Entscheidungsdatum: 15.11.2012
Lösungsklauseln in Verträgen über die fortlaufende Lieferung von Waren oder Energie, die an den Insolvenzantrag oder die Insolvenzeröffnung anknüpfen, sind unwirksam.
Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 27. Oktober 2011 und das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 8. Februar 2011 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin hatte am 17./20. Februar 2004 mit der A. GmbH (fortan: Schuldnerin) einen Vertrag über die Lieferung elektrischer Energie geschlossen. Der Vertrag sollte zunächst für ein Jahr bis zum 28. Februar 2005 laufen und sich jeweils um weitere zwölf Monate verlängern, wenn er nicht drei Monate vor Vertragsablauf schriftlich gekündigt wird. Ferner bestimmt Nr. 7 Abs. 3 des Vertrags: "Der Vertrag endet auch ohne Kündigung automatisch, wenn der Kunde einen Insolvenzantrag stellt oder aufgrund eines Gläubigerantrages das vorläufige Insolvenzverfahren eingeleitet oder eröffnet wird."
Nachdem der Beklagte am 16. Dezember 2004 zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin bestellt worden war, korrespondierte er mit der Klägerin wegen des Fortbestandes des Vertragsverhältnisses. Er wandte sich gegen die Auffassung der Klägerin, der bisherige Energielieferungsvertrag sei infolge der Insolvenz der Schuldnerin automatisch beendet worden, unterzeichnete aber gleichwohl einen neuen Vertrag mit Wirkung zum 1. Januar 2005 zu höheren Preisen. In seinem Begleitschreiben vom 31. Januar 2005 teilte der Beklagte mit, den neuen Vertrag nur unter dem Vorbehalt der Prüfung der Rechtslage anzunehmen.
Die Klägerin verlangte von dem Beklagten für Stromlieferungen im Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis 21. Juli 2006 über die nach dem alten Vertrag bereits geleisteten Zahlungen hinaus zunächst ein weiteres Entgelt von 42.064,86 €. Nach teilweiser Klagerücknahme begehrt er noch 38.957,38 € nebst Zinsen. Der Beklagte wendet gegen die Klageforderung die Unwirksamkeit der Lösungsklausel aus dem ersten Energielieferungsvertrag ein, der weiterhin Bestand habe und der Abrechnung der Stromlieferungen zugrunde zu legen sei.
Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Klageabweisung.
I.
Das Berufungsgericht hat wie schon das Landgericht gemeint, der mit der Schuldnerin geschlossene Energielieferungsvertrag sei nach der wirksamen Lösungsklausel gemäß Nr. 7 Abs. 3 des Vertrags spätestens zum 16. Dezember 2004 beendet worden. Die insolvenzabhängige Lösungsklausel verstoße nicht gegen § 119 InsO. Vielmehr spreche die Entstehungsgeschichte der Vorschrift für eine generelle Wirksamkeit von solchen Lösungsklauseln, weil der Gesetzgeber bewusst von einer anders lautenden Bestimmung im Gesetzentwurf Abstand genommen habe. Auch die Neufassung des § 16 Abs. 1 VVG zeige, dass der Gesetzgeber insolvenzabhängigen Lösungsklauseln nicht kritisch gegenüber stehe. Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO sei nicht berührt, weil der Insolvenzverwalter den Vertrag in seinem rechtlichen Bestand hinnehmen müsse. Die Lösungsklausel sei auch nicht nach § 307 Abs. 2 Nr. 1, § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 308 Nr. 3 BGB aF unwirksam, weil die Insolvenzantragstellung als sachlicher Grund der Vertragslösung ausdrücklich genannt werde und eine unangemessene Benachteiligung der Schuldnerin durch die Lösungsklausel nicht ersichtlich sei. Eine insolvenzrechtliche Anfechtbarkeit der Lösungsklausel sei nicht geltend gemacht worden. Daher sei der Zahlungsanspruch auf der Grundlage des unter Vorbehalt abgeschlossenen neuen Vertrages begründet.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der mit der Schuldnerin geschlossene Energielieferungsvertrag nicht infolge der Insolvenz der Schuldnerin aufgelöst worden. Die in dem Vertrag vereinbarte Lösungsklausel für den Insolvenzfall erweist sich vielmehr als unwirksam im Sinne von § 119 InsO, weil sie im Voraus das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO ausschließt.
a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass es sich bei der unter Nr. 7 Abs. 3 des Vertrags enthaltenen Klausel um eine insolvenzabhängige Lösungsklausel handelt. Eine solche liegt vor, wenn eine der Parteien für den Fall der Zahlungseinstellung, des Insolvenzantrages oder der Insolvenzeröffnung das Recht eingeräumt wird, sich vom Vertrag zu lösen (BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - IX ZR 51/02, BGHZ 155, 87, 95), oder wenn der Vertrag wie im Streitfall unter der auflösenden Bedingung des Eintritts dieser insolvenzbezogenen Umstände steht (vgl. Braun/Kroth, InsO, 5. Aufl., § 119 Rn. 9). Im Unterschied dazu knüpfen insolvenzunabhängige Lösungsklauseln an nicht insolvenzspezifische Umstände an, etwa an den Verzug oder an sonstige Vertragsverletzungen (MünchKomm-InsO/Huber, 2. Aufl., § 119 Rn. 18; HK-InsO/Marotzke, 6. Aufl., § 119 Rn. 2). Solche insolvenzunabhängigen Lösungsklauseln sind nicht auf das Ziel ausgerichtet, die Wahlmöglichkeiten des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO auszuhöhlen, so dass § 119 InsO - mit Ausnahme der Kündigungssperre des § 112 InsO - nicht berührt ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 2005 - IX ZR 162/04, WM 2006, 144, 147; MünchKomm-InsO/Huber, aaO Rn. 19; HK-InsO/Marotzke, aaO; HmbKomm-InsO/Ahrendt, 4. Aufl., § 119 Rn. 4).
b) Die Frage, ob vertraglich vereinbarte insolvenzabhängige Lösungsklauseln nach § 119 InsO unwirksam sind, ist höchstrichterlich bislang nicht geklärt. Unter der Geltung der Konkursordnung war umstritten, ob diese Klauseln mit dem zwingenden Charakter des § 17 KO vereinbar sind (vgl. etwa BGH, Urteil vom 26. September 1985 - VII ZR 19/85, BGHZ 96, 34, 36 ff; vom 11. November 1993 - IX ZR 257/92, BGHZ 124, 76, 79; dagegen Hess, KO, 6. Aufl., § 17 Rn. 1 aE; differenzierend Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl., § 17 Rn. 214). Nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung hat sich der Meinungsstreit fortgesetzt. Der Senat hat die Rechtsfrage bisher offen gelassen (vgl. BGH, Urteil vom 27. März 2003, aaO S. 95).
aa) Nach einer Auffassung (OLG München, ZInsO 2006, 1060, 1062; MünchKomm-InsO/Huber, aaO § 119 Rn. 28 ff; ders. in Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, 4. Aufl., § 35 Rn. 13; Flöther/Wehner in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, § 119 Rn. 2; FK-InsO/Wegener, 6. Aufl., § 119 Rn. 4 ff, 9, aber anders für Energielieferungsverträge Rn. 8; Zeuner in Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 119 Rn. 12; von Wilmowsky, ZIP 2007, 553, 554 ff), der sich die Vorinstanzen angeschlossen haben, steht § 119 InsO einer insolvenzbedingten Lösungsklausel grundsätzlich nicht entgegen. Lösungsklauseln würden von § 119 InsO nicht erfasst, weil diese Klauseln den Bestand des Vertrages betreffen, nicht aber dessen Abwicklung im Sinne der Bestimmungen der §§ 103 bis 118 InsO (Huber in Gottwald, aaO). Für die Wirksamkeit von insolvenzabhängigen Lösungsklauseln spreche zudem die Entstehungsgeschichte. Der Rechtsausschuss des Bundestages habe geglaubt, die Wirksamkeit von insolvenzbedingten Lösungsklauseln festzuschreiben, als er die in § 137 Abs. 2 RegE vorgesehene Regelung gestrichen habe (BT-Drucks. 12/7302, S. 170). Entsprechende Klauseln für unwirksam zu erachten, wie dies zunächst ausdrücklich vorgesehen war, hätte eine sanierungsfeindliche Wirkung und Nachteile im internationalen Geschäftsverkehr haben können (vgl. BT-Drucks., aaO). Zudem hätte es nicht der Anordnung einer Kündigungssperre nach § 112 InsO für spezielle Vertragstypen bedurft, wenn solche Lösungsklauseln bereits nach § 119 InsO unwirksam wären (MünchKomm-InsO/Huber, aaO; Zeuner in Leonhardt/Smid/Zeuner, aaO; von Wilmowsky, aaO S. 554).
bb) Die Gegenauffassung (OLG Düsseldorf, ZInsO 2007, 152, 154; Tintelnot in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 1998, § 119 Rn. 16 ff; HK-InsO/Marotzke, aaO § 119 Rn. 4; Braun/Kroth, aaO, § 119 Rn. 11 f; Nerlich/Römermann/Balthasar, InsO, 1999, § 119 Rn. 11, 15; BK-InsO/Goetsch, § 119 Rn. 5 ff; Homann in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 8. Aufl., § 7 Rn. 133 ff; Graf-Schlicker/Breitenbücher, InsO, 3. Aufl., § 103 Rn. 11; Schwörer, Lösungsklauseln für den Insolvenzfall, Rn. 269 ff, 298 f, 317, 429; Gerhardt, AcP 2000, 426, 443; Pape in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl., S. 531 Rn. 60 ff; Berger in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., S. 325 Rn. 28; Abel, NZI 2003, 121, 128; Dahl, NJW-Spezial 2008, 373 f) hält insolvenzabhängige Lösungsklauseln jedenfalls dann für unwirksam, wenn sie nicht einer spezialgesetzlich vorgesehenen Lösungsmöglichkeit entsprechen. Die Vorstellung des Gesetzgebers bei der Streichung des § 137 Abs. 2 RegE habe keinen Ausdruck im Gesetz gefunden (Tintelnot in Kübler/Prütting/Bork, aaO Rn. 15; Berger, aaO Rn. 18; Gerhardt, aaO S. 441; Dahl, aaO S. 374). Wären entsprechende Lösungsklauseln wirksam, könnte der Vertragspartner schon im Vorfeld das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO vereiteln (HK-InsO/Marotzke, aaO). Gerade die Zulässigkeit von vertraglichen Lösungsklauseln könne eine sanierungsfeindliche Wirkung haben, wenn massegünstige Verträge dem Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwalters entzogen würden oder konkurrierende Unternehmen den Markt zu günstigeren Konditionen übernehmen wollten (Braun/Kroth, aaO § 119 Rn. 10).
cc) Eine insolvenzabhängige Lösungsklausel ist bei Verträgen über die fortlaufende Lieferung von Waren oder Energie nach § 119 InsO unwirksam, wenn sie im Voraus die Anwendung des § 103 InsO ausschließt. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Vereinbarung einer gesetzlich vorgesehenen Lösungsmöglichkeit entspricht (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 2006 - IX ZR 194/05, BGHZ 170, 206 Rn. 11). Die vom Rechtsausschuss des Bundestages befürwortete Zulässigkeit vertraglicher Lösungsklauseln (BT-Drucks. 12/7302, S. 170 zu § 137 RegE) hat im Gesetzeswortlaut keinen Ausdruck gefunden und widerspricht den Zielsetzungen des § 103 InsO. Der Zweck des Erfüllungswahlrechts ist es, die Masse zu schützen und im Interesse einer gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung zu mehren (Uhlenbruck/Wegener, InsO, 13. Aufl., § 103 Rn. 1 ff; zu § 17 KO vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 1988 - IX ZR 50/88, BGHZ 106, 236, 244). Dieser Zweck könnte vereitelt werden, wenn sich der Vertragspartner des Schuldners allein wegen der Insolvenz von einem für die Masse günstigen Vertrag lösen und damit das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO unterlaufen kann (HK-InsO/Marotzke, aaO § 119 Rn. 4; Dahl, NJW-Spezial, 2008, 373, 374).
Ist das Schuldverhältnis auf eine fortlaufende Lieferung von Waren oder - wie hier - Energie gerichtet, zeigt sich, dass eine einseitige Lösungsmöglichkeit durch den Gläubiger nicht die im Gesetzgebungsverfahren befürchtete sanierungsfeindliche Wirkung hat. Häufig wird das Gegenteil der Fall sein, weil die Unwirksamkeit der Lösungsklausel den Gläubiger regelmäßig daran hindert, einen zu günstigen Bedingungen abgeschlossenen und für die Betriebsfortführung wesentlichen Vertrag kurzfristig einseitig zu beenden. Derartige Nachteile bei der Betriebsfortführung wollte der Gesetzgeber gerade vermeiden, wie sich aus der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 119 (jetzt § 105 InsO, BT-Drucks. 12/2443 S. 146) entnehmen lässt. Danach soll § 105 InsO dem Verwalter ermöglichen, Verträge über die fortlaufende Lieferung von Waren oder Energie im Insolvenzverfahren zu den gleichen Bedingungen fortzusetzen. Die Fortführung eines Unternehmens sollte in dieser Weise erleichtert werden. Hierdurch wird der Vertragspartner, der seine Rückstände nur als Insolvenzforderungen geltend machen kann, im Vergleich zu anderen Gläubigern nicht unzumutbar belastet, weil er bei einer Erfüllungswahl des Insolvenzverwalters nach Eröffnung die vereinbarte Gegenleistung aus der Masse erhält (vgl. BT-Drucks., aaO; ebenso Gerhardt, aaO S. 443). Dieser Regelungsabsicht bei Einführung des § 105 InsO widerspräche es, wenn ein massegünstiger Vertrag dem Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwalters durch eine vertragliche Lösungsklausel entzogen werden könnte.
Gegen die Unwirksamkeit von vertraglichen Lösungsklauseln nach § 119 InsO kann nicht eingewandt werden, dass es dann keiner mietvertraglichen Kündigungssperre nach § 112 InsO bedurft hätte (so aber MünchKomm-InsO/Huber, aaO § 119 Rn. 31). Diese Vorschrift war als § 126 bereits in dem Entwurf der Bundesregierung enthalten, der insolvenzbedingte Lösungsklauseln in § 137 Abs. 2 ausdrücklich für unwirksam erklärte. Die Kündigungssperre für spezielle Vertragstypen sollte die Unwirksamkeit der allgemeinen Lösungsklauseln für die Zeit vor Verfahrenseröffnung ergänzen (vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 264). Die Existenz des § 112 InsO spricht somit nicht dafür, dass der Vorschrift des § 119 InsO ein Ausnahmecharakter zukommt (vgl. Schwörer, aaO Rn. 370 ff).
In der hier vertretenen Auffassung liegt keine Abweichung vom Urteil des IV. Zivilsenats vom 26. November 2003 (IV ZR 6/03, NZI 2004, 144; vgl. MünchKomm-InsO/Huber, aaO § 119 Rn. 34), in welchem der Fall einer versicherungsvertraglich vereinbarten Kündigungsklausel behandelt wurde. Die damals streitgegenständliche Klausel entsprach in ihrem Regelungsgehalt der gesetzlichen Sonderregelung in § 14 Abs. 1 VVG aF (BGH, Urteil vom 26. November 2003, aaO S. 145 f). Vorliegend besteht demgegenüber keine der Klausel entsprechende gesetzliche Lösungsmöglichkeit. Im Übrigen ist die früher in § 14 Abs. 1 VVG aF vorgesehene Kündigungsmöglichkeit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 ersatzlos entfallen (vgl. Prölss in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., Anhang zu § 16 Rn. 1).
c) Der Anwendbarkeit des § 119 InsO steht nicht entgegen, dass die streitgegenständliche Klausel die Vertragsauflösung bereits für den Fall eines Eigenantrags oder eines zulässigen Gläubigerantrags vorsieht.
aa) Zu Unrecht wird vertreten, dass § 119 InsO bei vor der Verfahrenseröffnung liegenden Anknüpfungsumständen nicht eingreife, weil die Norm die Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraussetze (MünchKomm-InsO/Huber, aaO Rn. 22; Huber in Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, 4. Aufl., § 35 Rn. 12; Homann in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 8. Aufl., § 7 Rn. 136; Stengel, Energielieferungsverträge in der Kundeninsolvenz, 2010, S. 155 f). Die Stellung der Norm in dem mit "Wirkungen der Verfahrenseröffnung" überschriebenen Dritten Teil der Insolvenzordnung trägt diese Annahme nicht. Dieser Teil der Insolvenzordnung enthält auch in § 112 InsO eine Regelung, die bereits im Eröffnungsverfahren Anwendung findet, um das allgemeine insolvenzrechtliche Ziel einer möglichen Betriebsfortführung zu sichern (Schwörer, aaO Rn. 412). Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO könnte leicht unterlaufen werden, wenn sich der Vertragspartner des Schuldners ein Kündigungsrecht oder eine automatische Vertragsauflösung für den Fall ausbedingen könnte, dass ein Insolvenzantrag gestellt oder ein Insolvenzeröffnungsverfahren eingeleitet wird.
bb) Soll die Vorschrift des § 119 InsO in der Praxis nicht leer laufen, muss ihr eine Vorwirkung jedenfalls ab dem Zeitpunkt zuerkannt werden, in dem wegen eines zulässigen Insolvenzantrags mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ernsthaft zu rechnen ist. Jedes Insolvenzverfahren setzt einen schriftlichen Eröffnungsantrag nach § 13 Abs. 1 Satz 1 InsO zwingend voraus. Könnte eine Lösungsklausel wirksam an den Eröffnungsantrag anknüpfen, würde in der Praxis die Eröffnung des Insolvenzverfahrens selbst als Anknüpfung für nur dann als unwirksam anzusehende Lösungsklauseln jede Bedeutung verlieren. Der von § 119 beabsichtigte Masseschutz könnte ohne weiteres ausgeschlossen und der Zweck der Vorschrift unterlaufen werden.
Wie sich auch aus § 21 Abs. 1 InsO ergibt, sollen nach einem zulässigen Insolvenzantrag nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners verhindert werden. Zu diesem Zweck kann das Insolvenzgericht vorläufige Maßnahmen zum Schutz der späteren Masse anordnen.
Der einem Insolvenzverfahren zwingend vorausgehende Antrag auf Eröffnung unterscheidet sich auch maßgeblich von anderen, einem Insolvenzverfahren vorgelagerten Ereignissen, etwa dem Zeitpunkt einer Vermögensverschlechterung des Schuldners (vgl. HK-InsO/Marotzke, aaO Rn. 8; Zeuner in Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 119 Rn. 6; Braun/Kroth, aaO Rn. 5). Aus § 21 Abs. 1 InsO lässt sich ebenso wie aus § 112 InsO ableiten, dass die Vermögenslage des Schuldners ab Beginn des Eröffnungsverfahrens gesichert werden soll, auch um eine mögliche Betriebsfortführung nicht zu erschweren (vgl. Schwörer, aaO Rn. 421, 425 ff). Dieser Schutz vor nachteiligen Veränderungen wäre unzureichend, wenn er nicht durch eine Vorwirkung des § 119 InsO im Hinblick auf die genannten insolvenzbedingten Lösungsklauseln ergänzt würde.
2. Aufgrund der Unwirksamkeit der insolvenzbedingten Lösungsklausel ist der ursprüngliche Energielieferungsvertrag nicht mit der Insolvenzantragstellung oder Einleitung des Eröffnungsverfahrens beendet worden, sondern hatte weiterhin Bestand. Das Vertragsverhältnis wurde auch nicht durch die schriftliche Kündigung der Klägerin beendet. Durch das erst am 6. Dezember 2004 zugegangene Kündigungsschreiben wurde die nach Nr. 7 Abs. 2 des Vertrages vorgesehene dreimonatige Kündigungsfrist zum Ende der Vertragslaufzeit am 28. Februar 2005 nicht eingehalten. Nach Nr. 7 Abs. 2 des Belieferungsvertrages verlängerte sich die Vertragslaufzeit damit zunächst um 12 Monate. Die erklärte Kündigung kann auch nicht als Kündigung zum nächst zulässigen Kündigungstermin ausgelegt werden (vgl. zum Versicherungsrecht MünchKomm-VVG/Fausten, § 11 Rn. 138 ff; zu Miet- und Pachtverhältnissen MünchKomm-BGB/Häublein, 6. Aufl., § 573c Rn. 14; Staudinger-BGB/Roth, 2003, § 140 Rn. 46 jeweils mwN). Der ausdrücklich auf die geänderte Preisentwicklung auf dem Strommarkt gestützten Kündigungserklärung ist nicht mit hinreichender Sicherheit der Wille zu entnehmen, dass die Kündigung gegebenenfalls auch nach Ablauf einer weiteren einjährigen Vertragslaufzeit gelten soll. Die Erklärung konnte auch so verstanden werden, dass die Klägerin bei Kenntnis der Unwirksamkeit der Kündigung die weitere Preisentwicklung auf dem Strommarkt hätte abwarten wollen, um zum Ende der bis Ende Februar 2006 verlängerten Vertragsperiode neu entscheiden zu können, ob das Vertragsverhältnis zu den alten Bedingungen fortgesetzt oder wirksam gekündigt werden soll.
3. Auf der Grundlage des ursprünglichen Energielieferungsvertrages sind die Forderungen der Klägerin nach den Feststellungen der Vorinstanzen im streitgegenständlichen Zeitraum erfüllt. Da der ursprüngliche Vertrag fortgilt, kann die Klägerin keine weitergehenden Zahlungsansprüche aus dem im Neuvertrag vereinbarten höheren Strompreis herleiten. Den neuen Energielieferungsvertrag hatte der Beklagte nur unter der Bedingung der erfolgten Auflösung des ursprünglichen Vertrags abgeschlossen; hiermit hatte sich die Klägerin durch Fortsetzung der Lieferung einverstanden erklärt.
III.
Die angefochtenen Urteile können damit keinen Bestand haben und sind aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung der Urteile nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden. Dies führt zur Abweisung der Klage.
Kayser Raebel Vill
Lohmann Pape