Entscheidungsdatum: 01.10.2015
Dem Betroffenen wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gewährt.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Borken vom 9. Januar 2015 und der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 6. Februar 2015 ihn in seinen Rechten verletzt haben.
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Landkreis Borken auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.
I.
Der Betroffene, ein georgischer Staatsangehöriger, reiste erstmals im Oktober 2011 unerlaubt nach Deutschland ein und stellte einen Asylantrag. Am 4. Juni 2012 kehrte er freiwillig nach Georgien zurück. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) stellte daraufhin das Asylverfahren mit bestandskräftigem Bescheid vom 17. Juli 2012 ein. Zugleich drohte es dem Betroffenen die Abschiebung nach Georgien an.
In der Folgezeit reiste der Betroffene erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein. Seinen Asylfolgeantrag lehnte das BAMF mit Bescheid vom 15. Dezember 2014 ab. Nachdem eine Abschiebung des Betroffenen nach Georgien an dessen Widerstand gescheitert war, hat das Amtsgericht auf Antrag der beteiligten Behörde mit Beschluss vom 9. Januar 2015 Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 19. Februar 2015 angeordnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Der Betroffene wurde am 12. Februar 2015 nach Georgien abgeschoben. Mit der Rechtsbeschwerde will er die Feststellung erreichen, durch die Haftanordnung in seinen Rechten verletzt zu sein.
II.
Nach Ansicht des Beschwerdegerichts hat das Amtsgericht zu Recht die Haft angeordnet. Die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung aus dem Bescheid vom 17. Juli 2012 seien weiterhin gültig und vollziehbar. Es lägen auch die Haftgründe des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 und 5 AufenthG vor.
III.
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Der Betroffene hat zwar die rechtzeitige Begründung der Rechtsbeschwerde versäumt. Da dies auf seiner Bedürftigkeit beruhte, also unverschuldet war, und er die Begründung nach der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe fristgerecht nachgeholt hat, ist ihm aber gemäß § 17 Abs. 1 FamFG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Der Beschluss des Amtsgerichts und die die Haftanordnung aufrechterhaltende Beschwerdeentscheidung haben den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, weil es - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt - an der nach § 59 AufenthG erforderlichen Abschiebungsandrohung fehlte. Ohne Abschiebungsandrohung darf eine Sicherungshaft nach § 62 Abs. 3 AufenthG nicht angeordnet werden (Senat, Beschluss vom 12. Dezember 2013 - V ZB 214/12, juris Rn. 10)
Eine Abschiebungsandrohung war hier nicht im Hinblick auf § 71 Abs. 5 und 6 Satz 1 AsylVfG entbehrlich. Stellt der Ausländer, nachdem eine nach Stellung des früheren Asylantrags ergangene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist, einen Folgeantrag, der nicht zur Durchführung eines weiteren Verfahrens führt, so bedarf es nach § 71 Abs. 5 AsylVfG zum Vollzug der Abschiebung keiner erneuten Fristsetzung und Abschiebungsandrohung; nach Absatz 6 Satz 1 gilt dies auch, wenn der Ausländer zwischenzeitlich das Bundesgebiet verlassen hatte. Die Vorschrift ist nicht dahingehend zu verstehen, dass unter den dort genannten Voraussetzungen abweichend von § 59 AufenthG eine Abschiebung ohne vorausgehende Androhung erfolgen darf. Vielmehr besagt die Vorschrift lediglich, dass es einer erneuten Abschiebungsandrohung nicht bedarf, und ermöglicht so die Abschiebung des Ausländers auf der Grundlage der in einem früheren Verfahren erlassenen asylverfahrensrechtlichen Abschiebungsandrohung (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19. September 2001 - 11 S 2099/01, juris Rn. 5).
Die in dem früheren Verfahren ergangene Abschiebungsandrohung der BAMF in dem Bescheid vom 17. Juli 2012 ist zwar bestandskräftig. Sie konnte aber ihren Zweck, dem Betroffenen vor Augen zu führen, dass seine Ausreisepflicht bei Nichteinhaltung der Ausreisefrist ggf. im Wege der Abschiebung durchgesetzt würde, nicht erfüllen; denn der Betroffene war im Zeitpunkt der Androhung bereits freiwillig in sein Heimatland zurückgekehrt. Dies war der Behörde auch bekannt, da sie das Asylverfahren in dem Bescheid vom 17. Juli 2012 im Hinblick auf die freiwillige Rückreise des Betroffenen in seine Heimat gemäß §§ 32, 33 Abs. 2 AsylVfG eingestellt hatte. Da die Abschiebungsandrohung somit für die Behörde erkennbar ins Leere ging, konnte sie nicht als Grundlage für die Anordnung von Haft zur Sicherung der Abschiebung dienen. Sie wäre eine vorsorgliche Androhung für den Fall einer künftigen Einreise, die aber nicht vorgesehen und somit unzulässig ist (BVerwGE, 124, 166,170 f.).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 EMRK analog. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.
Schmidt-Räntsch Brückner Weinland
Kazele Haberkamp