Entscheidungsdatum: 05.07.2018
Zu den Anforderungen an die Anmeldung einer Forderung von Gesamtgläubigern.
Auf die Revision der Klägerinnen zu 1 und zu 3 wird der Beschluss des 12. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 30. Juni 2015 aufgehoben, soweit die Berufung der Klägerinnen zu 1 und zu 3 bezüglich des Hilfsantrags Nr. 6 zurückgewiesen wurde.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Der Beklagte ist Verwalter in dem im August 1998 eröffneten Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der A. e.G. (fortan: Schuldnerin). Die Schuldnerin war Gesellschafterin eines als I. GbR mbH firmierenden Unternehmens, über dessen Vermögen ebenfalls das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet wurde, und haftete für dessen Verbindlichkeiten. Die Klägerinnen zu 1 und zu 3 (fortan: Klägerinnen) haben für ein von der I. GbR mbH betriebenes Bauvorhaben Leistungen erbracht. Am 20. Dezember 1997 schlossen die Klägerinnen - zusammen mit einer weiteren Partei als "Beteiligte zu 1." bezeichnet - und die I. GbR mbH - als "Beteiligte zu 2." bezeichnet - einen Teilvergleich. In diesem heißt es, soweit für die Revision von Interesse:
1. Die Beteiligte zu 1 bzw. die unter Ziff. I. genannten Gesellschaften berühmen sich für Tätigkeiten … noch ausstehender Forderungen mit einem Höchstbetrag in Höhe von 1,6 Mio. DM zzgl. ges. MwSt gegenüber der Beteiligten zu 2, die zur Zeit strittig sind. Mit nachstehender Vereinbarung soll ein Teilvergleich geschaffen werden, der eine weitere Zusammenarbeit der Parteien ermöglicht.
2. Die Beteiligte zu 2 zahlt einen Betrag in Höhe von 700.000,00 DM zzgl. ges. MwSt … in Anrechnung auf die unter vorstehender Ziff. 1. genannten Forderungen an die Beteiligte zu 1 wie folgt …
Es ist nicht Sache der Beteiligten zu 2 zu klären, inwieweit sich die vorbezeichneten Zahlungen auf die jeweiligen Ansprüche gegebenenfalls auswirken. Es ist Sache der unter Ziff. I. genannten Gesellschaften, wie sich die vorbezeichneten Zahlungen auf Ansprüche der unter Ziff. 1. genannten Gesellschaften auswirken. Sollte festgestellt werden, dass eine der unter Ziff. I. benannten Gesellschaften überzahlt worden ist, müssen sich die jeweils anderen die Überzahlung auf ihre jeweiligen Forderungen anrechnen lassen.
3. Durch diese Vereinbarungen werden weitergehende wechselseitige Ansprüche zwischen den Beteiligten zu 1. und 2. ausdrücklich nicht betroffen oder anerkannt.
4. Die Beteiligte zu 2 wird der Beteiligten zu 1 spätestens zum 31.03.1998 erklären, inwieweit eine Prüfung der von der Beteiligten zu 1 vorgelegten Rechnungen (zu den Forderungen zu vorstehender Ziff. 1.) ergibt, ob weitere Forderungen anerkannt werden. …
7. Weitergehende Ansprüche der Beteiligten werden durch diese Vereinbarung nicht berührt. Sofern die Beteiligten beabsichtigen, Ansprüche jeweils gegeneinander gerichtlich geltend zu machen, darf dies erst nach dem 31.03.1998 geschehen.
Die Klägerinnen reichten unter dem 28. August 1998 gegenüber dem Beklagten eine Forderungsanmeldung ein, in der als Hauptforderung eine "Forderung aus Teilvergleich vom 20.12.1997" in Höhe von 812.000 DM benannt und Zinsen hieraus sowie Anwalts- und Gerichtskosten in jeweils genau bezeichneter Höhe ausgewiesen sind. Der Teilvergleich war der Forderungsanmeldung in Kopie beigefügt.
Das Landgericht hat die auf Feststellung dieser und anderer angemeldeter Forderungen zur Gesamtvollstreckungstabelle gerichtete Klage als unzulässig abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerinnen ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer insoweit vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihren Hilfsantrag Nr. 6 weiter, mit dem sie beantragt haben, die am 28. August 1998 angemeldete Forderung in Höhe von 427.871,20 € zur Gesamtvollstreckungstabelle festzustellen.
Die Revision hat Erfolg. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Zwar möge mit der Bezugnahme auf den der Forderungsanmeldung vom 28. August 1998 beigefügten Teilvergleich der Lebenssachverhalt, aus dem die Klägerinnen ihre angemeldete Forderung herleiten, noch hinreichend dargelegt sein. Auch dürfte die Anmeldung zugunsten der Klägerinnen als Mitgläubigerinnen im Sinne des § 432 BGB ausreichend sein. Indes bleibe bei einer Verurteilung des Beklagten der Umfang der Rechtskraft des Urteils unklar. Aus dem Teilvergleich sei nicht ersichtlich, dass die Klägerinnen im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung auf weitergehende Ansprüche verzichtet hätten. Insoweit habe es weiterer Erläuterungen bedurft, wie sich die Vergleichssumme auf die einzelnen Gläubigerinnen verteile. Diese Verteilung ergebe sich auch nicht aus einer mit "Gesamtforderungen" überschriebenen Aufstellung, welche überdies der Forderungsanmeldung nicht beigefügt gewesen sei. Auf die weiteren von der Beklagten geltend gemachten Einwendungen bezüglich der Wirksamkeit des Teilvergleichs und der Frage einer wirksam vereinbarten Haftungsbeschränkung komme es daher nicht an.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Berufung gegen das die Klage als unzulässig abweisende Urteil des Landgerichts nicht zurückgewiesen werden.
a) Zunächst zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Anforderungen an den Inhalt einer Forderungsanmeldung zur Gesamtvollstreckungstabelle denjenigen entsprechen, die § 174 Abs. 2 InsO für die Anmeldung zur Insolvenztabelle normiert. Die Gesamtvollstreckungsordnung enthält selbst keine eigene Regelung hierzu. Lückenfüllend war deshalb zunächst auf § 139 KO und ist nunmehr auf § 174 Abs. 2 InsO zurückzugreifen (vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster, GesO, 4. Aufl., § 11 Rn. 46 ff; Smid, GesO, 3. Aufl., § 11 Rn. 16 ff). Demnach hat der Gläubiger nicht nur den Betrag, sondern auch den Schuldgrund in seiner Anmeldung anzugeben. Eine Forderungsanmeldung, welcher es an der gebotenen Darlegung des Grundes mangelt, ist unwirksam; dieser Mangel kann, weil es an den Mindestanforderungen einer wirksamen Anmeldung fehlt, nur durch eine Neuanmeldung behoben werden (BGH, Urteil vom 22. Januar 2009 - IX ZR 3/08, NZI 2009, 242 Rn. 17; MünchKomm-InsO/Riedel, 3. Aufl., § 174 Rn. 26; Jaeger/Gerhardt, InsO, 5. Aufl., § 174 Rn. 19).
b) Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen war der Grund der von den Klägerinnen angemeldeten Forderung, die Gegenstand des Hilfsantrags Nr. 6 der Klage ist, hinreichend dargetan. Mehr als die Bezugnahme auf den der Forderung zugrundeliegenden Teilvergleich und dessen Beifügung war vorliegend nicht zu fordern.
aa) Der Begriff des Grundes der Forderung entspricht demjenigen in § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, bezeichnet also den Sachverhalt, aus dem die Forderung entspringt. Die Anmeldung ist zum einen Grundlage der Eintragung, aus welcher der Gläubiger nach Aufhebung des Verfahrens die Zwangsvollstreckung betreiben kann (§ 178 Abs. 3, § 201 Abs. 2 InsO). Zum anderen soll die Anmeldung dem Verwalter und den übrigen Gläubigern eine Prüfung des Schuldgrundes ermöglichen. Die Forderung muss daher zur Bestimmung der Reichweite der Rechtskraft eindeutig konkretisiert sein (BGH, Urteil vom 22. Januar 2009, aaO Rn. 10; vom 21. Februar 2013 - IX ZR 92/12, NZI 2013, 388 Rn. 15; vom 9. Januar 2014 - IX ZR 103/13, NZI 2014, 127 Rn. 6; MünchKomm-InsO/Riedel, aaO § 174 Rn. 26; Pape/Schaltke in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2018, § 174 Rn. 47).
Diesen Anforderungen genügt die streitgegenständliche Forderungsanmeldung. Sie nennt als Grund der angemeldeten Forderung den Teilvergleich vom 20. Dezember 1997, dieser ist der Anmeldung in Kopie beigefügt. Der Gläubiger kann zur Darlegung seiner Forderung auf beigefügte Unterlagen Bezug nehmen, wenn daraus der Grund der Forderung hervorgeht (BGH, Urteil vom 22. Januar 2009, aaO Rn. 11; MünchKomm-InsO/Riedel, aaO § 174 Rn. 26; Pape/Schaltke, aaO Rn. 47). So verhält es sich hier. Dem Teilvergleich ist die Verpflichtung der Schuldnerin zur Zahlung von 700.000 DM zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer ebenso zu entnehmen wie die Gesamtgläubigerstellung (§§ 428, 430 BGB) der Klägerinnen, welche sie berechtigt, die Forderung in jeweils voller Höhe zu ihren Gunsten zu beanspruchen. Dieser Gesamtgläubigerstellung der Klägerinnen steht nicht entgegen, dass die Schuldnerin schuldbefreiend nur an den im Vergleich benannten Zahlungsempfänger soll leisten können. Es ist zulässig, dass ein Schuldner mit Gesamtgläubigern vereinbart, er werde nur an einen von ihnen leisten (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 1979 - VIII ZR 215/78, NJW 1979, 2038, 2039; BeckOK-BGB/Gehrlein, November 2017, § 428 Rn. 1). Auch in diesem Fall ist der Schuldner nicht damit belastet, ermitteln zu müssen, welcher Teil der von ihm geschuldeten Leistung auf die einzelnen Gesamtgläubiger entfällt (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 1972 - III ZR 107/69, BGHZ 59, 187, 191). Bedenken gegen die Bestimmtheit der Forderungsanmeldung können sich also auch nicht daraus ergeben, dass die Verteilung des geschuldeten Betrages auf die Klägerinnen nach dem Teilvergleich diesen im Innenverhältnis zugewiesen war. Die Pflicht der Schuldnerin zur Leistung des gesamten Betrages wird dadurch nicht berührt. Zweifel daran, welche Zahlungsverpflichtung die Schuldnerin (auch) zugunsten der Klägerinnen eingegangen sein soll, können nicht aufkommen. Damit ist die angemeldete Forderung hinreichend individualisiert. Weitergehende Forderungen, die der Teilvergleich ausdrücklich offen lässt, werden mit der Forderungsanmeldung nicht geltend gemacht.
bb) Soweit die Anmeldung Grundlage der Teilnahme am Insolvenzverfahren ist, hat der Gläubiger nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit Blick auf die Funktionen der Anmeldung im Insolvenzverfahren einen Lebenssachverhalt darzulegen, der in Verbindung mit einem - nicht notwendig ebenfalls vorzutragenden - Rechtssatz die geltend gemachte Forderung als begründet erscheinen lässt (BGH, Urteil vom 9. Januar 2014 - IX ZR 103/13, NZI 2014, 127 Rn. 6; Beschluss vom 12. November 2015 - IX ZR 313/14, NZI 2016, 78 Rn. 3 je mwN). Die streitgegenständliche Anmeldung erfüllt auch diese Anforderungen. Der behauptete Vergleich, der den Klägerinnen einen Zahlungsanspruch zuweist, kann unbeschadet der Frage, ob mit dem Vergleich eine Novation des bestehenden Schuldverhältnisses beabsichtigt war, Anspruchsgrundlage der angemeldeten Forderung sein (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2002 - III ZR 73/01, NJW 2002, 1503, 1504). Eine Vereinbarung, mit der ein im Rahmen einer Vertragsbeziehung entstandener Streit durch einen Vergleich (§ 779 BGB) ganz oder teilweise erledigt werden soll, stellt keine Nebenabrede zu dem schon bestehenden Vertragsverhältnis dar, sondern tritt als selbstständiges Rechtsverhältnis neben dieses (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2014 - VIII ZR 404/12, BGHZ 200, 362 Rn. 62). Schon damit ist ein Anspruchsgrund schlüssig dargelegt.
Die vom Berufungsgericht geäußerten Zweifel am Vorliegen der in § 779 BGB genannten Voraussetzung des gegenseitigen Nachgebens sind überdies unbegründet. Gegenseitiges Nachgeben im Sinne von § 779 BGB liegt schon dann vor, wenn die Parteien, um zur Einigung zu gelangen, überhaupt Zugeständnisse machen. Geringes Nachgeben auch im kleinsten Streitpunkt reicht insoweit aus (BGH, Urteil vom 28. September 2005 - IV ZR 288/03, NJW-RR 2006, 644, 645). Ausweislich des Teilvergleichs haben die Parteien hinsichtlich eines Teils der zwischen ihnen in Streit befindlichen Forderungen in Höhe von 1,6 Mio. DM einen Teilbetrag in Höhe der zur Gesamtvollstreckungstabelle angemeldeten Forderung unstreitig gestellt. Das ist ein ausreichendes gegenseitiges Nachgeben im Sinne von § 779 BGB.
3. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann nicht selbst abschließend entscheiden. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
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