Entscheidungsdatum: 22.11.2018
1. Der Schuldner begründet im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren auch außerhalb des Schutzschirmverfahrens nach § 270b InsO nur insoweit Masseverbindlichkeiten, als er vom Insolvenzgericht hierzu ermächtigt worden ist.
2. Im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren ist die Bestimmung des § 55 Abs. 4 InsO nicht entsprechend anwendbar.
Die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 22. Juni 2016 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Die L. A. GmbH (fortan: Schuldnerin) beantragte am 21. Januar 2014 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen unter Anordnung der Eigenverwaltung. Das Insolvenzgericht bestellte mit Beschluss vom selben Tag den Kläger zum vorläufigen Sachwalter. Mit Schreiben des Klägers vom 24. Januar 2014 wurde das beklagte Land hiervon informiert. Die Schuldnerin führte ihren Betrieb im Eröffnungsverfahren fort und zahlte an das Finanzamt zwischen dem 7. März 2014 und dem 26. März 2014 insgesamt 85.843,64 € Umsatzsteuer für die Monate Januar und Februar 2014 und am 26. März 2014 541,20 € Lohnsteuer für den Monat März 2014. Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 1. April 2014 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet, Eigenverwaltung angeordnet und der Kläger zum Sachwalter bestellt. Mit Schreiben vom 14. April 2014 forderte der Kläger das Finanzamt zur Erstattung der Zahlungen im Gesamtbetrag von 86.384,84 € auf mit der Begründung, sie seien nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO anfechtbar. Das Finanzamt lehnte die Erstattung ab.
Das Landgericht hat die auf Rückzahlung von 86.384,84 € nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts.
Die Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat richtig entschieden.
I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil unter anderem in ZIP 2016, 1741 abgedruckt ist, hat ausgeführt, der Beklagte sei zur Rückgewähr der erhaltenen Zahlungen nach § 143 Abs. 1, § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO verpflichtet. Im Streit sei lediglich, ob die Zahlungen auf Masseverbindlichkeiten erfolgt und deshalb der Anfechtung entzogen seien. Dies sei nicht der Fall. Die Vorschrift des § 55 Abs. 4 InsO könne entgegen der Ansicht des Landgerichts (ZIP 2015, 2181) im Verfahren der vorläufigen Eigenverwaltung mangels einer planwidrigen Regelungslücke nicht entsprechend angewandt werden. Eine analoge Anwendung widerspräche auch der gesetzlichen Regelungssystematik, die nur für das Schutzschirmverfahren in § 270b Abs. 3 InsO eine Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten vorsehe. Eine solche Ermächtigung sei nicht erteilt worden. Ohne Ermächtigung könne der Schuldner nur Insolvenzforderungen und keine Masseverbindlichkeiten begründen.
II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO mit Recht bejaht.
1. Die Schuldnerin gewährte mit den angefochtenen Zahlungen dem Beklagten eine Befriedigung, nachdem bereits die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt war. Der Beklagte hatte aufgrund der ihm vom Kläger erteilten Information Kenntnis vom Eröffnungsantrag.
2. Der Beklagte wäre mit den befriedigten Forderungen auch, wie von § 130 Abs. 1 Satz 1 InsO vorausgesetzt, bei Verfahrenseröffnung Insolvenzgläubiger und nicht Massegläubiger gewesen, weshalb die Zahlungen die übrigen Gläubiger benachteiligten (§ 129 Abs. 1 InsO).
a) Persönliche Gläubiger, die wie der Beklagte einen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben, sind grundsätzlich Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO). In der Rechtsprechung der Instanzgerichte und im Schrifttum ist allerdings umstritten, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Verbindlichkeiten, die im Verfahren der vorläufigen Eigenverwaltung nach § 270a InsO vom Schuldner oder von einem vorläufigen Sachwalter begründet werden, Masseverbindlichkeiten sind, die aus der Insolvenzmasse vorweg zu berichtigen sind (beispielhaft und jeweils mit weiteren Nachweisen: Uhlenbruck/Zipperer, InsO, 15. Aufl., § 270a Rn. 16 ff; Graf-Schlicker, InsO, 4. Aufl., § 270a Rn. 14 ff; HK-InsO/Brünkmans, 9. Aufl., § 270a Rn. 28 ff; HK-InsO/Lohmann, aaO § 55 Rn. 32; Schmidt/Undritz, InsO, 19. Aufl., § 270a Rn. 6; HmbKomm-InsO/Fiebig, 6. Aufl., § 270a Rn. 34 ff; FK-InsO/Foltis, 9. Aufl., § 270a Rn. 25 f; Ringstmeier in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 3. Aufl., § 270a Rn. 8). Der Bundesgerichtshof hat die Frage bisher nicht entschieden (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2013 - IX ZB 43/12, WM 2013, 518; vom 24. März 2016 - IX ZR 157/14, WM 2016, 805 Rn. 4, 6; Urteil vom 16. Juni 2016 - IX ZR 114/15, BGHZ 210, 372 Rn. 32). Vorzugswürdig ist die Auffassung, dass auf diese Weise begründete Verbindlichkeiten ebenso wie Verbindlichkeiten, die im Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO begründet worden sind (BGH, Beschluss vom 24. März 2016, aaO), nur dann Masseverbindlichkeiten sind, wenn sie auf der Grundlage einer vom Insolvenzgericht erteilten Ermächtigung begründet wurden. Eine solche Ermächtigung war der Schuldnerin nicht erteilt.
aa) Die mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) vom 7. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2582) in die Insolvenzordnung eingefügten Bestimmungen der §§ 270a, 270b verfolgen das Ziel, dem Schuldner den Zugang zum Verfahren der Eigenverwaltung nach § 270 InsO zu erleichtern und dadurch die Sanierungschancen zu verbessern. Durch den Verzicht auf ein allgemeines Verfügungsverbot und auf die Bestellung eines mitbestimmenden vorläufigen Insolvenzverwalters soll vermieden werden, dass der Schuldner im Eröffnungsverfahren die Kontrolle über sein Unternehmen verliert und das Vertrauen der Geschäftspartner in die Geschäftsleitung des Schuldners und deren Sanierungskonzept zerstört wird (BT-Drucks. 17/5712, S. 2, 39). Für Schuldner, die noch nicht zahlungsunfähig sind, stellt § 270b InsO mit dem so genannten Schutzschirmverfahren ein eigenständiges Verfahren zur Vorbereitung einer Sanierung zur Verfügung, in dem für einen begrenzten Zeitraum das Vermögen des Schuldners dem unbegrenzten Zugriff seiner Gläubiger entzogen ist (BT-Drucks. 17/5712, S. 40). Eine Sanierung setzt regelmäßig voraus, dass das Unternehmen des Schuldners im Eröffnungsverfahren fortgeführt wird. Dies wird oft nur möglich sein, wenn zugunsten bestimmter Geschäftspartner Masseverbindlichkeiten begründet werden können. Warenlieferanten etwa werden sich schwerlich auf eine Lieferverpflichtung einlassen, wenn sie befürchten müssen, ihre Forderungen nur als Insolvenzforderungen geltend machen zu können. Insofern unterscheidet sich das Verfahren der vorläufigen Eigenverwaltung nicht von einem sonstigen Eröffnungsverfahren. Andererseits kann eine übermäßige Begründung von Masseverbindlichkeiten zur Auszehrung der künftigen Insolvenzmasse führen, was die vollständige Befriedigung der Massegläubiger gefährden und damit letztlich die weitere Betriebsfortführung und Sanierung beeinträchtigen kann.
bb) Vor diesem Hintergrund ist die Ansicht, der Schuldner begründe im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren stets Masseverbindlichkeiten, abzulehnen. Eine solche Rechtsmacht folgt nicht aus § 270 Abs. 1 Satz 2, § 55 Abs. 2 InsO. Nach der zuletzt genannten Norm gelten Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Auf Rechtshandlungen des Schuldners im Verfahren der vorläufigen Eigenverwaltung kann diese Norm nicht analog angewandt werden.
Die Rechtsstellung des Schuldners entspricht nicht derjenigen eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters gemäß § 22 Abs. 1 InsO. Ordnet das Insolvenzgericht mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eigenverwaltung an, erlangt der Schuldner das Recht, die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie gleichsam als Amtswalter in eigenen Angelegenheiten zu verfügen (§ 270 Abs. 1 Satz 1 InsO; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, 15. Aufl., § 270 Rn. 12; MünchKomm-InsO/Tetzlaff, 3. Aufl., § 270 Rn. 149; Graf-Schlicker, InsO, 4. Aufl., § 270a Rn. 13; HK-InsO/Lohmann, 9. Aufl., § 55 Rn. 32). Anders verhält es sich im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren. In diesem Verfahrensabschnitt steht dem Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen aus eigenem Recht zu, soweit das Insolvenzgericht keine beschränkenden Anordnungen erlässt. Insolvenzspezifische Befugnisse sind dem Schuldner - anders als einem starken vorläufigen Insolvenzverwalter - im Eröffnungsverfahren nicht zugewiesen (vgl. Graf-Schlicker, aaO). Soweit nach § 270a Abs. 1 Satz 2 InsO ein bestellter vorläufiger Sachwalter dem späteren Sachwalter gleichgestellt ist, lässt sich daraus nicht ableiten, dass auch die Rechtsstellung des Schuldners im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren derjenigen im eröffneten Verfahren entspricht.
Gegen die Auffassung, vom Schuldner im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren begründete Verbindlichkeiten seien analog § 55 Abs. 2 InsO stets Masseverbindlichkeiten, spricht in systematischer Hinsicht auch die gesetzliche Regelung in § 270b Abs. 3 InsO. Danach hat das Gericht im Schutzschirmverfahren auf Antrag des Schuldners anzuordnen, dass der Schuldner Masseverbindlichkeiten begründet; § 55 Abs. 2 InsO gilt entsprechend. Im ursprünglichen Entwurf des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) war diese Regelung noch nicht enthalten. Sie wurde erst auf Vorschlag des Rechtsausschusses eingefügt (BT-Drucks. 17/7511, S. 20). Zur Begründung wurde ausgeführt, unter den Voraussetzungen eines Verfahrens nach § 270b InsO, wenn also beim Schuldner noch keine Zahlungsunfähigkeit vorliege, sei es geboten und gerechtfertigt, den Beteiligten einen weiten Rechtsrahmen zu eröffnen und die Verfügungsbefugnis des Schuldners so auszugestalten, wie sie im Interesse einer Sanierung am sinnvollsten sei. Dem Schuldner solle die Möglichkeit eröffnet werden, über eine Anordnung des Gerichts gewissermaßen in die Rechtsstellung eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters einzurücken (BT-Drucks. 17/7511, S. 37). Die Regelung in § 270b Abs. 3 InsO stellt sich danach als eine von einer gerichtlichen Anordnung abhängige Privilegierung des Schuldners im Schutzschirmverfahren gegenüber dem Schuldner im eigenverwalteten Eröffnungsverfahren nach § 270a InsO dar. Ihr liegt ersichtlich die Annahme zugrunde, dass ein Schuldner im Verfahren nach § 270a InsO nicht wie ein starker vorläufiger Insolvenzverwalter nach § 55 Abs. 2 InsO auch ohne Anordnung des Gerichts Masseverbindlichkeiten begründen kann. Könnte der Schuldner im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren stets und nicht wie im Schutzschirmverfahren nur aufgrund besonderer Anordnung des Gerichts Masseverbindlichkeiten begründen, stünde dies auch im Widerspruch zu der Tatsache, dass die Befriedigung von Masseverbindlichkeiten in der Regel mehr gefährdet ist, wenn die Voraussetzungen eines Schutzschirmverfahrens nach § 270b InsO nicht vorliegen, weil der Schuldner entweder bereits zahlungsunfähig ist oder die Aussichten der angestrebte Sanierung noch nicht beurteilt werden können. Auch deshalb kann der Schuldner im Verfahren nach § 270a InsO keine umfassendere Rechtsmacht haben als im Verfahren nach § 270b InsO.
Entgegen der Ansicht der Revision kann auch eine von Gesetzes wegen bestehende Rechtsmacht des Schuldners, im eigenverwalteten Eröffnungsverfahren Masseverbindlichkeiten nach Maßgabe von § 270a Abs. 1 Satz 2, § 275 InsO zu begründen, nicht angenommen werden (so aber etwa FK-InsO/Foltis, 9. Aufl., § 270a Rn. 25 mwN). Keine Masseverbindlichkeiten wären dann nur Verbindlichkeiten, die vom Schuldner außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs ohne Zustimmung des vorläufigen Sachwalters oder gegen dessen Widerspruch begründet wurden. Die dargelegten Gründe schließen auch eine dergestalt begrenzte Rechtsmacht des Schuldners aus.
cc) Dem praktischen Bedürfnis, dem Schuldner im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren die Begründung von Masseverbindlichkeiten im erforderlichen Umfang zu ermöglichen, kann dadurch Rechnung getragen werden, dass das Insolvenzgericht die notwendigen Ermächtigungen anordnet.
Für das nicht auf eine Eigenverwaltung zielende Eröffnungsverfahren ist anerkannt, dass ein vorläufiger Insolvenzverwalter auch dann, wenn dem Schuldner kein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt worden ist, die Verfügungsbefugnis deshalb nicht auf den vorläufigen Verwalter übergegangen ist (§ 22 Abs. 2 InsO) und dieser deshalb von der Regelung in § 55 Abs. 2 InsO nicht erfasst wird, Masseverbindlichkeiten begründen kann, wenn er vom Insolvenzgericht hierzu ermächtigt ist. Die Ermächtigung darf die Begründung von Masseverbindlichkeiten nicht in das Ermessen des vorläufigen Insolvenzverwalters stellen, sondern muss sich auf im Voraus - einzeln oder der Art nach - genau festgelegte Verpflichtungen zu Lasten der späteren Insolvenzmasse beziehen. Die auf diese Weise eingeräumten Befugnisse können bis zur Grenze der Rechtsmacht eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters gemäß § 22 Abs. 1 InsO ausgedehnt werden (BGH, Urteil vom 18. Juli 2002 - IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353, 365 ff). Rechtsgrundlage einer solchen Ermächtigung ist § 22 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 21 Abs. 1 Satz 1 InsO.
In entsprechender Weise kann das Insolvenzgericht den Schuldner im eigenverwalteten Eröffnungsverfahren ermächtigen, Masseverbindlichkeiten zu begründen (Graf-Schlicker, InsO, 4. Aufl., § 270a Rn. 14 ff; Schmidt/Undritz, InsO, 19. Aufl., § 270a Rn. 6; HK-InsO/Brünkmans, 9. Aufl., § 270a Rn. 28 ff; HmbKomm-InsO/Fiebig, 6. Aufl., § 270a Rn. 34; jeweils mwN). Auch für das auf ein Eigenverwaltungsverfahren gerichtete Eröffnungsverfahren des § 270a InsO gelten nach § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO die allgemeinen Vorschriften, soweit in den §§ 270 ff InsO nichts anderes bestimmt ist. Zu den allgemeinen Vorschriften gehört § 21 Abs. 1 Satz 1 InsO. Das Insolvenzgericht hat daher auch hier die Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten. Dazu kann auch die Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten im Zuge der Fortführung des Unternehmens und der angestrebten Sanierung gehören (Graf-Schlicker, aaO Rn. 16). Die Regelung in § 270b Abs. 3 InsO, die für das Schutzschirmverfahren eine Pflicht des Gerichts zu einer entsprechenden Anordnung auf Antrag des Schuldners vorsieht, stellt keine anderweitige Bestimmung im Sinne des § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO dar, die in Verfahren nach § 270a InsO der Anwendung der allgemeinen Vorschriften und damit einer im Ermessen des Gerichts stehenden Ermächtigung entgegenstünde.
Die Ermächtigung ist an den Schuldner zu richten, dem weiterhin die Befugnis zusteht, sein Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen (vgl. Uhlenbruck/Zipperer, InsO, 15. Aufl., § 270a Rn. 19; Graf-Schlicker, aaO Rn. 19; Pape in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2012, § 270a Rn. 19 f). Sie kann - wie in einem nicht auf eine Eigenverwaltung zielenden Eröffnungsverfahren - einzelne, zumindest der Art nach bestimmt bezeichnete Verpflichtungen zu Lasten der späteren Masse zum Gegenstand haben. Ob darüber hinaus - wie in einem Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 2016 - IX ZR 114/15, BGHZ 210, 372 Rn. 18 ff) - auch eine globale Ermächtigung zulässig ist, die nicht auf bestimmte Geschäfte beschränkt ist und wie bei einem starken vorläufigen Verwalter zur Begründung von Masseverbindlichkeiten nach Maßgabe des § 55 Abs. 2 InsO führt, muss der Senat hier nicht entscheiden.
b) Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die von der Schuldnerin bezahlten Steuerforderungen des Beklagten auch nicht gemäß § 55 Abs. 4 InsO als Masseverbindlichkeiten behandelt werden können.
aa) Nach dieser Norm gelten Verbindlichkeiten des Schuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Die Voraussetzungen der Bestimmung liegen im Streitfall nicht vor, weil kein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt war.
bb) Auch eine analoge Anwendung des § 55 Abs. 4 InsO scheidet aus. Eine Analogie ist zulässig und geboten, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (BGH, Urteil vom 26. April 2018 - IX ZR 238/17, WM 2018, 962 Rn. 14 mwN). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor (vgl. Schmidt/Thole, InsO, 19. Aufl., § 55 Rn. 47; HmbKomm-InsO/Fiebig, 6. Aufl., § 270a Rn. 37; HK-InsO/Brünkmans, 9. Aufl., § 270a Rn. 35 mwN).
(1) Es fehlt bereits an einer planwidrigen Unvollständigkeit der gesetzlichen Regelung. Zwar enthielt die Insolvenzordnung noch keine Vorschriften über das vorläufige Eigenverwaltungsverfahren, als mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2011 vom 9. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1885) die Bestimmung des § 55 Abs. 4 InsO geschaffen wurde. Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens zum Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen schlug der Bundesrat aber im Blick auf die vorgesehenen neuen Regelungen in den §§ 270a, 270b InsO vor, die Vorschrift des § 55 Abs. 4 InsO zu ergänzen und die dort vorgesehene Rechtsfolge auch auf Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis zu erstrecken, die während eines Eröffnungsverfahrens nach § 270a InsO begründet worden sind, sei es durch den Schuldner allein, durch den Schuldner mit Zustimmung des vorläufigen Sachwalters oder durch den vorläufigen Sachwalter (BT-Drucks. 17/5712, S. 52). Die Bundesregierung sprach sich in ihrer Gegenäußerung jedoch gegen die vorgeschlagene Ergänzung aus (BT-Drucks. 17/5712, S. 67 f). Dies zeigt, dass erwogen wurde, Steuerverbindlichkeiten, die im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren begründet werden, in den Regelungsbereich des § 55 Abs. 4 InsO einzubeziehen, auf eine Erweiterung der bestehenden Regelung aber letztlich bewusst verzichtet wurde. Hierfür ist ohne Bedeutung, ob die von der Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung vorgebrachten Argumente tragfähig waren und auch nach der Gesetz gewordenen Fassung tragfähig blieben (vgl. dazu Weber, ZInsO 2017, 67, 69 f).
(2) Die Begründung von Steuerverbindlichkeiten im eigenverwalteten Eröffnungsverfahren ist mit den in § 55 Abs. 4 InsO geregelten Fällen auch nicht ausreichend vergleichbar. Mit der Regelung in § 55 Abs. 4 InsO soll im Interesse des Fiskus erreicht werden, dass im Eröffnungsverfahren begründete Steuerverbindlichkeiten nach Verfahrenseröffnung nicht nur dann Masseverbindlichkeiten sind, wenn sie auf der Tätigkeit eines starken oder eines gesondert ermächtigten vorläufigen Insolvenzverwalters beruhen, sondern auch dann, wenn sie von einem nicht ermächtigten schwachen vorläufigen Verwalter oder vom Schuldner mit dessen Zustimmung begründet werden (BT-Drucks. 17/3030, S. 42 f). Maßgeblich wird dabei auf die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters und dessen Befugnisse (vgl. BFHE 247, 460 Rn. 16) abgestellt. Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis, die allein vom Schuldner begründet werden und nicht im Zusammenhang mit einer Tätigkeit des vorläufigen Verwalters stehen, werden nicht erfasst. Im eigenverwalteten Eröffnungsverfahren handelt der Schuldner regelmäßig autonom und unterliegt nur der Überwachung durch einen vorläufigen Sachwalter. Damit fehlt es an der für eine analoge Anwendung des § 55 Abs. 4 InsO erforderlichen Ähnlichkeit der Tatbestände.
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