Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 22.05.2012


BFH 22.05.2012 - V B 129/11

(Zur Grenzbetragsprüfung nach § 32 Abs. 4 EStG)


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
5. Senat
Entscheidungsdatum:
22.05.2012
Aktenzeichen:
V B 129/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend FG Nürnberg, 17. Juni 2011, Az: 7 K 302/11, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

NV: Nach der Rechtsprechung des BFH ist geklärt, dass folgende Aufwendungen bei der Grenzbetragsprüfung nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht abziehbar sind:

- aus dem Arbeitslohn des Kindes erbrachten Sparbeiträge und die Arbeitgeberbeiträge zu den vermögenswirksamen Leistungen,

- Prämien für eine private Haftpflichtversicherung,

- Beiträge für eine private Rentenversicherung,

- Beiträge zu einer tarifvertraglich vorgesehenen VBL-Pflichtversicherung.

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Mit der Beschwerde macht die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) sämtliche Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend. Insbesondere hält sie die Frage für grundsätzlich bedeutsam (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), ob bei der Ermittlung der für die Gewährung von Kindergeld gemäß § 32 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung der Streitjahre (EStG) maßgeblichen Einkommensgrenze auch Aufwendungen für die Rentenversicherung (420 €), die Krankenversicherung (24,60 €), eine Haftpflichtversicherung (76,58 €), den ADAC-Mitgliedsbeitrag (12,80 €), vermögenswirksame Leistungen (480 €) und den Bausparvertrag (511,20 €) zu berücksichtigen sind. Diese Frage hat keine grundsätzliche Bedeutung.

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a) Eine Rechtsfrage ist nicht i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO klärungsbedürftig und damit auch nicht von grundsätzlicher Bedeutung, wenn sie durch die Rechtsprechung des Bundesfinanz-hofs (BFH) bereits geklärt ist und der Beschwerdeführer keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen hat, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 19. Oktober 2011 IV B 24/10, BFH/NV 2012, 164).

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Durch die Rechtsprechung des BFH ist bereits geklärt, dass der Begriff der Einkünfte i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG dem in § 2 Abs. 2 EStG gesetzlich definierten Begriff entspricht und je nach Einkunftsart als Gewinn oder als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu verstehen ist. Erzielt das Kind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sind daher von den Bruttoeinnahmen die Werbungskosten abzuziehen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 29. Mai 2008 III R 33/06, BFH/NV 2008, 1664).

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Geklärt ist auch, dass bei der Grenzbetragsprüfung nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht abziehbar sind die

- aus dem Arbeitslohn des Kindes erbrachten Sparbeiträge und die Arbeitgeberbeiträge zu den vermögenswirksamen Leistungen (BFH-Urteil vom 22. September 2011 III R 73/10, BFH/NV 2012, 29),

- Prämien für eine private Haftpflichtversicherung (BFH-Urteil vom 22. September 2011 III R 23/09, BFH/NV 2012, 493),

- Beiträge für eine private Rentenversicherung (BFH-Beschluss vom 29. Mai 2008 III R 54/06, BFH/NV 2008, 1040),

- Beiträge zu einer tarifvertraglich vorgesehenen VBL-Pflichtversicherung (BFH-Urteil vom 19. Mai 2011 III R 41/09, BFH/NV 2011, 1852).

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Daraus folgt, dass die Aufwendungen des Sohnes der Klägerin für die Haftpflichtversicherung (76,58 €), die vermögenswirksamen Leistungen (480 €) und die Rentenversicherung (420 €) nicht abziehbar sind. Die hierauf gerichtete Frage hat daher keine grundsätzliche Bedeutung.

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b) Die Frage, ob die Aufwendungen für den Bausparvertrag (511,20 €), die Krankenversicherung (24,60 €) und den ADAC-Mitgliedsbeitrag (12,80 €) bei der Grenzbetragsberechnung zu berücksichtigen sein könnten, ist nicht entscheidungserheblich, weil die Aufwendungen hierfür (548,60 €) unter dem ohnehin zu berücksichtigenden Werbungskostenpauschbetrag liegen und schon aus diesem Grund zu keiner vom Urteil der Vorinstanz abweichenden Beurteilung führen können. Für das Vorliegen eines weitergehenden Werbungskostenabzugs sind Anhaltspunkte weder vorgetragen noch nach Aktenlage erkennbar.

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2. Aus den unter 1. genannten Gründen scheidet eine Zulassung zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  1. Alternative FGO) aus, weil auch dieser Zulassungsgrund eine klärungsbedürftige, entscheidungserhebliche und klärbare Rechtsfrage voraussetzt (z.B. BFH-Beschluss vom 27. März 2006 VIII B 21/05, BFH/NV 2006, 1256).

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3. Wird --wie hier-- als Zulassungsgrund eine Abweichung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative FGO geltend gemacht, so muss in der Beschwerdeschrift nicht nur die Entscheidung, von der das Urteil des Finanzgerichts (FG) abweichen soll, bezeichnet werden. Es muss darüber hinaus aus der Entscheidung des FG ein diese tragender abstrakter Rechtssatz abgeleitet werden, der zu einem ebenfalls tragenden abstrakten Rechtssatz der Divergenzentscheidung im Widerspruch stehen kann. Die nach Auffassung des Beschwerdeführers voneinander abweichenden Rechtssätze sind dabei gegenüberzustellen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 13. Februar 2012 II B 12/12, BFH/NV 2012, 772; vom 16. August 2011 III B 155/10, BFH/NV 2012, 48). Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.

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Es liegt auch keine sog. nachträgliche Divergenz vor. Diese kommt in Betracht, wenn die grundsätzliche Bedeutung zwar ordnungsgemäß dargelegt wurde, jedoch durch eine nach Einlegung der Beschwerde ergangene Entscheidung entfallen ist und das Urteil der Vorinstanz in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von der neueren Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union oder des BFH abweicht (BFH-Beschluss vom 11. November 2011 V B 19/10, BFH/NV 2012, 459, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des BFH). An der Abweichung in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage fehlt es vorliegend, weil das Urteil des FG vom 17. Juni 2011 nicht von den BFH-Urteilen in BFH/NV 2012, 29 und BFH/NV 2012, 493 abweicht.

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4. Die Klägerin hat auch keinen zur Zulassung der Revision führenden Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) dargelegt.

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a) Die Klägerin rügt zu Unrecht, das FG habe den Sachverhalt im Hinblick auf die Aufhebung der Festsetzung von Kindergeld für 2007 nach § 70 Abs. 4 EStG nicht hinreichend aufgeklärt. Wird --wie hier-- mit der Rüge mangelnder Sachaufklärung geltend gemacht, das FG habe auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen, so sind nach ständiger Rechtsprechung Ausführungen dazu erforderlich, welche Tatsachen das FG auch ohne besonderen Antrag hätte aufklären oder welche Beweise zu welchen Beweisthemen es von Amts wegen hätte erheben müssen, aus welchen Gründen sich dem FG die Notwendigkeit der weiteren Aufklärung hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern die weitere Aufklärung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen müssen (z.B. BFH-Beschluss vom 6. September 2006 VIII B 187/05, BFH/NV 2007, 74). Diesen Anforderungen genügt das pauschale Vorbringen der Klägerin nicht. Das FG hat aus der Ausbildungsbescheinigung der Firma Bosch vom 7. Juni 2006 eine voraussichtliche Bruttoausbildungsvergütung für 2007 in Höhe von 7.292,84 € ermittelt. Das ist ebenso wenig zu beanstanden wie die Schlussfolgerung des FG, dass sich aus dem Fehlen von Hinweisen auf eine Überschreitung des Grenzbetrages ergibt, dass diese nachträglich i.S. des § 70 Abs. 4 EStG bekannt geworden ist. Auch aus der Beschwerdebegründung ergibt sich kein konkreter Hinweis darauf, aus welchen ggf. vom FG zu ermittelnden Tatsachen die Überschreitung des Grenzbetrages bereits im Zeitpunkt der Festsetzung des Kindergeldes erkennbar gewesen sein soll. Darauf, ob Unterlagen nicht vorgelegt oder unwahre Angaben gemacht wurden, kommt es, entgegen der Ansicht der Klägerin, insoweit nicht an.

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b) Soweit die Klägerin Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) geltend macht, weil das FG "in Ausweitung der bisherigen BFH-Entscheidung auch andere Abzugspositionen nicht anerkennt", ohne hierzu vorher Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben zu haben, liegt dieser Mangel nicht vor. Zur Gewährung rechtlichen Gehörs obliegt es dem Gericht u.a., den Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung zu geben und ihre Ausführungen sowie Anträge zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Die Gewährung rechtlichen Gehörs verlangt vom Gericht nicht, der von einem Beteiligten vertretenen Rechtsansicht zu folgen (vgl. z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgericht vom 11. Juni 2008  2 BvR 2062/07, Deutsches Verwaltungsblatt 2008, 1056; BFH-Beschluss vom 6. September 2007 III S 27/07, BFH/NV 2007, 2327, m.w.N.). Wie sich aus den Ausführungen zu 1. ergibt, hat das FG in seinem Urteil die nicht abziehbaren Positionen nicht über die Grenzen der BFH-Rechtsprechung hinaus ausgedehnt.

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c) Im Wesentlichen macht die Klägerin eine (vermeintlich) unzutreffende Sachverhalts- und Beweiswürdigung und damit die Unrichtigkeit des FG-Urteils, also materiell-rechtliche Fehler, geltend. Damit kann die Zulassung der Revision nicht erreicht werden (ständige Rechtsprechung, z.B. vgl. BFH-Beschluss vom 17. Oktober 2011 IX B 108/11, BFH/NV 2012, 245). Ein besonders schwerer Rechtsanwendungsfehler im Sinne einer objektiv willkürlichen Entscheidung, der ausnahmsweise die Revisionszulassung gebieten könnte (vgl. BFH-Beschluss vom 5. April 2011 VIII B 103/10, BFH/NV 2011, 1133), liegt ersichtlich nicht vor.