Entscheidungsdatum: 25.01.2011
NV: Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Nichtgewährung von Akteneinsicht liegt nur vor, wenn die Akteneinsicht ausdrücklich verweigert worden ist. Das FG ist nicht verpflichtet, einen durch einen Steuerberater oder Rechtsanwalt vertretenen Steuerpflichtigen auf das Recht zur Akteneinsicht hinzuweisen.
Die auf Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Verfahrensmängel sind zum Teil nicht in einer den Erfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargelegt, zum Teil liegen sie nicht vor.
1. Ohne Erfolg rügt der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), das Finanzgericht (FG) habe "durch Nichtvorlage der Unterlagen" die Pflicht zur Gewährung von Akteneinsicht (§ 78 FGO) verletzt und ihn nicht darauf hingewiesen, dass er Akteneinsicht beim FG hätte nehmen können.
Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Nichtgewährung von Akteneinsicht liegt nur vor, wenn diese ausdrücklich verweigert worden ist (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. April 2009 II B 92/08, nicht amtlich veröffentlicht). Die Beschwerdeschrift enthält keine Ausführungen dazu, dass der Kläger Akteneinsicht erfolglos beantragt habe oder weshalb es ihm nicht möglich gewesen wäre, sich die beantragte Akteneinsicht (u.a. bei der Geschäftsstelle des FG) zu verschaffen. Das FG muss den Kläger insbesondere, wenn er --wie im Streitfall-- im Verfahren durch einen fachkundigen Prozessbevollmächtigten vertreten ist, nicht auf das Recht zur Akteneinsicht besonders hinweisen.
2. Auch die Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht des FG durch Übergehen von Beweisangeboten führt nicht zur Zulassung.
a) Nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO muss in der Beschwerdeschrift u.a. der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Das Übergehen eines entscheidungserheblichen Beweisantrags kann einen solchen Verfahrensmangel darstellen. Wird jedoch ein Verstoß gegen die Beachtung von Verfahrensvorschriften gerügt, auf die gemäß § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung verzichtet werden kann, setzt die zulässige Rüge des Verfahrensverstoßes die Darlegung in der Beschwerdeschrift voraus, dass der Kläger auf sein Rügerecht nicht verzichtet habe.
Zu den verzichtbaren Mängeln gehört u.a. das Übergehen eines Beweisantrages (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 25. Mai 2010 X B 207/09, BFH/NV 2010, 1649, m.w.N.). Wird deshalb das Übergehen eines Beweisantrages gerügt, gehört zur ordnungsmäßigen Bezeichnung des Verfahrensmangels auch der Vortrag, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung --in der im Streitfall der Kläger durch einen fachkundigen Prozessbevollmächtigten vertreten war-- gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 9. Juli 1998 V R 68/96, BFHE 186, 161, BStBl II 1998, 637; BFH-Beschluss vom 8. Oktober 2003 VII B 51/03, BFH/NV 2004, 217).
b) Soweit der Kläger rügt, das FG hätte "die u.a. in der mündlichen Verhandlung ... angebotenen Zeugen" vernehmen müssen (S. 4 bis 8 der Beschwerde), ist die Rüge nicht ordnungsgemäß erhoben. Wird --wie vorliegend-- als Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch Übergehen eines Beweisantrages geltend gemacht, setzt eine schlüssige Verfahrensrüge u.a. folgende Angaben voraus:
- die ermittlungsbedürftigen Tatsachen, die angebotenen Beweismittel und die dazu angegebenen Beweisthemen,
- die genauen Fundstellen (Schriftsatz mit Datum und Seiten zahl, Terminprotokolle), in denen die Beweismittel und die Beweisthemen angeführt worden sind,
- das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme,
- inwiefern das FG-Urteil aufgrund dessen sachlich-rechtlicher Auffassung auf der unterbliebenen Beweisaufnahme be ruhen kann (ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Beschluss vom 5. Oktober 2000 V B 74/00, BFH/NV 2001, 330; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 93 f. und § 116 Rz 50 i.V.m. § 120 Rz 69, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
Hieran fehlt es. Der Kläger hat in seiner Beschwerde --mit Ausnahme des Hinweises auf ein Beweisangebot in der mündlichen Verhandlung (hierzu unter b)-- keinerlei Ausführungen dazu gemacht, wann und wo er für welche Beweisthemata Beweise durch welche Zeugen angetreten hat; er hat darüber hinaus auch die nach seinen Angaben wesentlichen, vom FG bisher nicht gewürdigten Tatsachen, die der Zeuge hätte bekunden sollen, nicht hinreichend bezeichnet. Soweit die Beschwerde dahin zu verstehen sein könnte, dass die Nichtanhörung von Zeugen gerügt werden soll, die der Kläger bereits schriftsätzlich vor der mündlichen Verhandlung angeboten haben will, fehlt es darüber hinaus auch an der Darlegung, weshalb deren Nichtanhörung in der mündlichen Verhandlung nicht gerügt worden ist bzw. weshalb eine solche Rüge nicht möglich gewesen sein sollte. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nur, dass der Kläger die Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes durch das FG für fehlerhaft hält; mit solchen --der Revision vorbehaltenen-- Angriffen kann er im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht gehört werden.
c) Ohne Erfolg rügt der Kläger die Nichtvernehmung der in der mündlichen Verhandlung als Zeugin angebotenen Buchhalterin Frau Z. Allerdings ist ein Gericht verpflichtet, einen angebotenen Beweis zu erheben, wenn nicht ausnahmsweise ein Grund für ein Absehen von der Beweiserhebung vorliegt. Letzteres ist nur dann der Fall, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich ist, wenn das FG die unter Beweis gestellte Tatsache als wahr unterstellt, wenn das Beweismittel nicht erreichbar ist oder wenn es unzulässig oder zum Nachweis der betreffenden Tatsache untauglich ist (BFH-Urteil vom 10. April 2008 VI R 13/07, BFH/NV 2008, 1356). Das FG hat die Vernehmung ausweislich seines Urteils (S. 10) abgelehnt, weil es die laut Protokoll der mündlichen Verhandlung behauptete Tatsache der Produktion der Maschine X in Tschechien und deren Lieferung nach Deutschland als wahr unterstellt hat und davon ausgegangen ist, dass die Lieferung der Maschine entgegen dem Klägervortrag nicht der österreichischen, sondern der inländischen Firma des Klägers zuzurechnen sei, weil in den Auftragsbestätigungen die Preise auf Deutsche Mark lauteten, die Zahlung an die inländische Firma erbracht wurde, die deutsche Firma auf dem Scheck enthalten sei und die österreichische Steuerverwaltung deshalb von einer Besteuerung in Österreich abgesehen hatte. Die Ablehnung des Beweisantrages war deshalb nicht verfahrensfehlerhaft.
3. Auch die Rüge, das FG habe bei seiner Entscheidung nicht den gesamten Akteninhalt berücksichtigt, weil die Klägerin "ein Dokument" vorgelegt habe, aus dem sich ergebe, dass "die Leistung auch schriftlich rückabgewickelt" worden sei, und weil das FG weiter einen "vorgelegten Handelsregisterauszug" und einen "Schriftsatz des Klägers mit der entsprechenden Einlassung" nicht berücksichtigt habe, entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die schlüssige Rüge eines Verfahrensmangels wegen Nichtberücksichtigung des Inhalts der Akten (§§ 76, 96 FGO) erfordert u.a. die genaue Angabe der jeweiligen Schriftstücke und Seitenzahlen aus den Akten und die sich ergebenden wesentlichen Tatumstände, die das FG nicht berücksichtigt hat (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 21. September 2000 XI B 13/99, BFH/NV 2001, 200; vom 29. April 2004 V B 43/03, BFH/NV 2004, 1303). Daran fehlt es.
4. Mit der Rüge, das FG habe --wie die fehlende Verurteilung des Klägers wegen Steuerhinterziehung belege-- zu Unrecht eine Steuerhinterziehung des Klägers bejaht, weil dieser erst im Jahre 1996 zum Geschäftsführer bestellt worden sei und die streitigen Lieferungen bereits in 1993 und 1994 ausgeführt worden seien, macht der Kläger keinen Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, sondern materiell-rechtliche Fehler geltend, die im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren regelmäßig unbeachtlich sind. Im Übrigen besteht keine Bindung des FG an die strafrechtliche Beurteilung im Strafverfahren (BFH-Beschluss vom 17. März 2010 X B 120/09, BFH/NV 2010, 1240). Für die in diesem Zusammenhang geltend gemachte Verletzung der Sachaufklärungspflicht fehlt es bereits an den für eine hinreichende Darlegung erforderlichen genauen Angaben und Ausführungen zu bestimmten Punkten (zur unterlassenen Amtsermittlung vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 28. Juli 2004 IX B 136/03, BFH/NV 2005, 43).
Letztlich setzt der Kläger seine eigene Sachverhaltswürdigung und Rechtsansicht anstelle des FG und rügt mit seinen --zum Teil nach Art einer Revisionsbegründung gehaltenen-- Einwänden die fehlerhafte Tatsachen- und Beweiswürdigung sowie die unzutreffende Rechtsanwendung durch das FG, also materiell-rechtliche Fehler; damit kann jedoch die Zulassung der Revision nicht erreicht werden (z.B. BFH-Beschlüsse vom 28. September 2001 V B 77/00, BFH/NV 2002, 359; vom 29. Dezember 2006 IX B 139/05, BFH/NV 2007, 1084, unter 4.).
5. Schließlich hat der Kläger auch mit der Rüge, das FG habe die Haftungsbegrenzung nach der Rechtsprechung zur anteiligen Tilgung nicht beachtet, keinen Verfahrensfehler schlüssig geltend gemacht. Einwendungen gegen die Schätzung der Haftungsquote durch das FG betreffen die Rechtsanwendung bzw. die tatsächliche Würdigung des Streitfalles durch das FG und sind deshalb im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren grundsätzlich unbeachtlich (BFH-Beschluss vom 30. September 2008 VII S 17/08 (PKH), BFH/NV 2009, 203). Mit dem nicht weiter substantiierten Vortrag, das FG habe "weder Bankauszüge eingesehen noch das Inventar der Gesellschaft" und es sei "anzunehmen, dass bei einer beendigten Gesellschaft eben kein Vermögen mehr vorhanden sei" und dem ebenfalls nicht weiter substantiierten Hinweis, "hätte das FG die angebotenen Zeugen vernommen ... wäre es zu dem Schluss gekommen, dass keinerlei Mittel mehr in dem fraglichen Zeitpunkt zur Verfügung standen", ist eine Verfahrensrüge nicht ordnungsgemäß erhoben. Insoweit fehlt es u.a. auch an der Darlegung, dass die nicht zureichende Aufklärung des Sachverhaltes in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war und zu welchen Ergebnissen eine weitere Sachaufklärung aufgrund welcher konkreter Tatsachen sich voraussichtlich ergeben hätte (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Beschluss vom 28. August 2003 VII B 71/03, BFH/NV 2004, 493, 494, m.w.N.).
6. Im Übrigen ergeht der Beschluss ohne weitere Begründung (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).