Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 13.02.2012


BFH 13.02.2012 - II B 12/12

Darlegung von Gründen für die Zulassung der Revision; Rügeverlust; Auslandszeugen


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsdatum:
13.02.2012
Aktenzeichen:
II B 12/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend FG Hamburg, 28. Mai 2010, Az: 3 K 258/08, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. NV: Um die Divergenz des angefochtenen Urteils des FG von einer Entscheidung des BFH ordnungsgemäß darzulegen, muss der Beschwerdeführer auch ausführen, dass es sich im Streitfall um einen gleichen, vergleichbaren oder gleichgelagerten Sachverhalt und eine identische Rechtsfrage wie in der Entscheidung des BFH handle.

2. NV: Mit der Rüge, das FG habe bei der Tatschen- und Beweiswürdigung gegen Denkgesetze verstoßen, wird kein Verfahrensmangel, sondern ein materiell-rechtlicher Fehler geltend gemacht.

3. NV: Das Recht, die Verletzung der Pflicht des FG zur Aufklärung des Sachverhalts geltend zu machen, geht nicht nur durch ausdrücklichen Verzicht sondern bei Vertretung durch einen fachkundigen Bevollmächtigten auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge in der mündlichen Verhandlung verloren.

4. NV: Auslandzeugen sind in der mündlichen Verhandlung vor dem FG zu stellen.

Gründe

1

Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Danach müssen in der Beschwerdebegründung die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden.

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1. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben nicht hinreichend dargelegt, dass die Revision wegen der Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) zuzulassen sei.

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a) Um eine Divergenz des Urteils des Finanzgerichts (FG) von Entscheidungen des BFH ordnungsgemäß darzulegen, muss der Beschwerdeführer abstrakte, die Vorentscheidung tragende Rechtsgrundsätze und abstrakte, ebenfalls tragende Rechtsgrundsätze aus den Entscheidungen des BFH so gegenüberstellen, dass eine Abweichung erkennbar wird (BFH-Beschlüsse vom 16. August 2011 III B 155/10, BFH/NV 2012, 48, und vom 31. August 2011 IV B 72/10, BFH/NV 2012, 21, je m.w.N.), und zwar eine Abweichung im Grundsätzlichen (BFH-Beschlüsse vom 28. März 2011 III B 144/09, BFH/NV 2011, 1144, und vom 23. August 2011 IX B 63/11, BFH/NV 2012, 53). Des Weiteren ist auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen gleichen, vergleichbaren oder gleichgelagerten Sachverhalt und eine identische Rechtsfrage wie in den angeführten Entscheidungen des BFH handle, von denen das FG abgewichen sein soll (BFH-Beschlüsse vom 22. Juli 2008 II B 47/07, BFH/NV 2008, 1846, und vom 22. August 2011 III B 4/10, BFH/NV 2011, 2092). Zudem muss dargelegt werden, dass die nach Ansicht des Beschwerdeführers vom FG abweichend beantwortete Rechtsfrage im Revisionsverfahren geklärt werden könne (BFH-Beschlüsse vom 31. März 2010 IV B 131/08, BFH/NV 2010, 1487, und vom 27. September 2010 II B 164/09, BFH/NV 2011, 193). Zur Darlegung einer Divergenz genügt es nicht, wenn lediglich bloße Subsumtionsfehler und die fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen des BFH auf die Besonderheiten des Einzelfalls geltend gemacht werden (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2011, 1144, und in BFH/NV 2012, 53). Eine fehlerhafte Einzelfallentscheidung vermag nämlich die Notwendigkeit einer BFH-Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung grundsätzlich nicht zu begründen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 1487; vgl. unten 3.).

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b) Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Mit der Rüge, die vom FG angeführten BFH-Urteile seien aufgrund anders gelagerter Sachverhalte nicht einschlägig, machen die Kläger keine Abweichung der Vorentscheidung von diesen BFH-Urteilen geltend. Gleiches gilt für das Vorbringen der Kläger, das FG sei zwar von den in der Rechtsprechung des BFH aufgestellten Rechtsgrundsätzen ausgegangen, habe diese aber im Streitfall unzutreffend angewandt. Die Kläger haben zudem in der Beschwerdebegründung nicht berücksichtigt, dass es bei der Überprüfung eines finanzgerichtlichen Urteils grundsätzlich auf die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen ankommt (§ 118 Abs. 2 FGO) und daher Rechtsfragen, die sich nur aufgrund eines vom Beschwerdeführer anders dargestellten Sachverhalts ergeben, im Revisionsverfahren nicht geklärt werden können.

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2. Die Kläger haben das Vorliegen eines nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zur Zulassung der Revision führenden Verfahrensmangels ebenfalls nicht hinreichend substantiiert dargelegt.

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a) Die Revision ist nach dieser Vorschrift zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem das Urteil des FG beruhen kann. Wird die Nichtzulassungsbeschwerde auf einen solchen Mangel gestützt, so bedarf es hierfür eines genauen Vortrags der Tatsachen, die den Mangel schlüssig ergeben. Zudem muss außer bei den absoluten Revisionsgründen gemäß § 119 FGO dargelegt werden, dass die angefochtene Entscheidung --ausgehend von der insoweit maßgebenden, ggf. auch unrichtigen materiell-rechtlichen Auffassung des FG-- auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen könne, sie also ohne den Verfahrensmangel möglicherweise anders ausgefallen wäre (BFH-Beschlüsse vom 19. Mai 2008 V B 29/07, BFH/NV 2008, 1501; vom 24. Juli 2008 II B 38/08, BFH/NV 2008, 1817; vom 20. September 2010 V B 105/09, BFH/NV 2011, 53; vom 4. Oktober 2010 III B 82/10, BFH/NV 2011, 38, und vom 5. September 2011 X B 144/10, BFH/NV 2012, 3). Das FG braucht insbesondere einen Sachverhalt, auf den es nach seiner materiell-rechtlichen Beurteilung nicht ankommt, nicht nach § 76 Abs. 1 FGO aufzuklären (BFH-Beschluss vom 5. August 2011 III B 144/10, BFH/NV 2011, 1915, m.w.N.).

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b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

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aa) Die Kläger sehen einen Verfahrensfehler zunächst darin, dass das FG bei der Tatsachen- und Beweiswürdigung gegen Denkgesetze verstoßen habe. Mit dieser Rüge machen sie indes keinen Verfahrensmangel, sondern einen materiell-rechtlichen Fehler geltend, der grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision führt (BFH-Beschlüsse vom 28. August 2006 V B 26/06, BFH/NV 2006, 2293, und in BFH/NV 2011, 1915, m.w.N.).

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bb) Die Rüge, das FG hätte den Sachverhalt durch Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers oder von dessen Vernehmung in X (Spanien) weiter aufklären müssen, ist ebenfalls nicht geeignet, das Vorliegen eines Verfahrensmangels schlüssig darzulegen. Die Kläger führen nämlich nicht aus, aus welchen Gründen sie das Recht, dies geltend zu machen, nicht dadurch verloren haben, dass sie in der mündlichen Verhandlung vor dem FG ausweislich der Sitzungsniederschrift keine entsprechende Rüge erhoben haben, obwohl sie durch einen Rechtsanwalt und der Kläger zu 1. zusätzlich durch einen Wirtschaftsprüfer und Steuerberater als Prozessbevollmächtigte vertreten waren. Die Geltendmachung der Verletzung der Pflicht des FG zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 FGO) gehört zu den verzichtbaren Verfahrensrechten (§ 155 FGO i.V.m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozessordnung; BFH-Beschluss in BFH/NV 2011, 1915). Das Rügerecht geht nicht nur durch ausdrücklichen Verzicht, sondern auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge verloren (BFH-Beschlüsse vom 7. Oktober 2010 IX B 83/10, BFH/NV 2011, 61, und in BFH/NV 2011, 1915).

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cc) Gleiches gilt für die Rüge, das FG hätte zur weiteren Erforschung des Sachverhalts den Z wohnenden Zeugen laden müssen. Auch insoweit fehlt es an Ausführungen, warum es dadurch, dass die Kläger ausweislich der Sitzungsniederschrift in der mündlichen Verhandlung vor dem FG keine entsprechende Rüge erhoben haben, nicht zu einem Rügeverlust gekommen sein soll. Davon abgesehen ist ein im Ausland ansässiger Zeuge vom FG nicht zu laden, sondern von dem Beteiligten, der die Vernehmung dieses Zeugen beantragt, gemäß § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung in der mündlichen Verhandlung vor dem FG zu stellen (BFH-Beschluss vom 30. Mai 2011 XI B 90/10, BFH/NV 2011, 1479, m.w.N.).

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dd) Die Rüge, das FG habe das Verfahren rechtsfehlerhaft auf den Einzelrichter übertragen, entspricht ebenfalls nicht den Darlegungsanforderungen und ist daher unzulässig. Das FG hat das Verfahren mit unanfechtbarem Beschluss gemäß § 6 Abs. 1 und 4 Satz 1 FGO auf den Einzelrichter übertragen. Weshalb das "greifbar gesetzwidrig" sein sollte, ist nicht erkennbar (BFH-Beschluss vom 16. November 2011 VIII B 134/10, nicht veröffentlicht).

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3. Mit der Rüge, die Vorentscheidung beruhe auf einer fehlerhaften Tatsachen- und Beweiswürdigung und einer unzutreffenden Rechtsanwendung, machen die Kläger keinen Grund für die Zulassung der Revision geltend (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2011, 53, und vom 24. August 2011 IX B 89/11, BFH/NV 2012, 11, je m.w.N.). Die Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten (BFH-Beschluss vom 10. Februar 2011 II S 39/10 (PKH), BFHE 232, 310, BStBl II 2011, 657, m.w.N.). Die Revision ist vielmehr nur dann nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO wegen besonders schwerwiegender Fehler des FG bei der Auslegung revisiblen Rechts zuzulassen, wenn das Urteil des FG objektiv willkürlich ist oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar, also greifbar gesetzwidrig und somit geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen (vgl. dazu z.B. BFH-Beschlüsse vom 12. Mai 2011 IX B 121/10, BFH/NV 2011, 1391; vom 10. August 2011 X B 100/10, BFH/NV 2011, 2098; in BFH/NV 2012, 48; vom 17. August 2011 X B 225/10, BFH/NV 2011, 2083, und in BFH/NV 2012, 3).

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Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen ergeben sich aus der Beschwerdebegründung keine Anhaltspunkte.