Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 11.11.2010


BGH 11.11.2010 - V ZB 143/10

Pflichten des Urkundsnotars: Art der Heftung einer aus mehreren Teilen bestehenden Urkunde


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
11.11.2010
Aktenzeichen:
V ZB 143/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Frankfurt (Oder), 13. April 2010, Az: 19 T 59/10, Beschluss
Zitierte Gesetze
§ 29 NotDO
§ 30 NotDO

Leitsätze

Der Notar ist nicht verpflichtet, eine aus mehreren Teilen bestehende Urkunde so zu heften, dass die Fotokopierfähigkeit der verbundenen Schriftstücke erhalten bleibt. Sind Teile der Urkunde lesbar, aber auf Grund der Heftung nicht kopierfähig, muss er die Urkunde nicht neu heften .

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 13. April 2010 wird auf Kosten der Beteiligten zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Rechtsbeschwerdeführerin begehrt die Entsiegelung und Neuheftung einer notariellen Urkunde, aus der sie die Zwangsvollstreckung betreiben will.

2

Die vollstreckbare Urkunde wurde zur UR-Nr. 160/1995 der Notarin B. errichtet. Mit ihr übernahmen die Eheleute Be. die persönliche Haftung wegen einer vor dem Notar R. zur UR-Nr. R 46/1994 bestellten Grundschuld in Höhe von 125.000 DM. Eine vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde UR-Nr. R 46/1994 ist der Urkunde UR-Nr. 160/1995 beigeheftet, ferner Zustellungsurkunden, ein Quittierungsvermerk sowie ein Erbschein.

3

Am 26. Oktober 2009 versah der verwahrende Notar die Urkunde mit einer Rechtsnachfolgeklausel. Er öste und siegelte die Gesamturkunde.

4

Die Beteiligte beantragte bei dem Notar, die vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde wieder zu öffnen und eine kopierfähige Urkunde herzustellen. Zur Begründung führte sie aus, durch die vorgenommene neue Ösung könnten einzelne Blätter nicht mehr vollständig kopiert werden. Diesen Antrag wies der Notar zurück, weil es sich um eine Gesamturkunde handele. Er sei nicht berechtigt, den Zusammenhang der nicht von ihm stammenden Urkunden zu lösen und die entsprechenden Siegel zu brechen.

5

Mit der Beschwerde hat die Beteiligte verlangt, den Notar anzuweisen, die versiegelte Grundschuldbestellungsurkunde zu öffnen und eine kopierfähige Urkunde aus den verschiedenen Urkunden herzustellen. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens erteilte der Notar der Beteiligten auf deren Antrag eine beglaubigte Abschrift der Urkunde. Dabei handelt es sich um eine Fotokopie der Urkunde, bei der einzelne nicht lesbare Teile handschriftlich ergänzt worden sind. Das Landgericht hat die Beschwerde mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beteiligte mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde und begehrt hilfsweise festzustellen, dass der Notar die Rechtsbeschwerdeführerin in ihren Rechten verletzt hat, indem er ihrem Antrag vom 14. Februar 2010 nicht entsprochen hat.

II.

6

Das Beschwerdegericht verneint das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag, weil die Beteiligte die Erteilung einer beglaubigten Abschrift der Urkunde verlangen könne. Die Vervielfältigung könne auch durch eine Abschrift erfolgen. Bei Gesamturkunden könne die Heftung häufig dazu führen, dass die Fotokopierfähigkeit der einzelnen Urkunden leide. Die Heftung müsse die Lesbarkeit, nicht aber die Kopierfähigkeit erhalten.

III.

7

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 15 Abs. 2 BNotO, § 70 Abs. 1 FamFG statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die Beschwer für den Hauptantrag nicht wegen der zwischenzeitlich erteilten beglaubigten Abschrift entfallen. Denn der Notar hat die in erster Linie begehrte Handlung nicht vorgenommen. Zudem ist nicht festgestellt, ob die beglaubigte Abschrift wegen der handschriftlichen Ergänzungen für die Vollstreckung ausreichen wird.

8

In der Sache hat die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung keine Rechtsfehler aufweist. Der Notar hat die Urkundstätigkeit, zu der auch der Vollzug der Urkunde und damit eine mögliche Entheftung zählt, nicht ohne ausreichenden Grund im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 BNotO verweigert.

9

Im Grundsatz ist der Notar zu Urkundstätigkeiten verpflichtet. Ein ausreichender Grund für die Verweigerung im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 BNotO besteht sowohl, wenn das Beurkundungsgesetz die Amtsausübung untersagt, als auch dann, wenn der Beurkundung Soll-Vorschriften entgegenstehen, die der Notar bei seiner Amtsführung zu beachten hat (Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 6. Aufl., § 15 Rn. 63 ff.; Eylmann/Vaasen/Frenz, BNotO - BeurkG, 2. Aufl., § 15 BNotO Rn. 24).

10

a) Gemäß § 44 BeurkG sollen Urkunden, die aus mehreren Blättern bestehen, ebenso wie der Niederschrift beigefügte Schriftstücke, Karten, Zeichnungen und Abbildungen mit Schnur und Prägesiegel verbunden werden. Unter Verweis hierauf sieht § 30 DONot vor, dass jede Urschrift, Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift, die mehr als einen Bogen oder ein Blatt umfasst, zu heften und der Heftfaden anzusiegeln ist. Ferner sind gemäß § 29 Abs. 1 DONot Urschriften, Ausfertigungen und beglaubigte Abschriften notarieller Urkunden so herzustellen, dass sie gut lesbar, dauerhaft und fälschungssicher sind.

11

Die Heftung und Siegelung soll unter Erhaltung der Lesbarkeit sowohl gewährleisten, dass die Urkunde vollständig bleibt, als auch verhindern, dass andere Schriftstücke nachträglich eingefügt werden. Wird die Sollvorschrift des § 44 BeurkG nicht eingehalten, kann dies unter Umständen den Beweiswert der Urkunde mindern (Preuß in Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG - DONot, 5. Aufl., § 44 BeurkG Rn. 6; Winkler, BeurkG, 16. Aufl., § 44 Rn. 11).

12

b) Weil die Heftung einer Gesamturkunde eine dauerhafte Verbindung der Urkunden schaffen soll, kann eine Entheftung nur in engen Ausnahmefällen in Betracht kommen. Allerdings wird eine Pflicht des Notars angenommen, die Verbindung einer fehlerhaft gebundenen Urkunde zu lösen und sie neu zu verbinden. Angeführt wird dabei eine fehlerhafte Urkunde, bei der entweder die Reihenfolge der Blätter nicht zutrifft oder einzelne Blätter fehlen (Preuß in Arm-brüster/Preuß/Renner aaO, § 44 BeurkG Rn. 6; Renner in Armbrüster/Preuß/ Renner aaO, § 30 DONot Rn. 4; Waldner, Beurkundungsrecht für die notarielle Praxis (2007) Rn. 211; Weingärtner/Ehrlich, DONot, 10. Aufl., Rn. 463; Winkler aaO, § 44 Rn. 11).

13

c) Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Auch wenn unterstellt wird, dass die Kopierfähigkeit einzelner Urkundsteile aufgrund der Heftung nicht mehr besteht, ist die Heftung deshalb nicht fehlerhaft.

14

Dass bei der festen Verbindung die Fotokopierfähigkeit einzelner Schriftstücke erhalten bleiben muss, ergibt sich aus keiner der genannten Vorschriften. Dies ist auch nach Sinn und Zweck von § 44 BeurkG und §§ 29 Abs. 1, 30 DONot nicht geboten. Nach § 29 Abs. 1 DONot müssen Ausfertigungen nur so hergestellt werden, dass sie unter anderem gut lesbar sind. Dass hier Teile der Urkunde nicht mehr lesbar wären, hat das Beschwerdegericht nicht festgestellt und behauptet auch die Rechtsbeschwerde nicht.

15

Die Kopierfähigkeit muss dagegen nicht zwingend erhalten bleiben. Bei Gesamturkunden kann die dauerhafte Verbindung durch Schnur und Prägesiegel nämlich leicht dazu führen, dass einzelne Teile der Urkunde zwar lesbar, nicht aber kopierfähig bleiben. Der Notar soll die Ösung sogar so im oberen Drittel des Seitenrandes anbringen, dass der Heftfaden durch eine Lochung nicht beschädigt werden kann (Weingärtner/Ehrlich aaO, Rn. 470 mwN). Würde ihm gleichzeitig die Pflicht auferlegt, die Kopierfähigkeit der einzelnen Teile der Gesamturkunde zu erhalten, könnte die dauerhafte Zusammenfügung häufig nicht sichergestellt werden. Letztere hat aber Vorrang gegenüber der Kopierfähigkeit einzelner Teile, weil der Beweiswert der Gesamturkunde erhalten bleiben muss.

16

d) Es besteht auch kein Bedürfnis für eine Entheftung der Urkunde.

17

aa) Das Beschwerdegericht hat zutreffend auf die Erteilung einer beglaubigten Abschrift gemäß § 49 BeurkG verwiesen, die in jeder Form der Vervielfältigung, unter anderem durch Abschrift erfolgen kann (vgl. § 39 BeurkG, § 29 DONot; vgl. Winkler aaO, § 49 Rn. 5). Eine solche kann die Beteiligte von dem Notar gemäß § 48 BeurkG verlangen, weil er verwahrende Stelle im Sinne dieser Vorschrift ist. Eine Beglaubigungsgebühr ist hierfür nicht zu erheben, § 132 KostO.

18

bb) Ein Bedürfnis für die Entheftung lässt sich auch nicht - wie die Rechtsbeschwerde meint - aus dem infolge der Erteilung der beglaubigten Abschrift entstehenden Zeitverlust herleiten. Die Entheftung und Neusiegelung erfordert ebenfalls eine notarielle Tätigkeit. Es ist nicht vorgetragen und nicht ohne weiteres ersichtlich, dass der hierfür benötigte Zeitaufwand geringer wäre als derjenige für die Erteilung einer beglaubigten Abschrift.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 30 Abs. 2 Satz 1 KostO.

Krüger                                  Lemke                                  Schmidt-Räntsch

                     Roth                                 Brückner