Entscheidungsdatum: 18.10.2017
Die Abgabe von Medikamenten zur Blutgerinnung (sog. Faktorpräparate) an Hämophiliepatienten ist auch dann dem Zweckbetrieb Krankenhaus (§ 67 AO) zuzuordnen, wenn sich der Patient selbst das Medikament im Rahmen einer ärztlich kontrollierten Heimselbstbehandlung verabreicht.
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 17. März 2016 10 K 775/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
I.
Streitig ist, ob die Abgabe von Faktorpräparaten (Blutgerinnungsfaktoren) an Hämophile zur sog. Heimselbstbehandlung dem steuerbegünstigten Zweckbetrieb des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) zuzurechnen ist.
Der Kläger ist eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts (Universitätsklinikum). Er verfolgt nach § 2 Abs. 1 Satz 5 der Verordnung über die Errichtung von Universitätskliniken als Anstalt des öffentlichen Rechts (UK-VO) vom 1. Dezember 2000 (Gesetz- und Verordnungsblatt Nordrhein-Westfalen 2000, S. 734) ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne der Abgabenordnung (AO) und nimmt Aufgaben in der Krankenversorgung einschließlich der Hochleistungsmedizin und im öffentlichen Gesundheitswesen wahr (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UK-VO).
Im Rahmen von ärztlich kontrollierten Heimselbstbehandlungen gab der Kläger im Streitjahr (2007) Blutgerinnungsfaktoren an eigene Patienten ab. Hierzu kamen die Patienten --je nach Alter-- zwischen zwei- und sechsmal jährlich sowie zusätzlich bei aufgetretenen Blutungen in das Behandlungszentrum des Klägers. Dabei wurden die Gerinnungsfaktoren unmittelbar von den behandelnden Ärzten an die Patienten abgegeben. Der jeweilige Arzt hatte die Abgabe für Zwecke der ärztlichen Behandlung der von der Anwendung betroffenen Personen und für Zwecke der Risikoerfassung nach dem Arzneimittelgesetz zu dokumentieren (§ 14 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung des Transfusionswesens, Transfusionsgesetz). Im weiteren Verlauf der Behandlung dokumentierte der Patient die Einnahme der Präparate. Diese Dokumentation wurde von dem behandelnden Arzt überwacht und geprüft.
In der Körperschaftsteuererklärung des Streitjahres ging der Kläger davon aus, dass die Gewinne aus der Veräußerung von Faktorpräparaten zu seinem (steuerfreien) Zweckbetrieb (§ 67 AO) gehörten. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte die Körperschaftsteuer des Streitjahres zunächst antragsgemäß auf 0 € fest. Im Anschluss an eine Außenprüfung ging das FA davon aus, dass die Abgabe der Faktorpräparate dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Klägers zuzurechnen sei und unterwarf den hieraus erzielten Gewinn durch Änderungsbescheid vom 7. August 2014 der Körperschaftsteuer.
Im Einspruchsverfahren änderte das FA die Körperschaftsteuerfestsetzung nur insoweit, als es den bisher angesetzten Gewinn um den Betrag minderte, den der Kläger aus dem Verkauf von Faktorpräparaten an ambulant behandelte Patienten erzielte; im Übrigen wies es den Einspruch als unbegründet zurück.
Der dagegen erhobenen Klage gab des Finanzgericht (FG) mit seinem in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2017, 370 veröffentlichten Urteil statt. Die Abgabe der Faktorpräparate gehöre zum steuerbegünstigten Zweckbetrieb "Krankenhaus". Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 31. Juli 2013 I R 82/12 (BFHE 243, 180, BStBl II 2015, 123) liege ein Zusammenhang mit ärztlichen Leistungen an Patienten jedenfalls dann vor, wenn das Krankenhaus zur Sicherstellung seines Versorgungsauftrags von Gesetzes wegen zur Leistung befugt sei und der Sozialversicherungsträger als Kostenträger für seine Versicherten deshalb grundsätzlich zahlen müsse. Beide Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt.
Mit seiner Revision wendet sich das FA gegen das Urteil des FG und rügt die Verletzung des § 67 AO.
Das FG habe sich zu Unrecht auf das völlig anders gelagerte "Zytostatika-Urteil" des BFH in BFHE 243, 180, BStBl II 2015, 123 gestützt. Dieses betreffe allein die Verabreichung von Medikamenten im Rahmen einer ambulanten Chemotherapie im Krankenhaus. Nach den Urteilsgründen sei die Abgabe von Medikamenten nur dann dem steuerbegünstigten Zweckbetrieb zuzuordnen, wenn eine unmittelbare Anwendung am Patienten erfolge. Die Abgabe müsse somit direkt in der Ambulanz erfolgen. Der Streitfall liege anders, da die Patienten als Teil der vertragsärztlichen Versorgung geschult würden, die Heimselbstbehandlung selbst vorzunehmen. Dadurch werde der Patient gerade in die Lage versetzt, sich unabhängig von einer Versorgung im Krankenhaus zu Hause selbst zu versorgen.
Im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 14. Januar 2015 (BStBl I 2015, 76, unter 7.) werde das BFH-Urteil eng ausgelegt, sodass die Abgabe von Medikamenten auf die Fälle der Versorgung der Patienten im Krankenhaus bzw. auf die unmittelbare Verabreichung der Medikamente an ambulant behandelte Patienten im Krankenhaus beschränkt sei. Diese enge Auslegung werde auch im Schrifttum vertreten.
Die sog. ambulante spezialfachärztliche Versorgung nach § 116b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) umfasse zwar die Diagnostik und Behandlung komplexer, schwer therapierbarer Krankheiten, wozu nach der Richtlinie "Ambulante Behandlung im Krankenhaus nach § 116b SGB V" (Bundesanzeiger 2007, S. 4003) auch die Diagnostik und Versorgung von Patienten mit Gerinnungsstörungen gehöre. Nach Anlage 2 Nr. 2 dieser Richtlinie sei die "Gerinnungstherapie" auch Teil der vertragsärztlichen Leistungen. Die Diagnostik und Behandlung der Hämophilie umfasse aber nur die unmittelbare Verabreichung von Blutkomponenten im Krankenhaus, der Versorgungsauftrag des Krankenhauses erfasse aber nicht eine darüber hinausgehende Ausstattung der Patienten mit entsprechenden Präparaten zum Zwecke der Heimselbstbehandlung. Insoweit liege folglich keine Leistung vor, die im Rahmen des Zweckbetriebs "Krankenhaus" erbracht werde. Soweit der Begriff "Heimselbstbehandlung" in Anlage 2 Abs. 5 der Richtlinie "Ambulante Behandlung im Krankenhaus nach § 116b SGB V" erwähnt werde, ergebe sich daraus lediglich, dass die Entscheidung über die "Behandlungsform" dem Versorgungsauftrag zuzurechnen sei.
Das FA beantragt,
das Urteil des FG Köln vom 17. März 2016 10 K 775/15 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Das FG habe sich zu Recht auf die Grundsätze des BFH-Urteils in BFHE 243, 180, BStBl II 2015, 123 gestützt. Nach Rz 14 dieses Urteils komme es für die Zuordnung zum Zweckbetrieb nicht auf den Ort der Verabreichung von Medikamenten an, sondern darauf, dass die Verabreichung der Präparate inhaltlich der Versorgung der eigenen Patienten des Krankenhauses diene und dies vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasst werde. Auch in Rz 17 werde darauf abgestellt, dass ärztliche Leistungen an Patienten "als Benutzer des jeweiligen Krankenhauses" erbracht werden. Der Gruppe der "Patienten als Benutzer des jeweiligen Krankenhauses" werde unter Tz 20 die Lieferung von Medikamenten "an Dritte, das Personal des Krankenhauses sowie an andere Kliniken und Apotheken" gegenübergestellt.
Zu den Leistungen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung nach § 116b Abs. 1 SGB V rechne die Hämophilie-Versorgung. Der Behandlungsumfang nach Maßgabe des § 116b Abs. 2 Satz 1 SGB V sei durch die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses "Ambulante Behandlung im Krankenhaus" festgelegt. Danach rechne die "Gerinnungstherapie" zum Versorgungsauftrag des Krankenhauses. Zur Diagnostik und Versorgung von Patienten mit Gerinnungsstörungen zähle neben der "Therapiewahl" --hier werde ausdrücklich die "Heimselbstbehandlung" genannt-- auch die "Präparatewahl" (Heimselbstbehandlung, Rekombinante- vs. Plasmapräparatedosis). Damit sei die Heimselbstbehandlung sowohl hinsichtlich der Therapie- als auch der Präparatewahl Teil der ambulanten Behandlung im Krankenhaus. Die Präparate würden den Patienten "unmittelbar" im Krankenhaus übergeben, sie würden lediglich nicht dort verabreicht. Der Ort der Verabreichung sei jedoch nicht entscheidungserheblich. Maßgebend sei allein, dass die Abgabe der Faktorpräparate an Patienten vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses gedeckt sei und die Kosten von den Versicherungsträgern übernommen würden.
Mit Schreiben vom 31. Oktober 2016 hat das BMF den Beitritt zum Verfahren erklärt. Es trägt --ohne einen Antrag zu stellen-- vor, nach den Grundsätzen des BFH-Urteils in BFHE 243, 180, BStBl II 2015, 123 handele es sich bei der Abgabe von Medikamenten zur Heimselbstbehandlung um keine typischerweise von einem Krankenhaus gegenüber seinen Patienten erbrachte Leistung, insbesondere handele es sich weder um eine Krankenhausleistung i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 des Krankenhaus-Entgeltgesetzes (KHEntgG) noch um eine Krankenhausleistung i.S. des § 39 SGB V.
Krankenhausleistungen seien nur die für die Versorgung im Krankenhaus notwendigen ärztlichen Behandlungen. Darunter falle nicht die Abgabe von Faktorpräparaten zur Heimselbstbehandlung, da sie gerade nicht zur Versorgung im Krankenhaus erfolge, sondern zur Selbstbehandlung beim Patienten zu Hause. Die Abgabe von Faktorpräparaten zur Heimselbstbehandlung sei insbesondere keine Krankenhausbehandlung i.S. des § 39 SGB V. Bei der Abgabe von Faktorpräparaten handele es sich auch nicht um eine ambulante Krankenhausbehandlung nach § 115b SGB V, sondern um eine ambulante spezialfachärztliche Versorgung i.S. von § 116b SGB V. Diese sei nicht der Krankenhausbehandlung, sondern der vertragsärztlichen Versorgung zuzurechnen.
Ärztliche Heilbehandlung und Abgabe der notwendigen Arzneimittel könnten zwar als einheitliche Gesamtleistung zu beurteilen sein. Dies setze aber voraus, dass (wie in dem in BFHE 243, 180, BStBl II 2015, 123 entschiedenen Fall) die verabreichten Präparate nach dem einzelnen Krankheitsbild auf den Patienten abgestimmt individuell verordnet und nur unter ärztlicher Überwachung im Krankenhaus verabreicht würden. Die ärztliche Diagnose und Behandlung umfasse dann auch die individuelle Medikation und ihre Anwendung und Verabreichung unter Kontrolle und Überwachung des Arztes. Die Verabreichung etwaiger Medikamente sei in diesem Fall notwendiger und unselbständiger Bestandteil der ärztlichen Behandlung und mithin der Krankenhausleistung zuzurechnen. Eine ärztliche Gesamtleistung liege dagegen nicht vor, wenn sich --wie im Streitfall-- die ärztliche Begleitung auf die Diagnose und Verordnung geeigneter Medikamente beschränke, während deren Verabreichung räumlich und zeitlich getrennt erfolge.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat das BMF die Auffassung vertreten, einer Zurückweisung der Revision stünde das beihilferechtliche Durchführungsverbot entgegen. Die Gewährung der Steuerfreiheit für Gewinne aus der Abgabe von Faktorpräparaten stelle eine sog. Neubeihilfe dar, da es die streitgegenständliche Gerinnungstherapie in Form der Heimselbstbehandlung bei Inkrafttreten des Vertrags über die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft am 1. Januar 1958 (Bekanntmachung über das Inkrafttreten der Verträge zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft vom 27. Dezember 1957, BGBl II 1958, 1) noch nicht gegeben habe.
II.
Die Revision des FA ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger auch insoweit von der Körperschaftsteuer befreit ist, als er Faktorpräparate an Hämophile im Rahmen der ärztlich kontrollierten Heimselbstbehandlung abgibt.
Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 und 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) sind die Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 AO), von der Körperschaftsteuer befreit. Wird ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb unterhalten, ist die Steuerbefreiung insoweit ausgeschlossen. Trotz Vorliegens eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs bleibt die Steuerfreiheit bestehen, wenn es sich um einen Zweckbetrieb (§§ 64 ff. AO) handelt.
Danach ist der Kläger als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts mit seinem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i.S. des § 14 AO im Streitjahr steuerbefreit.
1. Der Kläger dient sowohl nach seiner Verfassung (§ 2 Abs. 1 UK-VO) als auch nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken. Denn seine Tätigkeit ist darauf gerichtet, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern (§ 52 Abs. 1 Satz 1 AO).
a) Unter die Förderung der Allgemeinheit fällt auch die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO i.d.F. des Gesetzes zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements vom 10. Oktober 2007, BGBl I 2007, 2332, BStBl I 2007, 815). Hiervon erfasst werden alle Tätigkeiten, die der Gesundheit der Bürger dienen, insbesondere die Verhinderung und Bekämpfung von Seuchen und Krankheiten (BFH-Urteile vom 7. März 2007 I R 90/04, BFHE 217, 413, BStBl II 2007, 628, sowie vom 6. Februar 2013 I R 59/11, BFHE 241, 101, BStBl II 2013, 603). Dies kann --wie im Streitfall-- auch durch Krankenhäuser als begünstigte Einrichtungen geschehen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 101, BStBl II 2013, 603; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 3. Aufl., S. 187, Rz 3.92).
b) Der Anerkennung als gemeinnützige Körperschaft steht nicht entgegen, dass es sich beim Kläger um eine Anstalt des öffentlichen Rechts handelt, die vom Bundesland Nordrhein-Westfalen errichtet wurde. Die Gemeinnützigkeitsbestimmungen sind jedenfalls dann auf die öffentliche Hand anwendbar, wenn eine juristische Person des öffentlichen Rechts durch einen Betrieb gewerblicher Art (BgA) zu Privaten in Wettbewerb tritt (BFH-Urteil vom 27. November 2013 I R 17/12, BFHE 244, 194, BStBl II 2016, 68; ebenso Finanzverwaltung im Anwendungserlass zur Abgabenordnung zu § 51 Abs. 1 AO, Tz. 1, BStBl I 2014, 290). Die Tätigkeit von Hochschulkliniken hat überwiegend wirtschaftlichen Charakter und erfolgt daher im Rahmen eines einheitlichen BgA (vgl. Meier/Semelka in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 21. Aufl., 2006, § 4 KStG Rz 76, Stichwort "Hochschulkliniken", m.w.N.); dabei treten diese Kliniken zu privaten Krankenhausbetreibern in Wettbewerb.
2. Der Kläger betreibt mit der Abgabe der Faktorpräparate zwar einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i.S. des § 14 AO, dieser erfüllt jedoch die speziellen Voraussetzungen eines Zweckbetriebs nach § 67 AO.
a) Ein Krankenhaus ist gemäß § 67 Abs. 1 AO ein Zweckbetrieb, wenn es in den Anwendungsbereich des KHEntgG oder der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) fällt und mindestens 40 % der jährlichen Belegungstage oder Berechnungstage auf Patienten entfallen, bei denen nur Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen (§ 7 KHEntgG, § 10 BPflV) berechnet werden. Zwischen den Beteiligten ist unstrittig, dass der Kläger die Erfordernisse dieser Quotenregelungen erfüllt (zur Berechnung der Jahrespflegetage vgl. BFH-Urteil vom 26. August 2010 V R 5/08, BFHE 231, 298, BStBl II 2011, 296).
b) Die Abgabe der Faktorpräparate zur Verabreichung im Rahmen der ärztlich begleiteten Heimselbstbehandlung von Hämophilen ist dem Zweckbetrieb "Krankenhaus" zuzurechnen.
Nach der Rechtsprechung des I. Senats des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, sind alle Einnahmen und Ausgaben, die mit den ärztlichen und pflegerischen Leistungen an die Patienten als Benutzer des jeweiligen Krankenhauses zusammenhängen, aufgrund der weit gefassten Legaldefinitionen des Krankenhauses in § 2 Nr. 1 des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze und § 107 Abs. 1 SGB V dem Zweckbetrieb Krankenhaus zuzurechnen (BFH-Urteil in BFHE 243, 180, BStBl II 2015, 123, Rz 17, m.w.N.). Ausgehend von dem Zweck des § 67 AO, die Sozialversicherungsträger als Kostenträger für ihre Versicherten steuerlich zu entlasten (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Mai 2007 1 BvR 1316/04, BFH/NV 2007, Beilage 4, 449, unter IV.3.b) handelt es sich jedenfalls solange um eine typischerweise gegenüber den Patienten erbrachte Leistung, als das Krankenhaus zur Sicherstellung seines Versorgungsauftrages von Gesetzes wegen zu dieser Leistung befugt ist und der Sozialversicherungsträger als Kostenträger für seine Versicherten deshalb grundsätzlich zahlen muss (BFH-Urteil in BFHE 243, 180, BStBl II 2015, 123, Rz 18).
c) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das FG zu Recht entschieden, dass die Abgabe der Gerinnungsfaktoren zur Heimselbstbehandlung zum Versorgungsauftrag des Krankenhauses gehört und deren Kosten von den Sozialversicherungsträgern finanziert werden:
aa) Der Versorgungsauftrag regelt, welche Leistungen ein Krankenhaus --unabhängig von der Art der Krankenversicherungsträger-- erbringen darf (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 4 KHEntgG). Nach Abs. 2 des mit "Ambulante Behandlung im Krankenhaus" überschriebenen § 116b SGB V in der im Streitjahr geltenden Fassung (§ 116b SGB V a.F.) sind zugelassene Krankenhäuser berechtigt, Verträge über die ambulante Behandlung der in dem Katalog nach Abs. 3 und 4 genannten Erkrankungen mit Versicherungsträgern zu schließen.
(1) Der Kläger gehört zu den zugelassenen Krankenhäusern (vgl. § 108 Nr. 1 SGB V), da er nach landesrechtlichen Vorschriften (§ 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 Satz 2 UK-VO) als Universitätsklinik errichtet und zur Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung anerkannt wurde.
(2) In Gestalt der Vereinbarung über die Abgabe von Blutprodukten zwischen dem Kläger und Krankenkassen vom 10. September 2008 liegt auch ein Vertrag i.S. von § 116b Abs. 2 SGB V a.F. vor. Gegenstand dieses Vertrages ist die "ambulante Versorgung der Versicherten der Krankenkassen ... auf Grund vertragsärztlicher Verordnung mit Gerinnungspräparaten/Faktorkonzentraten, die nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 Arzneimittelgesetz vom Vertriebsweg Apotheke ausgenommen sind, durch das Hämophiliezentrum des Klägers.
(3) Zum Katalog der in § 116b SGB V geregelten Behandlungen gehört die "Diagnose und Versorgung von Patienten mit Hämophilie" (§ 116b Abs. 3 Nr. 2 Spiegelstrich 7 SGB V a.F.).
(a) Der Behandlungsumfang richtet sich nach § 116b Abs. 4 SGB V a.F. i.V.m. der einschlägigen Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses. Danach gehört zur Diagnostik und Versorgung von Patienten mit Hämophilie die sog. Gerinnungstherapie. Wird dabei als Therapieform die sog. Heimselbstbehandlung gewählt, erfordert dies zwingend die Abgabe des entsprechenden Präparates. Denn neben der Therapieform ist auch die Präparatewahl (Heimselbstbehandlung, rekombinante vs Plasmapräparate, Dosis) der ambulanten Behandlung im Krankenhaus zugeordnet. Das FG hat daher zutreffend entschieden, dass es sich bei der Abgabe der Medikamente (Faktorpräparate) um einen integralen Bestandteil der Therapie handelt.
(b) Der Zurechnungszusammenhang dieser ambulanten Behandlung zum Zweckbetrieb wird nicht dadurch gelöst, dass der Patient selbst einen Teil der Behandlung (Verabreichung der Präparate) zu Hause ausführt. Denn die Heimselbstbehandlung steht im Kontext einer fortbestehenden Krankenhausbehandlung. Dies ergibt sich zunächst daraus, dass nur die Abgabe von Faktorpräparaten an Patienten als Benutzer des Krankenhauses im Streit steht. Die Präparate werden auch unmittelbar im Krankenhaus den Patienten übergeben, die sie sich lediglich --nach entsprechender Schulung-- zu Hause verabreichen. Diese Heimselbstbehandlung vollzieht sich unter ständiger ärztlicher Kontrolle und Beratung, insbesondere hinsichtlich der Anpassung der Faktorpräparate an die individuellen Bedürfnisse des jeweiligen Patienten. Überdies kommen die Patienten je nach Alter zwischen zwei- und sechsmal jährlich sowie bei zusätzlich auftretenden Blutungen in das Behandlungszentrum des Klägers. Die Abgabe der Gerinnungsfaktoren wird schließlich durch den behandelnden Arzt für Zwecke der Risikoerfassung nach dem Arzneimittelgesetz dokumentiert. Im weiteren Behandlungsverlauf hat zwar der Patient die Einnahme der Präparate zu dokumentieren, diese Dokumentation wird jedoch von dem behandelnden Arzt überwacht und geprüft.
bb) Die Kosten der Behandlung werden auch von den Sozialversicherungsträgern übernommen.
Dies ergibt sich zunächst aus § 116b Abs. 2 SGB V a.F.; danach werden die auf Grund eines Vertrages nach Absatz 2 von den Krankenhäusern erbrachten Leistungen unmittelbar von den Krankenkassen vergütet.
Im Streitfall zahlte der Sozialversicherungsträger nach Maßgabe der unter II.2.c aa (2) bezeichneten Vereinbarung über die Abgabe von Blutprodukten für die entsprechenden Leistungen des Klägers. Nach § 4 Abs. 1 dieser Vereinbarung stellt der Kläger bei Abgabe von Gerinnungskonzentraten u.a. die bedarfsgerechte und kostenbewusste Abgabe der Präparate an die Patienten sicher. Die Krankenkassen erstatten nach § 8 der Vereinbarung die Kosten. Dies geschieht innerhalb von 14 Tagen nach Rechnungseingang bei den Krankenkassen (§ 10 Abs. 2 der Vereinbarung).
3. Die vom FA und dem beigetretenen BMF geltend gemachten Einwendungen gegen die Qualifizierung als steuerbegünstigter Zweckbetrieb greifen nicht durch:
a) Es trifft zwar zu, dass sich der Streitfall und der vom I. Senat in BFHE 243, 180, BStBl II 2015, 123 entschiedene Zytostatika-Fall dadurch unterscheiden, dass dort eine ambulante Behandlung im Krankenhaus stattfand, während vorliegend die Präparate durch den Patienten selbst zu Hause verabreicht werden. Dies steht einer Zurechnung zum Zweckbetrieb aber nicht entgegen, weil die in der Zytostatika-Entscheidung als maßgeblich erachteten Kriterien (Versorgungsauftrag des Krankenhauses sowie Kostentragung durch den Sozialversicherungsträger) auch im Streitfall vorliegen.
b) Soweit das BMF für die Zurechnung zum Zweckbetrieb den Ort der Verabreichung des Präparates (im Krankenhaus) für maßgeblich erachtet, ergibt sich diese Voraussetzung weder aus dem sog. Zytostatika-Urteil des I. Senats in BFHE 243, 180, BStBl II 2015, 123 noch aus dem Sinn und Zweck des § 67 AO. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Verabreichung der Präparate der Versorgung von eigenen Patienten des Krankenhauses dient und vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasst wird. Abgesehen davon führte diese Auffassung, wonach die Abgabe von Präparaten nur dann dem Zweckbetrieb zuzuordnen sei, wenn sie örtlich in einer Ambulanz des Klägers (also im Krankenhaus) erbracht werde, zu einem nicht folgerichtigen Ausschluss von Leistungen aus dem Zweckbetrieb, der mit dem gemeinnützigkeitsrechtlichen Sinn und Zweck (umfassende Entlastung der Sozialversicherungsträger) nicht zu vereinbaren wäre.
c) Die Auffassung des BMF, wonach es sich bei der Abgabe von Faktorpräparaten zur Heimselbstbehandlung nicht um eine ambulante Krankenhausbehandlung nach § 115b SGB V handele, sondern um eine ambulante spezialfachärztliche Versorgung i.S. von § 116b SGB V, beruht auf einer Verkennung der maßgeblichen Gesetzeslage. Erst seit dem 1. Januar 2012 ist § 116b SGB V mit "Ambulante spezialfachärztliche Versorgung" überschrieben. In der bis zum 31. Dezember 2011 und damit im Streitjahr geltenden Fassung trägt § 116b SGB V dagegen den Titel "Ambulante Behandlung im Krankenhaus". Abgesehen davon ist durch die Neufassung des § 116b SGB V keine Änderung der Zuordnung des Leistungsspektrums zu den ambulanten Krankenhausleistungen eingetreten. Wie der Kläger zu Recht ausgeführt hat, wurde lediglich ein neuer Leistungsbereich in die gesetzliche Krankenversicherung eingeführt mit der Folge, dass die im Rahmen der speziellen ambulant zu erbringenden Leistungen nunmehr sowohl den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringern als auch den nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern unter gleichen qualitativen Voraussetzungen offen stehen (vgl. Hess, Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 116b SGB V, Rz 2).
d) Nicht entscheidungserheblich ist das Vorbringen des BMF, wonach die Abgabe von Faktorpräparaten zur Heimselbstbehandlung keine Krankenhausbehandlung i.S. des § 39 Abs. 1 SGB V sei. Danach wird die Krankenhausbehandlung "vollstationär, stationsäquivalent, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant" erbracht. Abgesehen davon, dass es sich bei der Abgabe der Faktorpräparate nach der Spezialnorm des § 116b SGB V a.F. um eine ambulante Behandlung im Krankenhaus handelt, dient die Norm lediglich der Abgrenzung von Krankenhausbehandlungen zu anderen Formen der Krankenbehandlung (vgl. Gamperl, Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 39 SGB V, Rz 3) und hat damit lediglich sozialversicherungsrechtliche, aber keine steuerrechtliche Bedeutung.
e) Ohne Erfolg macht das BMF schließlich unter Hinweis auf Tz. 7 des BMF-Schreibens in BStBl I 2015, 76 geltend, die Medikamentenabgabe gehöre nur dann zum steuerbegünstigten Zweckbetrieb, wenn sie der Versorgung von ambulant behandelten Patienten im Krankenhaus diene. Das BMF-Schreiben stellt eine norminterpretierende Verwaltungsanweisung dar. Derartige Anweisungen stehen konkludent unter dem Vorbehalt einer abweichenden Auslegung der Norm durch die Rechtsprechung (Senatsurteil vom 23. Oktober 2003 V R 48/01, BFHE 203, 531, BStBl II 2004, 196, Rz 35) und binden daher die Gerichte nicht (vgl. BFH-Urteil vom 16. September 2015 XI R 27/13, BFH/NV 2016, 252, Rz 30, m.w.N.).
4. Die Entscheidung steht nicht in Widerspruch zum BFH-Urteil vom 18. Oktober 1990 V R 76/89 (BFHE 162, 510, BStBl II 1991, 268, Leitsatz 3), wonach Arzneimittellieferungen der (unselbständigen) Krankenhausapotheke eines gemeinnützigen Krankenhausträgers an andere Krankenhäuser keinen Zweckbetrieb darstellen. Dieses Urteil betrifft nicht die Abgabe von Medikamenten an Krankenhauspatienten und äußert sich im Übrigen nur zur Frage eines (fehlenden) Zweckbetriebs nach § 66 AO (Wohlfahrtspflege) und § 68 Nr. 2b AO (Selbstversorgung), enthält aber keinerlei Aussage zum Zweckbetrieb nach § 67 AO.
5. Der Senat ist --entgegen der Ansicht des BMF-- nicht durch das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gehalten, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
a) Gemäß Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV darf ein Mitgliedstaat eine Beihilfe nicht einführen oder umgestalten, bevor die Kommission einen abschließenden Beschluss erlassen hat. Dieses Verbot gilt allein für neue Beihilfen; demgegenüber dürfen bestehende Beihilfen regelmäßig durchgeführt werden, solange die Kommission nicht ihre Unionsrechtswidrigkeit festgestellt hat (Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union Banco Exterior de España vom 15. März 1994 C-387/92, EU:C:1994:100, Rz 20; Kremikovtzi vom 29. November 2012 C-262/11, EU:C:2012:760, Rz 49, sowie zuletzt P Oy vom 18. Juli 2013 C-6/12, EU:C:2013:525, Rz 36). Bestehende Beihilfen sind insbesondere die Beihilferegelungen, die vor Inkrafttreten des Vertrags eingeführt worden sind und auch nach dessen Inkrafttreten noch anwendbar sind (Art. 1 Buchst. b Unterbuchst. i der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. 93 des EG-Vertrags).
b) Von diesen Grundsätzen ausgehend ist das Durchführungsverbot im Streitfall nicht anwendbar. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG i.V.m. § 67 AO a.F. ist eine bestehende Beihilfe ("Alt-Beihilfe"), für die das Durchführungsverbot nicht gilt. Die Steuerbefreiung bestand schon vor dem Inkrafttreten des Vertrags über die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft am 1. Januar 1958. Dass zwischenzeitlich die sozialrechtlichen Bestimmungen geändert wurden und sich hierdurch die Weite der Steuerbefreiung verändert hat, ist hiernach nicht von Bedeutung. Denn die allein maßgebliche Regelung des § 67 AO a.F. hat sich inhaltlich nicht geändert. Zur weiteren Begründung verweist der Senat auf die Ausführungen des I. Senats in BFHE 243, 180, BStBl II 2015, 123, Rz 36 ff., insbesondere Rz 40, denen er sich anschließt.
6. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen (§ 135 Abs. 2 FGO).