Entscheidungsdatum: 29.03.2012
Die Erinnerung gegen den Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Bundesgerichtshofs vom 5. August 2011 wird zurückgewiesen.
I.
Der Senat hat dem Betroffenen für die Rechtsbeschwerde gegen die Anordnung und Aufrechterhaltung von Abschiebungshaft Verfahrenskostenhilfe bewilligt und ihm die Erinnerungsführerin als Verfahrensbevollmächtigte beigeordnet. Nach Abschluss des Rechtsbeschwerdeverfahrens, das zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht führte, hat die Erinnerungsführerin bei dem Bundesgerichtshof beantragt, ihre Vergütung nach Nummer 3208 VV RVG i.V.m. Vorb. 3.2.2 Nr. 1 b VV RVG (Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses) festzusetzen. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Bundesgerichtshofs hat den Antrag mit Beschluss vom 5. August 2011 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Erinnerungsführerin mit der Erinnerung.
II.
Nach Auffassung der Urkundsbeamtin ist gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 RVG das Gericht des ersten Rechtszugs für die Festsetzung der Vergütung zuständig. § 55 Abs. 2 RVG greife nicht ein, da sich die Vergütung nicht nach Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses bestimme. Vielmehr erhalte der Rechtsanwalt in Abschiebungshaftsachen eine Vergütung nach Teil 6 des Vergütungsverzeichnisses, nämlich nach Nummer 6300 VV RVG.
III.
Die - nicht fristgebundene (vgl. BT-Drucks. 15/4952, S. 51) - Erinnerung ist gemäß § 56 Abs. 1 RVG zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs für die Festsetzung der Vergütung verneint.
Grundsätzlich wird die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des ersten Rechtszugs festgesetzt, § 55 Abs. 1 Satz 1 RVG. Eine Ausnahme gilt nach § 55 Abs. 2 RVG nur in Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses bestimmen; in diesen Fällen erfolgt, solange das Verfahren nicht durch rechtskräftige Entscheidung oder in sonstiger Weise beendet ist, die Festsetzung durch den Urkundsbeamten des Gerichts des Rechtszugs. § 55 Abs. 2 RVG greift hier jedoch nicht ein, da sich die Gebühren nicht nach Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses richten, sondern nach dessen Teil 6.
1. Entgegen der Auffassung der Erinnerungsführerin bestimmt sich die Vergütung in Abschiebungshaftsachen nicht nach Teil 3 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 (Nummern 3206 bis 3213 VV RVG) des Vergütungsverzeichnisses. Dieser Unterabschnitt regelt in erster Linie die Gebühren für das Revisionsverfahren; er ist aber auch für die in der Vorbemerkung 3.2.2 VV RVG aufgeführten Rechtsbeschwerdeverfahren anzuwenden. Die Rechtsbeschwerde in Freiheitsentziehungssachen nach § 415 FamFG, zu denen auch die Abschiebungshaftsachen nach § 62 AufenthG zählen (Budde in Keidel, FamFG, 17. Aufl., § 415 Rn. 2; Bumiller/Harders, FamFG, 10. Aufl., § 415 Rn. 2), ist in der Vorbemerkung nicht erwähnt. Sie wird insbesondere nicht von Nummer 1b der Vorbemerkung 3.2.2 VV RVG erfasst. Danach ist der Unterabschnitt 2 auch in Verfahren über Rechtsbeschwerden in Familiensachen anzuwenden. Mit dem Begriff "Familiensachen" knüpft das Gesetz an § 111 FamFG an, der den Kreis der Familiensachen definiert (vgl. Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 19. Aufl., VV Vorb. 3.2.2 Rn. 4). Keine Familiensachen sind danach die in Buch 3 bis Buch 8 des FamFG geregelten Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, also auch nicht die in Buch 7 geregelten Freiheitsentziehungssachen. Da die Definition des § 111 FamFG auch für andere Gesetze maßgeblich ist, die den Begriff der Familiensache verwenden (BT-Drucks. 16/6308, S. 223), gilt sie ebenfalls im Rahmen von Nummer 1b der Vorbemerkung 3.2.2 VV RVG. Hätte der Gesetzgeber dort alle Rechtsbeschwerden nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und nicht lediglich die Rechtsbeschwerden in Familiensachen erfassen wollen, hätte es nahe gelegen, dies - ebenso wie in den vergleichbaren Fällen der Nummern 1c bis 1e der Vorbemerkung 3.2.2 VV RVG - durch die Formulierung "Rechtsbeschwerden nach dem FamFG" zum Ausdruck zu bringen.
2. Die Vergütung richtet sich auch nicht nach Teil 3 Abschnitt 5 (Nummer 3502 VV RVG) des Vergütungsverzeichnisses. Für Freiheitsentziehungssachen nach § 415 FamFG enthält Teil 6 des Vergütungsverzeichnisses in Nummer 6300 VV RVG eine Sonderregelung. Entgegen der Auffassung der Erinnerung gilt diese Vergütungsregelung auch für das Rechtsbeschwerdeverfahren in Freiheitsentziehungssachen (AnwK-RVG/Schneider, 6. Aufl., VV 6300-6303 Rn. 21). Dies ist aus der Anmerkung zu Nummer 6300 RVG-VV zu folgern, wonach die dort geregelte Gebühr für jeden Rechtszug entsteht. Eine Einschränkung dahingehend, dass die Rechtsbeschwerde von der Vergütungsregelung ausgenommen sein soll, lässt sich der Norm nicht entnehmen.
Für die Entscheidung über die Festsetzung der Vergütung ist daher gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 RVG das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig.
IV.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG).
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Schmidt-Räntsch |
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Weinland |
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Karlsruhe, den 2. April 2012 |