Entscheidungsdatum: 20.09.2017
1. Auch die Anordnung von Zurückweisungshaft ist nach § 15 Abs. 5 Satz 1, § 106 Abs. 2 AufenthG nur zulässig, wenn der Haftantrag der beteiligten Behörde den in § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG bestimmten gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht.
2. Auf die Zurückweisungshaft ist Art. 28 Abs. 2 der Dublin-III-Verordnung nicht anzuwenden (Ergänzung von Senat, Beschluss vom 22. Juni 2017, V ZB 127/16, juris Rn. 10).
3. Bei der Prüfung der Anordnung von Zurückweisungshaft sind sowohl die Einreiseverweigerung als auch die Entschließung der zuständigen Behörden, die Rücküberstellung des Betroffenen in einen bestimmten Mitgliedstaat zu betreiben, von den Haftgerichten als gegeben hinzunehmen. Sie haben nur zu prüfen, ob der Betroffene vor den Verwaltungsgerichten Rechtsschutz gegen die maßgeblichen Verwaltungsentscheidungen beantragt hat, und den Stand sowie den voraussichtlichen Fortgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufzuklären und bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Traunstein vom 28. April 2017 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.
I.
Der Betroffene, ein afghanischer Staatsangehöriger, wollte am 16. März 2017 mit dem Zug von Österreich aus nach Deutschland einreisen. Bei der grenzpolizeilichen Kontrolle im Zug durch die Beamten der beteiligten Behörde führte er nur eine (echte) ungarische Asylbewerberkarte, aber keine gültigen Einreisedokumente bei sich. Die beteiligte Behörde verweigerte ihm durch Bescheid vom selben Tag unter Aushändigung einer Kopie des Bescheids die Einreise; ihre Beamten nahmen den Betroffenen vorläufig fest. In Abstimmung mit dem zuständigen Bundesamt betrieb die beteiligte Behörde die Zurückweisung des Betroffenen nach Ungarn.
Auf ihren Antrag hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen nach dessen persönlicher Anhörung am 17. März 2017 Zurückweisungshaft bis zum 25. April 2017 angeordnet. Während des Beschwerdeverfahrens ist der Betroffene am 30. März 2017 auf Veranlassung des zuständigen Bundesamtes mit Rücksicht auf das Inkrafttreten der geänderten ungarischen Asylgesetze am 28. März 2017 aus der Haft entlassen und aufgefordert worden, eine Aufnahmeeinrichtung aufzusuchen. Die mit dem Antrag, die Rechtswidrigkeit der angeordneten Zurückweisungshaft festzustellen, fortgeführte Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die beteiligte Behörde beantragt, verfolgt der Betroffene seinen Feststellungsantrag weiter.
II.
Das Beschwerdegericht meint, Grundlage der angeordneten Haft sei § 15 Abs. 5 AufenthG, weil der Betroffene noch nicht in das Bundesgebiet eingereist, sondern bei dem Versuch der Einreise durch Beamte der beteiligten Behörde festgenommen worden sei. Der Haftanordnung habe ein ausreichend begründeter und damit zulässiger Antrag der beteiligten Behörde zugrunde gelegen. Die Voraussetzungen für die Anordnung der Haft hätten vorgelegen. Die beteiligte Behörde habe dem Betroffenen die Einreise verweigert und seine Zurückweisung nach Ungarn betrieben. Ob der Betroffene im Hinblick auf die Verhältnisse dort nach Ungarn hätte zurückgewiesen werden dürfen, sei im Verfahren über die Zurückweisungshaft nicht zu prüfen. Die nach Art. 15 der Rückführungsrichtlinie erforderliche Fluchtgefahr habe bestanden. Der beantragte Haftzeitraum von sechs Wochen sei mit Blick auf die Erfahrungen mit Ungarn nicht zu beanstanden.
III.
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung im Wesentlichen stand.
1. Der angeordneten Zurückweisungshaft liegt, wovon das Beschwerdegericht zutreffend ausgeht, ein zulässiger Haftantrag zugrunde.
a) Auch die Anordnung von Zurückweisungshaft ist nach § 15 Abs. 5 Satz 1, § 106 Abs. 2 AufenthG nur zulässig, wenn der Haftantrag der beteiligten Behörde den in § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG bestimmten gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die nach dieser Vorschrift zu bezeichnenden Tatsachen auf die Abschiebungs- und die Rücküberstellungshaft zugeschnitten sind und den Besonderheiten der Zurückweisungshaft nicht Rechnung tragen. Erforderlich sind bei der Zurückweisungshaft Darlegungen dazu, dass dem Betroffenen die Einreise verweigert worden ist und dass und aus welchen Gründen er nicht unmittelbar an der Grenze zurückgewiesen werden kann, sowie Darlegungen zur Durchführbarkeit der Zurückweisung in den beabsichtigten Zielstaat und zur notwendigen Haftdauer. Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein. Sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falles wesentlichen Gesichtspunkte ansprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte Zurückweisungshaft nicht angeordnet werden (vgl. Senat, Beschlüsse vom 10. Mai 2012 - V ZB 246/11, InfAuslR 2012, 328 Rn. 9 für Abschiebungshaft, vom 6. Dezember 2012 - V ZB 118/12, juris Rn. 4 und vom 31. Januar 2013 - V ZB 20/12, FGPrax 2013, 130 Rn. 15 beide für Zurückschiebungshaft).
b) Diesen Anforderungen genügte der Haftantrag der beteiligten Behörde.
aa) Diese hat in dem Haftantrag dargelegt, dass sie den Betroffenen bei dem Versuch, unerlaubt in das Bundesgebiet einzureisen, aufgehalten und ihm die Einreise verweigert hat. Sie hat eine Kopie der Einreiseverweigerung vorgelegt und mitgeteilt, dass der Betroffene nicht unmittelbar nach Österreich, von wo aus er unerlaubt einreisen wollte, zurückgewiesen werden könne, sondern gemäß der Dublin-III-Verordnung nach Ungarn als dem Erstaufnahmestaat zurückgewiesen werden müsse. Sie hat weiter ausgeführt, dass sie in Abstimmung mit dem zuständigen Bundesamt die Zurückweisung des Betroffenen an den Erstaufnahmestaat Ungarn nach den Vorschriften der Dublin-III-Verordnung betreibe, und den Verlauf der in Haftsachen beschleunigten Rücküberstellung nach Art 28 Abs. 3 Dublin-III-Verordnung beschrieben. Das ist ausreichend.
bb) Entgegen der Annahme des Betroffenen fehlte es nicht an der für die Zulässigkeit des Haftantrags erforderlichen Darlegung der Durchführbarkeit einer Zurückweisung nach Ungarn. Die beteiligte Behörde hat zur „Durchführbarkeit der Zurückweisung“ zwar nur ausgeführt, im Hinblick auf das geplante Zielland der Zurückweisung seien keine Durchführungshindernisse ersichtlich. Sie hat sich hierauf aber nicht beschränkt, sondern im Abschnitt „Sachverhalt“ die Grundlagen dieser Schlussfolgerung dargelegt. Sie hat dort nämlich ausgeführt, der Betroffene sei mit einer ungarischen Asylbewerberkarte angetroffen worden. Er habe schon einmal unerlaubt Ungarn verlassen und sei von Ungarn aufgrund einer Rücküberstellung aus Österreich wieder aufgenommen worden. Nachdem ihm die ungarischen Behörden eröffnet hätten, sie wollten ihn nach Afghanistan abschieben, habe er Ungarn erneut verlassen. Diese Ausführungen boten dem Haftrichter eine ausreichende Grundlage für die von ihm nach § 26 FamFG anzustellende amtswegige Prüfung und genügten deshalb den Anforderungen (vgl. dazu: Senat, Beschluss vom 30. März 2017 - V ZB 128/16, FGPrax 2017, 185 Rn. 12 f.). Die Auseinandersetzung mit den Einwänden des Betroffenen gegen diese Einschätzung, nämlich der geringen Zahl tatsächlich durchgeführter Rücküberstellungen, den Mängeln des ungarischen Asylverfahrens und der Erklärung der ungarischen Behörden in dem Verfahren V ZB 102/17 vor dem Senat, betrifft nicht die Zulässigkeit des Haftantrags, sondern seine Begründetheit (zu dieser Abgrenzung: Senat, Beschluss vom 30. März 2017 - V ZB 128/16, FGPrax 2017, 185 Rn. 13 mwN).
2. Die Haftanordnung ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden.
a) Die Voraussetzungen der angeordneten Zurückweisungshaft ergeben sich allerdings nur aus § 15 Abs. 5 AufenthG und dem aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG abzuleitenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
aa) Die Zurückweisungshaft setzt ebenso wie die Verlängerung des Transitaufenthalts nach Ablauf von 30 Tagen (dazu Senat, Beschluss vom 10. März 2016 - V ZB 188/14, InfAuslR 2016, 295 Rn. 5) einen Haftgrund nicht voraus (Senat, Beschluss vom 22. Juni 2017 - V ZB 127/16, InfAuslR 2017, 345 Rn. 10). Art. 15 der Rückführungsrichtlinie ist auf die Zurückweisungshaft nicht anwendbar. Deutschland hat mit der Einführung und Beibehaltung der Zurückweisungshaft nach § 15 Abs. 5 AufenthG und des Transitaufenthalts gemäß § 15 Abs. 6 AufenthG für die Fälle der unerlaubten Einreise auf dem Luft-, See- oder Landweg ein Sonderregime eingeführt, das die Haftanordnung nicht von dem Vorliegen von Haftgründen abhängig macht; das ist nach Art. 2 Abs. 2 der Rückführungsrichtlinie zulässig (dazu: Senat, Beschluss vom 10. März 2016 - V ZB 188/14, InfAuslR 2016, 295 Rn. 5, 9 f. für Transitaufenthalt).
bb) Entgegen der Auffassung der beteiligten Behörde und des Amtsgerichts ist auf die Zurückweisungshaft auch Art. 28 Abs. 2 der Dublin-III-Verordnung nicht anzuwenden. Die Anordnung von Zurückweisungshaft setzt nach § 15 Abs. 5 AufenthG voraus, dass die Zurückweisung an der Grenze nicht unmittelbar vollzogen werden kann, etwa, weil - wie hier - eine Wiederaufnahme durch den Anrainerstaat, von dem aus der Betroffene nach Deutschland unerlaubt einreisen wollte, daran scheitert, dass dieser zu dessen (Wieder-)Aufnahme nicht verpflichtet ist. Die Zurückweisung muss in diesen Fällen entweder ähnlich wie eine Abschiebung durch Wiederaufnahme seitens eines Drittstaats oder ähnlich wie eine Rücküberstellung durch Wiederaufnahme durch den Erstaufnahmestaat oder einen anderen Staat erfolgen, der zur Wiederaufnahme des Betroffenen nach Art. 18 der Dublin-III-Verordnung verpflichtet ist. In dem zweiten Fall unterliegt die Haft aber nicht den Voraussetzungen von Art. 28 Abs. 2 der Dublin-III-Verordnung. Das ergibt eine legislative Interpretation der Vorschrift (zu dieser Figur im nationalen Recht: Senat, Urteil vom 27. März 2015 - V ZR 216/13, BGHZ 204, 364 Rn. 20) durch den Unionsgesetzgeber selbst, was eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union entbehrlich macht (sog. acte claire, EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs. 283/81 C.I.L.F.I.T., EU:C:1982:335 Rn. 14 f., 16; Schmidt-Räntsch in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 3. Aufl., § 23 Rn. 27, 29). Die Mitgliedstaaten sind nämlich nach Art. 14 Abs. 4 des Schengener Grenzkodexes und, wenn eine Kontrolle der Binnengrenzen stattfindet, nach Art. 32 i.V.m. Art 13 Abs. 4 des Schengener Grenzkodexes verpflichtet, die unerlaubte Einreise durch Flüchtlinge zu verhindern. Die Haft zur Sicherung der Prüfung des Rechts auf Einreise bildet nach Art. 8 Abs. 3 Buchstabe c der Richtlinie 2013/33/EU (vom 26. Juni 2013, ABl. EU Nr. L 180 S. 96 - Aufnahmerichtlinie) einen eigenständigen Haftgrund, den die Richtlinie von dem Haftgrund zur Sicherung der Rücküberstellung eines unerlaubt eingereisten Ausländers nach Art. 28 Abs. 2 der Dublin-III-Verordnung unterscheidet (vgl. Art. 8 Abs. 3 Buchstabe f der Aufnahmerichtlinie). Die Prüfung des Rechts des Betroffenen auf Einreise umfasst auch die Prüfung, ob der Staat, in den der Betroffene an sich nicht einreisen darf, nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 der Dublin-III-Verordnung verpflichtet oder nach Art. 17 der Dublin-III-Verordnung berechtigt ist, die Sachprüfung des Antrags des Betroffenen auf internationalen Schutz zu übernehmen und dem Betroffenen dazu die Einreise zu gestatten.
b) Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 5 AufenthG waren gegeben. Der Betroffene ist bei dem Versuch der unerlaubten Einreise in das Bundesgebiet durch Beamte der beteiligten Behörde aufgehalten und festgenommen worden. Diese haben ihm die Einreise in das Bundesgebiet verweigert. Es war nicht möglich, den Betroffenen nach Österreich zurückzuschicken, weil Österreich zu dessen Aufnahme nicht verpflichtet ist. Die Haftrichterin durfte auch davon ausgehen, dass die Zurückweisung eines Betroffenen im Wege der Rücküberstellung an den zur Rücknahme verpflichteten Erstaufnahmestaat mangels abweichender Anhaltspunkte die in Art. 28 Abs. 3 der Dublin-III-Verordnung bestimmte Frist von sechs Wochen benötigt, in diesem Zeitraum aber auch gelingen wird.
c) Die Anordnung der Zurückweisungshaft ist entgegen der Auffassung des Betroffenen auch nicht deshalb rechtswidrig, weil das Amtsgericht weder geprüft hat, ob die Rücküberstellung des Betroffenen nach Ungarn hätte erfolgen dürfen, noch, ob sie an der fehlenden Bereitschaft Ungarns zur Rücknahme tatsächlich gescheitert wäre.
aa) Die Rechtmäßigkeit der Einreiseverweigerung der beteiligten Behörde und der Entscheidung des zuständigen Bundesamts, den Betroffenen Ungarn zur Wiederaufnahme anzubieten, hatte das Amtsgericht schon nicht zu prüfen.
(1) Richtig ist allerdings, dass ein Asylbewerber nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Rahmen der Dublin-III-Verordnung nur unter Bedingungen in einen anderen Mitgliedstaat der Union zurücküberstellt werden darf, die es ausschließen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, bei seiner Überstellung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der EU-Grundrechte-Charta (EUGRCh) zu erleiden (Urteile vom 16. Februar 2017 - Rs. C-578/16 C. K. u. a. gegen Republik Slowenien, EU:C:2017:127 Rn. 65 und vom 26. Juli 2017 - Rs. C-490/16 - A.S. gegen Republik Slowenien, EU:C:2017:585 Rn. 41). Deutsche Oberverwaltungsgerichte nehmen im Anschluss an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Urteile des Gerichtshofs vom 5. Juli 2016 - Rs. 9912/15, O.M. v. Hungary, Rn. 40 ff. und vom 14. März 2017 - Rs. 47287/15 - Ilias and Ahmed v. Hungary, Rn. 98 ff., 117 ff.) und der Gerichte anderer Mitgliedstaaten (Nachweise bei OVG Lüneburg, Urteil vom 15. November 2016 - EzAR-NF 65 Nr. 43 = juris Rn. 42) nach früher unterschiedlicher Beurteilung (Nachweise bei: OVG Lüneburg, Urteil vom 15. November 2016 - EzAR-NF 65 Nr. 43 = juris Rn. 42; VGH München, Beschluss vom 12. Juni 2015 - 13a ZB 15.50097, juris Rn. 4 ff.) seit Ende 2016 an, dass die dargestellten Voraussetzungen für eine Rücküberstellung von Betroffenen nach Ungarn derzeit nicht gegeben sind (OVG Bautzen, Urteil vom 6. Juni 2017 - 4 A 584/16.A, juris Rn. 27 ff.; OVG Lüneburg, Urteil vom 15. November 2016 - EzAR-NF 65 Nr. 43 = juris Rn. 42 ff.; VGH Mannheim, Urteil vom 13. Oktober 2016 - A 11 S 1596/16, DVBl. 2016, 1615 Rn. 34 ff.; VGH München, Urteil vom 23. März 2017 - 13a B 17.5003, juris Rn. 24 ff.; OVG Saarlouis, Urteil vom 9. März 2017 - 2 A 364/16, juris Rn. 24 ff.).
(2) Daraus folgt aber nicht, dass das Amtsgericht die beantragte Haft hätte ablehnen dürfen oder müssen. Dem steht die Aufgabenverteilung zwischen den Verwaltungsgerichten einerseits und den Haftgerichten andererseits entgegen. Die Haftgerichte haben nicht zu prüfen, ob die beteiligte Behörde die Abschiebung, Rücküberstellung oder - hier - die Zurückweisung in einen anderen Staat zu Recht betreibt; diese Prüfung ist allein Aufgabe der Verwaltungsgerichte (Senat, Beschlüsse vom 12. Juni 1986 - V ZB 9/86, BGHZ 98, 109, 112, vom 16. Dezember 2009 - V ZB 148/09, FGPrax 2010, 50 Rn. 7 und vom 6. Mai 2010 - V ZB 193/09, InfAuslR 2010, 361 Rn. 19; BGH, Beschluss vom 25. September 1980 - VII ZB 5/80, BGHZ 78, 145, 147; BVerfG, Beschluss vom 1. April 1999 - 2 BvR 400/99, juris Rn. 3; BVerwGE 62, 325, 328). Bei der Prüfung der Anordnung von Zurückweisungshaft sind deshalb sowohl die Einreiseverweigerung als auch die Entschließung der zuständigen Behörden, die Rücküberstellung des Betroffenen in einen bestimmten Mitgliedstaat zu betreiben, von den Haftgerichten als gegeben hinzunehmen. Sie haben nur zu prüfen, ob der Betroffene vor den Verwaltungsgerichten Rechtsschutz gegen die maßgeblichen Verwaltungsentscheidungen beantragt hat, und den Stand sowie den voraussichtlichen Fortgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufzuklären und bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen (BVerfGK 15, 139, 147). Die Anordnung auch von Zurückweisungshaft ist deshalb abzulehnen, wenn der Betroffene dagegen (einstweiligen) Rechtsschutz beantragt hat und zu erwarten ist, dass das Verwaltungsgericht dem Antrag stattgeben wird. Ob diese Erwartung gerechtfertigt ist, wird sich regelmäßig nur durch Nachfrage bei dem Verwaltungsgericht feststellen lassen. Anders kann es liegen, wenn allgemein bekannt ist, dass die Verwaltungsgerichte Rechtsschutzanträgen bei der Überstellung oder Abschiebung in einzelnen Länder regelmäßig stattgeben (bejaht für Griechenland: Senat, Beschlüsse vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150 Rn. 25-27, vom 15. Juli 2010 - V ZB 10/10, NVwZ 2011, 127 Rn. 13, vom 21. Oktober 2010 - V ZB 96/10, juris Rn. 16 und vom 3. Februar 2011 - V ZB 12/10, juris Rn. 9 f.; verneint z.B. für die Russische Föderation: Senat, Beschluss vom 12. Mai 2011 - V ZB 309/10 juris Rn. 20). Hat der Betroffene dagegen Verwaltungsrechtsschutz nicht beantragt, haben die Haftgerichte von dem Bestand der Verwaltungsentscheidungen auszugehen und eine angeordnete Haft gegebenenfalls gemäß § 426 FamFG (von Amts wegen) aufzuheben, wenn ihnen später bekannt wird, dass der Betroffene bei dem Verwaltungsgericht doch Rechtsschutz beantragt hat und zu erwarten ist, dass das Verwaltungsgericht dem Antrag entsprechen wird (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150 Rn. 27).
(3) Im vorliegenden Fall hat der Betroffene verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz nicht beantragt und das auch nicht angekündigt. Das Amtsgericht war deshalb sowohl an die Einreiseverweigerung als auch an die Entscheidung des zuständigen Bundesamts zur Rücküberstellung des Betroffenen nach Ungarn gebunden.
bb) Vor der Anordnung von Zurückweisungshaft muss der Haftrichter allerdings gemäß § 26 FamFG von Amts wegen Anhaltspunkten dafür nachgehen, dass der von der beteiligten Behörde in Aussicht genommene Zielstaat zur Wiederaufnahme des Betroffenen nicht bereit und deshalb die Durchführbarkeit der Zurückweisung tatsächlich nicht gesichert ist. Solche Anhaltspunkte bestanden hier entgegen der Annahme des Betroffenen aber nicht.
(1) Ungarn hat zwar in den Jahren 2015 und 2016 nur etwa der Hälfte der deutschen Rücküberstellungen zugestimmt. Es ist auch nur in etwa 1 % der Fälle tatsächlich zu einer Rücküberstellung von Betroffenen nach Ungarn gekommen (Auskunft der Bundesregierung in BT-Drucks. 18/6860 S. 40 ff.). Das gab dem Amtsrichter aber keine Veranlassung, an der Durchführbarkeit der Zurückweisung des Betroffenen nach Ungarn zu zweifeln. Schon die statistischen Angaben ergeben die von dem Betroffenen unterstellte generelle Verweigerung der Wiederaufnahme von Flüchtlingen durch Ungarn nicht. Die konkreten Umstände im Fall des Betroffenen sprechen zudem dagegen. Ungarn hat dem Betroffenen eine Asylbewerberkarte ausgestellt, die dieser auch bei sich führte. Es hat den Betroffenen auf Ersuchen Österreichs wenige Monate zuvor wieder aufgenommen. Anhaltspunkte dafür, dass und weshalb die ungarischen Behörden konkret in seinem Fall anderen Sinnes geworden sein könnten, bestanden nicht.
(2) Einen solchen Anhaltspunkt, dem das Amtsgericht von Amts wegen hätte nachgehen müssen, ergibt auch die Erklärung Ungarns in dem bei dem Senat anhängigen Verfahren V ZB 102/17 nicht. In diesem Verfahren hat Ungarn nämlich keineswegs erklärt, dass es Rücküberstellungen aus anderen Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht mehr akzeptiere. Es hat vielmehr nur erklärt, dass es zur Wiederaufnahme von Flüchtlingen nicht bereit sei, deren Anträge auf internationalen Schutz von anderen Mitgliedstaaten als Erstaufnahmestaaten geprüft werden müssten. Der Betroffene ist hier aber erstmals in Ungarn als Asylbewerber registriert worden. Ungarn hat ihm, wie bereits erwähnt, eine Asylbewerberkarte ausgestellt und ist nach den Angaben des Betroffenen vor der Haftrichterin auch in die Sachprüfung seines Antrags eingetreten. Nichts sprach dafür, dass Ungarn eine Wiederaufnahme des Betroffenen unter diesen Umständen ablehnen würde.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, die Entscheidung über den Geschäftswert auf § 36 Abs. 3 GNotKG.
Stresemann |
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Schmidt-Räntsch |
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Kazele |
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Haberkamp |
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Hamdorf |
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