich erfolgten Abschiebungsandrohung noch nachgeholt werden. Da der Mangel des Haftantrags hierdurch aber nur mit Wirkung für die Zukunft behoben würde und der Betroffene zwischenzeitlich aus der Haft entlassen worden ist, steht fest, dass die Haft über ihre gesamte Dauer rechtswidrig war.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 EMRK analog. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 36 Abs. 3 GNotKG.
Stresemann |
|
Schmidt-Räntsch |
|
Kazele |
|
Haberkamp |
|
Hamdorf |
|