Entscheidungsdatum: 17.03.2016
Auf die Rechtsbeschwerde wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Fürth vom 20. Februar 2015 und der Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth - 18. Zivilkammer - vom 25. Februar 2015 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben.
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Regierungsbezirk Mittelfranken auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.
I.
Der Betroffene ist serbischer Staatsangehöriger. Er reiste als Neunjähriger zusammen mit seinen Eltern 1999 in das Bundesgebiet ein. Nach Ablehnung des Asylantrags wurde die Familie nach Serbien abgeschoben. Im Oktober 2013 reiste der Betroffene mit Ehefrau und Kindern erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein. Der Asylantrag wurde mit Bescheid vom 31. März 2014 abgelehnt, die Abschiebung angedroht und der Betroffene aufgefordert, das Bundesgebiet binnen einer Woche zu verlassen. Am 19. Februar 2015 wurde der Betroffene erneut ohne Papiere im Bundesgebiet angetroffen.
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 20. Februar 2015 Haft zur Sicherung der Abschiebung des Betroffenen bis zum 2. April 2015 angeordnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Der Betroffene ist am 1. April 2015 nach Serbien abgeschoben worden. Mit der Rechtsbeschwerde will er die Feststellung erreichen, durch die Haftanordnung und deren Aufrechterhaltung in seinen Rechten verletzt worden zu sein.
II.
Das Beschwerdegericht lässt dahinstehen, ob der von dem Amtsgericht bejahte Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG vorliegt, da jedenfalls der Haftgrund der unerlaubten Einreise gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erfüllt sei.
III.
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Haftanordnung und die sie bestätigende Beschwerdeentscheidung sind rechtswidrig. Das Amtsgericht und das Beschwerdegericht haben nicht geprüft, ob die für die Anordnung von Haft notwendigen Vollstreckungsvoraussetzungen noch vorliegen. Für eine solche Prüfung bestand im Hinblick auf das Vorbringen des Betroffenen bei seiner Anhörung vor dem Haftrichter Anlass.
1. Zu den von dem Haftrichter zu prüfenden Vollstreckungsvoraussetzungen gehört grundsätzlich das Vorliegen einer Abschiebungsandrohung nach § 59 AufenthG. Eine solche Androhung muss auch dann erfolgen, wenn der Ausländer gemäß § 14 AufenthG unerlaubt eingereist und deshalb nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig ist (Senat, Beschluss vom 14. Januar 2016 - V ZB 18/14 Rn. 7 mwN).
2. Nach dem Kenntnisstand bei der Haftanordnung lag diese Voraussetzung allerdings vor. Der Haftantrag entsprach insbesondere dem sich aus § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG ergebenden Begründungserfordernis (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Oktober 2014 - V ZB 64/14, InfAuslR 2015, 60 Rn. 6), weil die Abschiebungsandrohung in dem dem Haftantrag beigefügten Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 31. März 2014 enthalten war und der Sachverhalt sich so darstellte, dass der Betroffene der Ausreiseaufforderung der Behörde nicht nachgekommen, sondern bis zu seinem erneuten Aufgreifen im Februar 2015 im Bundesgebiet untergetaucht war.
3. Angesichts des Vorbringens des Betroffenen bei seiner Anhörung durch den Haftrichter, er sei im Juni 2014 mit seiner Familie freiwillig aus der Bundesrepublik ausgereist, hätten die Vorinstanzen jedoch prüfen müssen, ob die Abschiebungsandrohung vom 31. März 2014 tatsächlich Grundlage für die anzuordnende Haft sein konnte oder ob es einer erneuten Abschiebungsandrohung bedurfte.
a) Eine Abschiebungsandrohung ist "verbraucht", wenn der Betroffene der Ausreiseaufforderung nachkommt und freiwillig in sein Heimatland zurückkehrt; sie wirkt nicht als vorsorgliche Androhung für den Fall einer erneuten unerlaubten Einreise fort. Reist der Betroffene später wieder in die Bundesrepublik Deutschland ein, kann daher von einer nach § 59 AufenthG notwendigen Abschiebungsandrohung nicht unter Hinweis auf die früher ergangene Abschiebungsandrohung abgesehen werden (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Januar 2016 - V ZB 18/14, Rn. 9; Beschluss vom 1. Oktober 2015 - V ZB 44/15, InfAuslR 2015, 440 Rn. 7).
b) Der Haftrichter und das Beschwerdegericht hätten daher im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht (§ 26 FamFG) der Frage nachgehen müssen, ob die Angaben des Betroffenen über seine freiwillige Ausreise im Juni 2014 den Tatsachen entsprechen. Seine Angaben korrespondieren mit der Darstellung in dem Haftantrag, wonach der Betroffene und seine Familie nach Ablehnung des Asylantrages ab dem 5. Juni 2014 "amtlich" unbekannten Aufenthalts gewesen seien. Angesichts dessen hätte es nahe gelegen, durch Rückfrage bei der beteiligten Behörde oder durch Beiziehung der Ausländerakte (vgl. § 417 Abs. 2 Satz 3 FamFG) zu ermitteln, ob es Belege für die Ausreise des Betroffenen gibt. Die Rechtsbeschwerde weist in diesem Zusammenhang auf ein Schreiben des Landratsamtes H. vom 24. Juni 2014 hin, in dem dieses mitteilt, dass der Betroffene mit seiner Familie am 5. Juni 2014 freiwillig nach Serbien ausgereist sei. Hätte sich bei der gebotenen Sachaufklärung herausgestellt, dass der Betroffene im Juni 2014 tatsächlich in sein Heimatland zurückgekehrt und damit die Abschiebungsandrohung "verbraucht" war, wäre weiter zu prüfen gewesen, ob die beteiligte Behörde nach dem Aufgreifen des Betroffenen in Deutschland im Februar 2015 die erforderliche erneute Abschiebungsandrohung ausgesprochen hat.
4. Das Rechtsbeschwerdegericht kann in der Sache selbst entscheiden (§ 74 Abs. 6 S. 1 FamFG). Aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Abschiebung des Betroffenen kann die fehlende Aufklärung nicht mehr nachgeholt werden, da hierfür auch die persönliche Anhörung des Betroffenen zu dem Ergebnis der Ermittlungen erforderlich wäre (vgl. Senat, Beschluss vom 30. Juni 2011 - V ZB 274/10, InfAuslR 2011, 450 Rn. 29; Beschluss vom 6. Dezember 2012 - V ZB 218/11, InfAuslR 2013, 154 Rn. 16).
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 EMRK analog. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 36 Abs. 3 GNotKG.
Stresemann Schmidt-Räntsch Weinland
Göbel Haberkamp