Entscheidungsdatum: 26.01.2012
NV: Ein Verfahrensmangel durch fehlerhafte Beurteilung der sachlichen oder örtlichen Zuständigkeit liegt nur vor, wenn die Entscheidung des FG offensichtlich unhaltbar und unter Berücksichtigung rechtsstaatlicher Grundsätze nicht mehr verständlich ist und sich deshalb in einer nicht mehr hinnehmbaren, willkürlichen Weise von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt.
I. Innerhalb der Beschwerdefrist beantragte die nicht vertretene Klägerin und Antragstellerin (Klägerin) Prozesskostenhilfe (PKH) für eine noch einzulegende Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision im Urteil des Finanzgerichts (FG).
Sie macht die fehlende Zuständigkeit des FG geltend. Aus § 15 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) sowohl in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Juli 2007 (BGBl I 2007, 1450) als auch in der Neubekanntmachung vom 28. Januar 2009 (BGBl I 2009, 142) ergebe sich die Zuständigkeit der Sozialgerichte, vorliegend die des Sozialgerichts X. Dass ihr Sohn nicht als Ausbildungsplatzsuchender geführt wurde, beruhe auf einem offenkundig pflichtwidrigen Verhalten der betreuenden Hartz-IV-Arbeitsgemeinschaft.
Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 142 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- i.V.m. § 117 Abs. 2 der Zivilprozessordnung --ZPO--) hat die Klägerin innerhalb der Beschwerdefrist vorgelegt.
II. Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Für den beim Bundesfinanzhof (BFH) als Prozessgericht zu stellenden Antrag auf PKH besteht kein Vertretungszwang (vgl. BFH-Beschlüsse vom 5. September 2011 V S 18/11 (PKH), nicht veröffentlicht; vom 26. Januar 2011 X S 37/10 (PKH), BFH/NV 2011, 633). Der Gewährung von PKH steht damit nicht entgegen, dass die Klägerin den Antrag auf Gewährung von PKH selbst und nicht durch eine vor dem BFH vertretungsberechtigte Person oder Gesellschaft i.S. von § 62 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 FGO gestellt hat.
2. Die von der Klägerin beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet aber keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Gemäß § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Da das FG die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen hat, kommt als Rechtsmittel gegen das Urteil nur eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision in Betracht (§ 116 FGO). Der Erfolg einer Nichtzulassungsbeschwerde hängt davon ab, ob ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO gegeben ist, d.h. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder das Urteil des FG auf einem Verfahrensmangel beruhen könnte (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
Wird PKH für eine noch zu erhebende Nichtzulassungsbeschwerde beantragt, muss daher eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Zulassungsgrundes bestehen.
a) Zwar fehlt die hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht schon deshalb, weil die Nichtzulassungsbeschwerde nicht innerhalb der Monatsfrist des § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO durch eine vor dem BFH vertretungsberechtigte Person oder Gesellschaft i.S. von § 62 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 FGO erhoben worden ist. Einem Beteiligten, der wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, ein Rechtsmittel, das dem Vertretungszwang unterliegt, innerhalb der Rechtsmittelfrist wirksam zu erheben, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO gewährt werden, wenn er innerhalb dieser Frist alle Voraussetzungen für die Bewilligung der PKH zur Einlegung des Rechtsmittels schafft, also einen entsprechenden Antrag stellt und die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beim Rechtsmittelgericht einreicht (BFH-Beschluss vom 11. Mai 2009 II S 4/09 (PKH), Zeitschrift für Steuern & Recht --ZSteu-- 2009, R583, m.w.N.) und zumindest in laienhafter Weise Anhaltspunkte für einen Zulassungsgrund darlegt (BFH-Beschluss vom 4. August 2009 V S 16/09 (PKH), ZSteu 2009, R1088). Die Klägerin hat innerhalb der Frist alle Voraussetzungen für die Bewilligung der PKH zur Einlegung der Beschwerde geschaffen.
b) Bei der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung des Vortrags der Klägerin, des Inhalts der vorliegenden Akten und des beanstandeten FG-Urteils ist jedoch kein Grund i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO zu erkennen, der eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnte.
aa) Soweit die Klägerin die sachliche Unzuständigkeit des FG rügt, ergibt sich hieraus kein Verfahrensmangel des Urteils i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Denn nach § 70 Satz 1 FGO i.V.m. § 17a Abs. 5 des Gerichtsverfassungsgesetzes prüft der BFH bei der Entscheidung über eine Revision oder eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil nicht, ob das FG sachlich und örtlich zuständig war.
Die Bejahung der sachlichen Zuständigkeit durch ein finanzgerichtliches Urteil stellt nur ausnahmsweise dann einen auf entsprechende Rüge eines Verfahrensbeteiligten im Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision zu berücksichtigenden Verfahrensmangel dar, wenn sie auf Gründen beruht, die offensichtlich unhaltbar und unter Berücksichtigung rechtsstaatlicher Grundsätze nicht mehr verständlich sind und sich deshalb in einer nicht mehr hinnehmbaren, willkürlichen Weise von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes) entfernt (vgl. BFH-Beschluss vom 19. Mai 2008 V B 29/07, BFH/NV 2008, 1501, unter III.A.1.b). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall deshalb nicht vor, weil das FG seine sachliche Zuständigkeit zu Recht bejaht hat:
§ 15 BKGG regelt zwar den Rechtsweg dahingehend, dass für Streitigkeiten "nach diesem Gesetz" die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig sind. Aus § 1 Abs. 1 BKGG ergibt sich jedoch, dass Kindergeld "nach diesem Gesetz" für seine Kinder erhält, wer --neben den weiteren in Nr. 1 bis 4 genannten Voraussetzungen-- nach § 1 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist und auch nicht nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wird. Dies trifft für die im Inland wohnende und damit unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Klägerin nicht zu.
bb) Die Behauptung der Klägerin, wonach die unterbliebene Meldung ihres Sohnes als Ausbildungsplatzsuchender auf einem offenkundig pflichtwidrigen Verhalten der betreuenden Hartz-IV-Arbeitsgemeinschaft beruhe, rechtfertigt bei summarischer Prüfung weder eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO noch eine Zulassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.
Die Klägerin hat insoweit keine abstrakte und entscheidungserhebliche Rechtsfrage aufgeworfen. Es ist auch nicht zu erkennen, dass das FG mit einem bestimmten, in dem angegriffenen Urteil aufgestellten abstrakten Rechtssatz von der Entscheidung eines anderen Gerichts in derselben Rechtsfrage abgewichen wäre. Sollte, wovon die Klägerin ausgeht, dem FG bei der Anwendung von § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. c EStG ein Fehler unterlaufen sein, führt dies nicht zur Zulassung der Revision, da Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht rechtfertigen können (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 25. Januar 2011 V B 154/09, BFH/NV 2011, 822; vom 30. Mai 2007 V B 104/05, BFH/NV 2007, 1724).
3. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. Gerichtsgebühren entstehen nicht (§ 1 Abs. 2 Nr. 2, § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes in Verbindung mit dem Kostenverzeichnis.