Entscheidungsdatum: 03.04.2019
Eine Beschwerde gegen einen noch nicht vollstreckten Haftbefehl hat grundsätzlich nicht schon allein deswegen Erfolg, weil die Staatsanwaltschaft Einsicht in die die Haftentscheidung tragenden Aktenteile verweigert hat. Es ist auch nicht veranlasst, die Beschwerdeentscheidung zurückzustellen, bis eine Akteneinsicht ohne die Gefährdung des Untersuchungszwecks möglich ist.
1. Auf die Beschwerde des Beschuldigten wird der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 29. Dezember 2017 dahin geändert, dass der Beschuldigte dringend verdächtig ist der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung und statt des Haftgrundes der Flucht (§ 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO) der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) besteht.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
I.
Der Generalbundesanwalt führt gegen den mutmaßlich in Syrien oder im Irak aufhältigen Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland und anderer Straftaten.
Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat am 29. Dezember 2017 auf Antrag des Generalbundesanwalts gegen den Beschuldigten Haftbefehl (2 BGs 1072/17) erlassen. Dieser ist bislang nicht vollstreckt worden.
Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe sich durch zwei rechtlich selbständige Handlungen seit November 2014 in Syrien als Mitglied an der ausländischen terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" (IS) beteiligt, deren Zwecke und Tätigkeiten darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12 VStGB) zu begehen, und in einem Fall zugleich eine schwere staatsgefährdende Gewalttat, nämlich eine Straftat gegen das Leben in den Fällen des § 211 StGB oder des § 212 StGB oder gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a StGB oder des § 239b StGB, die nach den Umständen bestimmt und geeignet sei, den Bestand oder die Sicherheit eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beeinträchtigen, vorbereitet, indem er sich im Umgang mit Schusswaffen habe unterweisen lassen, strafbar nach § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 bis 3, § 89a Abs. 1, 2 Nr. 1, Abs. 3, 4 Satz 1, §§ 52, 53 StGB.
Der Generalbundesanwalt hat dem Verteidiger des Beschuldigten mit Verfügung vom 15. Februar 2019 Akteneinsicht nach § 147 Abs. 2 Satz 1 StPO unter Verweis auf eine Gefährdung des Untersuchungszwecks versagt.
Mit Schriftsatz vom 19. Februar 2019 hat der Verteidiger des Beschuldigten Beschwerde gegen den Haftbefehl eingelegt. Der Ermittlungsrichter hat dem Rechtsmittel mit Vermerk vom 22. Februar 2019 nicht abgeholfen.
II.
Die zulässige Beschwerde führt zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung des angefochtenen Haftbefehls. Das weitergehende Rechtsmittel bleibt erfolglos.
1. Die Beschwerde ist gemäß § 304 Abs. 5 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere steht der Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht entgegen, dass der Haftbefehl bislang nicht vollstreckt worden ist. Denn der Beschuldigte ist bereits durch die Existenz des Haftbefehls beschwert. Dies gilt zumindest dann, wenn der Beschuldigte - wie hier - Kenntnis hiervon hat (BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1997 - 2 BvR 1769/97, NStZ-RR 1998, 108; OLG Stuttgart, Beschluss vom 19. Januar 1990 - 3 Ws 248/89, NStZ 1990, 247; OLG Hamm, Beschluss vom 30. Januar 2001 - 1 Ws 438/00, NStZ-RR 2001, 254).
2. Die Beschwerde erweist sich überwiegend als unbegründet.
a) Nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt auszugehen:
aa) Der IS ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region "ash-Sham" - die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesstaat" unter Geltung der Sharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im Irak und das Regime des syrischen Präsidenten Assad zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als "Feind des Islam" begreift; die Tötung solcher "Feinde" oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht der IS als legitimes Mittel des Kampfes an.
Die Führung der Vereinigung, die sich mit dem Ausrufen des "Kalifats" im Juni 2014 von ISIG in IS umbenannte - wodurch sie von der territorialen Selbstbeschränkung Abstand nahm - hat seit 2010 der "Emir" Abu Bakr al-Baghdadi inne. Al-Baghdadi war von seinem Sprecher zum "Kalifen" erklärt worden, dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Hinweise darauf, dass dieser zwischenzeitlich getötet wurde, konnten bisher nicht bestätigt werden. Dem "Kalifen" unterstehen ein Stellvertreter sowie "Minister" als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein "Kriegsminister" und ein "Propagandaminister". Zur Führungsebene gehören außerdem beratende "Shura-Räte". Veröffentlichungen werden in der Medienabteilung "Al-Furqan" produziert und über die Medienstelle "al-l’tisam" verbreitet, die dazu einen eigenen Twitter-Kanal und ein Internetforum nutzt. Das auch von Kampfeinheiten verwendete Symbol der Vereinigung besteht aus dem "Prophetensiegel" (einem weißen Oval mit der Inschrift: "Allah - Rasul - Muhammad") auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem islamischen Glaubensbekenntnis. Die - zeitweilig - mehreren Tausend Kämpfer sind dem "Kriegsminister" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert.
Die von ihr besetzten Gebiete teilte die Vereinigung in Gouvernements ein und richtete einen Geheimdienstapparat ein; diese Maßnahmen zielten auf das Schaffen totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der syrischen Armee, aber auch von in Gegnerschaft zum IS stehenden Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsbereich des IS in Frage stellten, sahen sich Verhaftung, Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom ISIG bzw. IS zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus begeht die Vereinigung immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb ihres Machtbereichs Terroranschläge. So hat sie für Anschläge in Europa, etwa in Frankreich, Belgien und Deutschland, die Verantwortung übernommen.
bb) Der Beschuldigte reiste am 2. November 2014 in Begleitung seiner Ehefrau nach islamischen Ritus und des gemeinsamen Sohnes von H. über Istanbul nach Syrien aus. Dort gliederte er sich als Mitglied in den IS und dessen Entscheidungs- und Befehlsstruktur ein und steigerte dadurch die Präsenz und Aktivität der Vereinigung. Den Vorgaben der Vereinigung entsprechend durchlief er zunächst spätestens ab Dezember 2014 ein terroristisches Ausbildungslager, in dem er ideologisch indoktriniert und im Umgang mit Schusswaffen unterwiesen wurde.
Spätestens seit Ende Oktober/Anfang November 2015 ist der Beschuldigte Angehöriger des Geheimdienstes des IS. In dieser Eigenschaft führte er unter anderem Verhöre von politischen Gefangenen durch. Er nahm überdies zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt vor dem 12. Februar 2015 ein Video auf, in welchem er zur Ausreise zum IS aufrief, um so zur personellen Stärkung der Vereinigung beizutragen.
b) Der dringende Tatverdacht ergibt sich aus Folgendem:
aa) Hinsichtlich der außereuropäischen Vereinigung IS beruht der dringende Tatverdacht für den hier relevanten Zeitraum - senatsbekannt - auf islamwissenschaftlichen Gutachten sowie zahlreichen Behördenerklärungen der Geheimdienste und polizeilichen Auswertungsberichten.
bb) Betreffend die dem Beschuldigten zur Last gelegten Tat ergibt sich der dringende Tatverdacht im Wesentlichen aus den Aussagen der in dem angefochtenen Haftbefehl genannten Zeugen, Feststellungen aus sozialen Netzwerken, einer im Rahmen eines anderweitigen Ermittlungsverfahrens sichergestellten Videodatei sowie einem Behördenzeugnis des Landesamtes für Verfassungsschutz Sachsen vom 10. Dezember 2014.
c) Damit hat sich der Beschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung strafbar gemacht (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 bis 3 StGB).
Deutsches Strafrecht ist anwendbar gemäß § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB (zum Strafanwendungsrecht s. im Einzelnen BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016 - AK 52/16, juris Rn. 33 ff.).
Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2, 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung liegt hinsichtlich des IS vor.
d) Der dringende Tatverdacht der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und damit idealkonkurrierend eines weiteren Falls der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 89a Abs. 1, 2 Nr. 1, Abs. 3, 4, § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 bis 3, § 52 StGB; vgl. zu den Konkurrenzen Senat, Beschlüsse vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308; vom 9. August 2016 - 3 StR 466/15, BGHR StGB § 89a Konkurrenzen 1), von dem der angefochtene Haftbefehl mit Blick darauf ausgeht, dass der Beschuldigte ein terroristisches Ausbildungslager durchlief, in dem er im Umgang mit Schusswaffen unterwiesen wurde, ist nach derzeitigem Ermittlungsstand indes nicht gegeben.
Den Straftatbestand des § 89a Abs. 1, 2 Nr. 1 StGB verwirklicht, wer sich im Umgang mit Schusswaffen unterweisen lässt und dadurch eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet. Die Vorbereitungshandlung muss dabei konkret auf eine Tat im Sinne des § 89a Abs. 1 Satz 2 StGB gerichtet sein; eine allgemeine Eignung hierfür reicht nicht aus (vgl. MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl., § 89a Rn. 32). Auch muss der Täter zu dieser Tat fest entschlossen sein (s. Senat, Urteil vom 8. Mai 2014 - 3 StR 243/13, BGHSt 59, 218 Rn. 45; MüKoStGB/Schäfer aaO, Rn. 58).
Zwar können Kampfhandlungen in Syrien, bei denen paramilitärische Organisationen wie der IS mit dem Ziel, den Staat Syrien in seiner jetzigen Gestalt zu zerschlagen und eine andere Staatsform zu errichten, gegen die Regierungstruppen kämpfen, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat im Sinne des § 89a Abs. 1 Satz 2 StGB darstellen (vgl. Senat, Beschluss vom 6. April 2017 - 3 StR 326/16, BGHSt 62, 102 Rn. 23), jedoch ergibt sich aus den bislang vorliegenden Beweismitteln nicht, dass die Ausbildung des Beschuldigten in einem terroristischen Trainingslager, die neben einer ideologischen Indoktrinierung auch eine Unterweisung im Gebrauch von Schusswaffen beinhaltete, konkret auf seine Teilnahme an Kampfhandlungen des IS gegen das staatliche syrische System oder die Verwirklichung einer anderen schweren staatsgefährdenden Gewalttat gerichtet war. Vielmehr spricht die weitere Entwicklung des Beschuldigten als Angehöriger des Geheimdienstes des IS eher gegen eine solche Zwecksetzung. Ebenso wenig bestehen genügende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte zu einer solchen - auch nur ansatzweise konkretisierten - Tat fest entschlossen war (s. auch BGH, Beschlüsse vom 6. April 2017 - 3 StR 326/16, BGHSt 62, 102 Rn. 12 ff., 17 ff.; vom 21. September 2017 - AK 43/17, juris Rn. 32). Auch der im angefochtenen Haftbefehl geschilderte Sachverhalt enthält keine Angaben hierzu.
e) Die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts und damit auch diejenige des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs sind gegeben (§ 142a Abs. 1 Satz 1, § 120 Abs. 1 Nr. 6 GVG, § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB).
f) Es bestehen die Haftgründe der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) und der Schwerkriminalität (§ 112 Abs. 3 StPO), indes nicht derjenige der Flucht (§ 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO). Im Einzelnen:
aa) Der Haftgrund der Flucht nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO liegt vor, wenn der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält.
Ein Beschuldigter ist flüchtig oder hält sich verborgen, wenn er sich von seinem bisherigen Lebensmittelpunkt absetzt oder seinen Aufenthalt den Behörden vorenthält, um sich zumindest auch dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden zu entziehen (BeckOK StPO/Krauß, § 112 Rn. 18, 21; SK-StPO/Paeffgen, 5. Aufl., § 112 Rn. 22a). Obgleich der Beschuldigte dabei nicht beabsichtigen muss, den behördlichen Zugriff zu vereiteln, es vielmehr grundsätzlich ausreicht, wenn er dies erkennt und in Kauf nimmt, setzt Flucht ein finales Handeln dergestalt voraus, dass das Ziel, sich der Strafverfolgung zu entziehen, für das Verhalten des Beschuldigten zumindest mitbestimmend sein muss (vgl. MüKoStPO/Böhme/Werner, § 112 Rn. 36, 39; BeckOK StPO/Krauß, § 112 Rn. 18, 19, 21). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist ungeachtet der Frage, ob Fluchtverhalten bereits vor Begehung der Tat vorliegen kann (bejahend z.B. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 112 Rn. 13; LR/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 112 Rn. 29; OLG Frankfurt, Beschluss vom 9. Juni 1974 - 1 Ws 98/74, NJW 1974, 1835; anders SK-StPO/Paeffgen, 5. Aufl., § 112 Rn. 22a; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8. August 1972 - 2 Ws 145/72, NJW 1972, 2098), ein solches zumindest dann nicht gegeben, wenn sich der Beschuldigte allein deshalb ins Ausland absetzt, um dort Straftaten zu begehen, die sodann erst Grundlage seiner Strafverfolgung in Deutschland sind.
So liegt der Fall hier, denn ausschließlicher Zweck der Ausreise des Beschuldigten nach Syrien war sein Wunsch, sich dem IS anzuschließen, nicht sich der Strafverfolgung durch die deutschen Behörden zu entziehen.
bb) Jedoch besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Der Beschuldigte hat im Falle seiner Verurteilung mit einer erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem davon ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthemmenden Umstände entgegen. Der Beschuldigte verfügt durch seinen Aufenthalt in Syrien über Kontakte ins Ausland, die ihm im Falle einer Flucht hilfreich sein könnten. Er ist überdies weiterhin dem IS angeschlossen und in seinem jihadistischen Weltbild verhaftet. Es ist nicht zu erwarten, dass sich im Falle einer Rückkehr nach Deutschland daran etwas ändern wird. Hiernach ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Beschuldigte dem Verfahren entziehen, höher, als dass er sich diesem stellen wird.
cc) Darüber hinaus besteht der Haftgrund der Schwerkriminalität gemäß § 112 Abs. 3 StPO. Der Beschuldigte ist einer Straftat nach § 129a Abs. 1, § 129b Abs. 1 StGB dringend verdächtig. Aus den vorstehend dargelegten Gründen kann nicht ausgeschlossen werden, dass ohne den Vollzug der Untersuchungshaft die alsbaldige Ahndung und Aufklärung der Tat gefährdet wäre (BGH, Beschluss vom 24. Januar 2019 - AK 57/18, juris Rn. 33 ff.).
dd) Unter den gegebenen Umständen ist nichts dafür ersichtlich, dass vor der Ergreifung des Beschuldigten der Zweck der Untersuchungshaft durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden könnte.
g) Die Aufhebung des Haftbefehls ist auch nicht wegen Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG angezeigt, weil der Generalbundesanwalt dem Verteidiger die Einsicht in die Ermittlungsakten und die Aushändigung des Haftbefehls verweigert hat und damit der Entscheidung über das Rechtsmittel Akteninhalt zu Grunde gelegt wird, den der Beschuldigte nicht kennt.
Wendet sich der Beschuldigte - wie hier - mit seiner Beschwerde gegen einen noch nicht vollstreckten Haftbefehl, kann die Entscheidung über das Rechtsmittel grundsätzlich auch ohne die vorherige Gewährung von Einsicht in die die Haftentscheidung tragenden Ermittlungsergebnisse ergehen. Denn dem Informationsinteresse des Beschuldigten wird in der Regel durch die ihm anlässlich seiner späteren Festnahme aus §§ 114a, 114b, 115 StPO zustehenden Rechte ausreichend Rechnung getragen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1997 - 2 BvR 1769/97, NStZ-RR 1998, 108). Im Einzelnen:
aa) Im Strafprozess ist ein "in camera"-Verfahren mit Art. 103 Abs. 1 GG unvereinbar. Im Ausgangspunkt folgt daraus, dass eine dem Betroffenen nachteilige Gerichtsentscheidung jedenfalls in der Beschwerdeinstanz nur auf der Grundlage solcher Tatsachen und Beweismittel getroffen werden kann, über die dieser zuvor sachgemäß unterrichtet worden ist und zu denen er sich hat äußern können. Dies gilt namentlich dann, wenn Eingriffsmaßnahmen im Ermittlungsverfahren ohne vorherige Anhörung des Betroffenen angeordnet worden sind. Denn die zunächst aus ermittlungstaktischen Gründen unterbliebene Gewährung von rechtlichem Gehör ist in diesen Fällen anlässlich der späteren gerichtlichen Überprüfung nachzuholen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19. Januar 2006 - 2 BvR 1075/05, NJW 2006, 1048; vom 4. Dezember 2006 - 2 BvR 1290/05, NStZ 2007, 274 Rn. 3 f.; vom 7. September 2007 - 2 BvR 1009/07, NStZ-RR 2008, 16, 17; vom 18. September 2018 - 2 BvR 754/18, NJW 2019, 41 Rn. 38).
Diese Grundsätze gelten uneingeschränkt für den laufenden Vollzug besonders belastender Eingriffsmaßnahmen wie insbesondere der Untersuchungshaft, aber auch des Arrests. Gegenüber dem mit dem Vollzug verbundenen erhöhten Grundrechtseingriff muss das öffentliche Interesse, weiter im Verborgenen zu ermitteln, vollständig zurücktreten. Verweigert die Staatsanwaltschaft, die nach § 147 Abs. 5 Satz 1 StPO im Ermittlungsverfahren für die Gewährung von Akteneinsicht ausschließlich zuständig ist, die Einsicht in die die Eingriffsmaßnahme tragenden Aktenteile, hat das Beschwerdegericht die Maßnahme daher aufzuheben (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 11. Juli 1994 - 2 BvR 777/94, NStZ 1994, 551; vom 27. Oktober 1997 - 2 BvR 1769/97, NStZ-RR 1998, 108 [Untersuchungshaft]; vom 19. Januar 2006 - 2 BvR 1075/05, NJW 2006, 1048 [Arrest]).
bb) Das bedeutet jedoch nicht, dass bei jeder Beschwerde des Beschuldigten gegen gleich welche ermittlungsrichterliche Anordnung dessen Informationsinteresse absoluten Vorrang vor dem aus dem rechtsstaatlichen Auftrag zur möglichst umfassenden Wahrheitsermittlung im Strafverfahren resultierenden Interesse der Verfolgungsbehörden hat, Ermittlungswissen weiterhin von ihm abzuschirmen. So sind bei bereits beendeten Maßnahmen wie einer vollzogenen Durchsuchung oder Telefonüberwachungsmaßnahme diese gegenläufigen Interessen miteinander in Ausgleich zu bringen. Das kann dadurch geschehen, dass die Beschwerdeentscheidung nicht ergeht, bevor die aus sachlichen Gründen zunächst verwehrte Akteneinsicht gewährt worden ist und der Beschwerdeführer sich hat äußern können (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 4. Dezember 2006 - 2 BvR 1290/05, NStZ 2007, 274 Rn. 11; vom 9. September 2013 - 2 BvR 533/13, NStZ-RR 2013, 379, 380 [Durchsuchung]; vom 7. September 2007 - 2 BvR 1009/07, NStZ-RR 2008, 16, 17 [Telekommunikationsüberwachung]).
cc) Auch im Fall eines noch nicht vollstreckten Haftbefehls hat eine Beschwerde des Beschuldigten grundsätzlich nicht schon allein deswegen Erfolg, weil die Staatsanwaltschaft Einsicht in die die Haftentscheidung tragenden Aktenteile verweigert hat. Es ist auch nicht veranlasst, die Beschwerdeentscheidung zurückzustellen, bis eine Akteneinsicht ohne die Gefährdung des Untersuchungszwecks möglich ist.
(1) Ein noch nicht vollstreckter Haftbefehl greift in weitaus geringerer Intensität als der laufende Vollzug der Maßnahme in die Grundrechte des Beschuldigten ein. Dem steht regelmäßig ein erhöhtes Interesse der Verfolgungsbehörden gegenüber, weiterhin Ermittlungsergebnisse von ihm abzuschirmen. Dieses Interesse muss auch in dieser Fallkonstellation nicht vollständig zurücktreten, sondern ist mit dem Informationsinteresse des Beschuldigten in einen angemessenen Ausgleich zu bringen, der in einem Aufschub der Akteneinsicht bis zu seiner Ergreifung bestehen kann.
Die Gefährdung des Untersuchungszwecks und damit auch das Interesse der Verfolgungsbehörden, dem Beschuldigten Ermittlungswissen vorzuenthalten, bestehen in der Regel bis zu dessen Festnahme in besonderem Maße. So hat die Kenntnis des Beschuldigten von dem Inhalt der Tatvorwürfe und der Intensität des Tatverdachts gewöhnlich Bedeutung für seine Entscheidung, sich dem Verfahren - weiter - zu entziehen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 30. Januar 2001 - 1 Ws 438/00, NStZ-RR 2001, 254; OLG München, Beschluss vom 27. August 2008 - 2 Ws 763/08, NStZ 2009, 109, 110; KG, Beschluss vom 6. Juli 2011 - 4 Ws 57/11, NStZ 2012, 588 Rn. 19 f.; anders Beulke/Witzigmann, NStZ 2011, 254, 258; Wohlers, StV 2009, 539, 540); die Information über die den Tatverdacht stützenden Beweismittel birgt naheliegend die Gefahr, der Beschuldigte werde auf diese vereitelnd einwirken.
Nach seiner Festnahme sieht die Strafprozessordnung hingegen umfangreiche Informations- und Äußerungsrechte des Beschuldigten vor, die seinem Informationsinteresse ausreichend Rechnung tragen. So ist ihm bei Verhaftung eine Abschrift des Haftbefehls auszuhändigen (§ 114a Satz 1 StPO); er ist nach § 114b Abs. 1 Satz 1 StPO überdies unverzüglich über seine Rechte aus § 114b Abs. 2 Satz 1 StPO zu belehren und auf das privilegierte Akteneinsichtsrecht seines Verteidigers aus § 147 Abs. 2 Satz 2 StPO hinzuweisen (§ 114b Abs. 2 Satz 2 StPO). Danach sind bei Vollzug von Untersuchungshaft oder Beantragung derselben im Fall der vorläufigen Festnahme dem Verteidiger die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung wesentlichen Informationen in geeigneter Weise ungeachtet einer etwaigen Gefährdung des Untersuchungserfolges zur Verfügung zu stellen. Dieses Akteneinsichtsrecht steht dem nicht verteidigten Beschuldigten unter den weiteren Voraussetzungen des § 147 Abs. 4 StPO selbst zu. Auch hierüber ist er nach seiner Festnahme zu belehren (§ 114b Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 StPO). Ferner ist der Beschuldigte anlässlich der richterlichen Vernehmung, die nach § 115 Abs. 1 StPO unverzüglich nach der Ergreifung desselben zu erfolgen hat, auf die ihn belastenden Umstände und sein Recht hinzuweisen, sich zur Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Auch ist ihm Gelegenheit zu geben, die Verdachts- und Haftgründe zu entkräften und die Tatsachen geltend zu machen, die zu seinen Gunsten sprechen. Diese Informationspflicht geht über die Mitteilung des Inhalts des Haftbefehls hinaus und umfasst auch das die Haft veranlassende Beweismaterial in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1997 - 2 BvR 1769/97, NStZ-RR 1998, 108, 109).
Gründe dafür, dem Beschuldigten im vorliegenden Fall ausnahmsweise bereits zum jetzigen Zeitpunkt ein Recht auf Akteneinsicht zu gewähren, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
(2) Die verweigerte Akteneinsicht steht einer sofortigen Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht entgegen. Anders als bei bereits vollzogenen Maßnahmen erleidet der Beschuldigte hierdurch keinen Rechtsnachteil; er gewinnt vielmehr einen Zuwachs an Rechtssicherheit. Denn mit seiner Festnahme ergeht eine weitere richterliche Entscheidung über die Haftfrage, gegen die ihm - nach Akteneinsicht - erneut der Beschwerdeweg offen steht.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 StPO. Angesichts des geringen Erfolgs der Beschwerde ist es nicht unbillig, den Beschuldigten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten.
Schäfer Wimmer Berg