Entscheidungsdatum: 09.01.2014
Der Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung muss in der Anmeldung so beschrieben werden, dass der aus ihm hergeleitete Anspruch in tatsächlicher Hinsicht zweifelsfrei bestimmt ist und der Schuldner erkennen kann, welches Verhalten ihm vorgeworfen wird; einer schlüssigen Darlegung des (objektiven und subjektiven) Deliktstatbestands bedarf es nicht.
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 20. März 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Über das Vermögen des Beklagten wurde am 9. März 2010 das Insolvenzverfahren eröffnet. Unter dem 7. April 2010 meldete die Klägerin Darlehensforderungen von insgesamt 572.422,48 € an; dabei versah sie die Spalte "Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung" mit einem Kreuz. Mit Schreiben vom 28. Oktober 2010 erläuterte sie ihre Anmeldung dahingehend, gegen den Beklagten werde wegen Kreditbetruges ermittelt, insbesondere wegen der Einreichung unrichtiger Bonitätsunterlagen, welche ihr zur Ausreichung des beantragten Darlehens vorgelegt worden seien. Die Kreditakte sei beschlagnahmt worden. Aus dem Klageverfahren gegen den Urkundsnotar ergebe sich, dass der Beklagte aus den von der Klägerin ausgereichten Darlehen Kick-Back-Zahlungen in Höhe von 56.000 DM und 51.000 DM erhalten habe. Die Darlehensforderung wurde zur Tabelle festgestellt. Der Beklagte widersprach jedoch dem Schuldgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung.
Die Klägerin hat beantragt festzustellen, dass ihre (näher bezeichneten) angemeldeten und zur Tabelle festgestellten Forderungen über insgesamt 572.422,48 € auf dem Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruhten und dass der Widerspruch unbegründet sei. Das Landgericht hat die beantragte Feststellung ausgesprochen. Das Berufungsgericht hat die Klage unter Aufhebung des landgerichtlichen Urteils als unzulässig abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat die Klage für unzulässig gehalten, weil der Rechtsgrund der Forderungen nicht ordnungsgemäß angemeldet worden sei. Die Anmeldung müsse Tatsachen enthalten, aufgrund derer der Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung mindestens plausibel erscheine. Daran fehle es. Der Hinweis auf unrichtige Bonitätsunterlagen und Kick-Back-Zahlungen lasse nicht erkennen, ob diese für die Klägerin von Bedeutung gewesen seien; es sei auch nicht dargelegt worden, dass die Kick-Back-Zahlungen schon vor Vertragsschluss vereinbart gewesen seien. Dass der Verwalter die Forderung festgestellt habe, ändere nichts an der unzulänglichen Anmeldung. Die fehlenden Angaben könnten weder gegenüber dem Schuldner noch im sich anschließenden Feststellungsprozess nachgeholt werden, weil § 174 Abs. 2 InsO die Anmeldung gegenüber dem Verwalter verlange. Die Klägerin könne ihre Anmeldung diesem gegenüber berichtigen. Auf den laufenden Rechtsstreit wirke sich dies jedoch nicht aus, weil es an den Sachurteilsvoraussetzungen der auf die geänderte Anmeldung bezogenen Prüfung durch den Verwalter und des auf die Änderung bezogenen Schuldnerwiderspruchs fehle. Eine allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO komme nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr in Betracht.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Klage ist zulässig.
1. Nach § 174 Abs. 1 InsO haben die Insolvenzgläubiger ihre Forderungen schriftlich beim Insolvenzverwalter anzumelden. Bei der Anmeldung sind der Grund und der Betrag der Forderung anzugeben sowie die Tatsachen, aus denen sich nach Einschätzung des Gläubigers ergibt, dass ihr eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung des Schuldners zugrunde liegt (§ 174 Abs. 2 InsO). Der Begriff des Grundes der Forderung entspricht demjenigen in § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, bezeichnet also den Sachverhalt, aus dem die Forderung entspringt. Welchen Anforderungen der in § 174 Abs. 2 InsO verlangte Tatsachenvortrag genügen muss, ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Soweit die Anmeldung Grundlage der Teilnahme am Insolvenzverfahren ist, hat der Gläubiger nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einen Lebenssachverhalt darzulegen, der in Verbindung mit einem - nicht notwendig ebenfalls vorzutragenden - Rechtssatz die geltend gemachte Forderung als begründet erscheinen lässt (BGH, Urteil vom 22. Januar 2009 - IX ZR 3/08, NZI 2009, 242 Rn. 10; vom 21. Februar 2013 - IX ZR 92/12, NZI 2013, 388 Rn. 15). Diese strengen Anforderungen hat der Senat aus den Funktionen der Anmeldung im Insolvenzverfahren hergeleitet. Die Feststellung einer Forderung zur Tabelle kann nach Grund, Betrag und Rang nur in der Weise begehrt werden, wie die Forderung in der Anmeldung (oder im Prüfungstermin) bezeichnet worden ist (§ 181 InsO). Die Anmeldung ist damit Grundlage der Eintragung, aus welcher der Gläubiger nach Aufhebung des Verfahrens die Zwangsvollstreckung betreiben kann (§ 178 Abs. 3, § 201 Abs. 2 InsO). Es muss daher möglich sein, die Reichweite der Rechtskraft dieses Titels zu bestimmen. Außerdem müssen der Verwalter und die anderen Gläubiger prüfen können, ob die Forderung bestritten werden soll oder nicht (§ 178 Abs. 1 Satz 1, § 179 Abs. 1 InsO).
2. Wenn und soweit die vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung zum Grund des angemeldeten Anspruchs gehört, gelten die vorstehenden Ausführungen auch für sie. Welche Darlegungsanforderungen dagegen in denjenigen Fällen gelten, in denen die Kennzeichnung der Forderung als auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruhend nur im Hinblick auf die spätere Restschuldbefreiung (§ 302 Nr. 1 InsO) Bedeutung erlangt, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt. Teils wird die schlichte, etwa im Ankreuzen des im Anmeldeformular hierfür vorgesehenen "Kästchens" liegende Behauptung des Gläubigers, die Forderung stamme aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, für ausreichend gehalten (Mäusezahl, ZInsO 2002, 462 ff, Beispiel 3). Nach anderer Ansicht reicht es aus, den nach Ansicht des Gläubigers maßgeblichen Vorgang hinreichend zu individualisieren (Kolbe, Deliktische Forderungen und Restschuldbefreiung, S. 45; Gaul in Gedächtnisschrift für Meinhard Heinze, 2005, S. 193, 199). Mehrheitlich wird Tatsachenvortrag verlangt, der eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung als "plausibel" (AG Strausberg, DGVZ 2004, 159; MünchKomm-InsO/Stephan, 2. Aufl., § 302 Rn. 11; K. Schmidt/Jungmann, InsO, 18. Aufl. § 174 Rn. 54; Pape/Schaltke in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2011, § 184 Rn. 58; FK-InsO/Ahrens, 7. Aufl., § 302 Rn. 15; wohl auch Uhlenbruck/Vallender, InsO, 13. Aufl., § 302 Rn. 15) erscheinen lässt oder sogar schlüssig darlegt (AG Köln, ZVI 2013, 150; Uhlenbruck/Sinz, aaO, § 174 Rn. 38; Wagner in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, § 174 Rn. 14 f; Hain, ZInsO 2011, 1193, 1194). Was sich hinter den Begriffen "individualisierbar", "plausibel" oder "schlüssig" verbirgt, ist nicht eindeutig.
3. Der Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung ist wirksam angemeldet, wenn der geltend gemachte Anspruch in tatsächlicher Hinsicht zweifelsfrei bestimmt ist und der Schuldner erkennen kann, welches Verhalten der Gläubiger ihm vorwirft. Eines Vortrags, der sämtliche objektive und subjektive Tatbestandsmerkmale der behaupteten unerlaubten Handlung ausfüllt, bedarf es nicht.
a) Der Wortlaut der Vorschrift des § 174 Abs. 2 InsO ist unklar. Der Gläubiger hat bei der Anmeldung seiner Forderung diejenigen Tatsachen anzugeben, aus denen sich seiner Einschätzung nach ergibt, dass ihr eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung zugrunde liegt. Die Formulierung "seiner Einschätzung nach" könnte bedeuten, dass es ausschließlich auf die Ansicht des Gläubigers ankommt, während eine Schlüssigkeitsprüfung entbehrlich ist (so Kolbe, aaO, S. 44); sie könnte aber auch umgekehrt die deutliche Angabe des deliktischen Haftungsgrundes verlangen, um den Schuldner rechtzeitig vor den Wirkungen derartiger Anmeldungen im Hinblick auf die beantragte Restschuldbefreiung (§ 302 Nr. 1 InsO) zu warnen (so Gaul, aaO). In der Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 28. März 2001 (BT-Drucks. 14/5680) wird der genannte Begriff nicht näher erläutert. Aus ihr ergibt sich allerdings der Beweggrund für die Anmeldepflicht als solcher. Der Schuldner soll frühzeitig einschätzen können, ob er sich im Hinblick auf die angemeldete, nicht der Restschuldbefreiung unterfallende Forderung dem Insolvenzverfahren mit anschließender Restschuldbefreiung überhaupt unterwerfen will (aaO, S. 27 zu Nummer 12). Die Vorschrift des § 302 Nr. 1 InsO wurde folgerichtig dahingehend geändert, dass eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nur dann von der Restschuldbefreiung ausgenommen wird, wenn sie unter Angabe dieses Rechtsgrundes angemeldet worden war.
b) Wegen des Schutzzwecks dieser Änderungen wird in der Literatur angenommen, der in rechtlichen Dingen unerfahrene Schuldner müsse schon aufgrund des Tatsachenvortrags des Gläubigers in der Lage sein zu entscheiden, ob es sinnvoll und notwendig sei, Widerspruch gegen den Rechtsgrund zu erheben (Graf-Schlicker, InsO, 3. Aufl., § 174 Rn. 17). Der Schuldner bedarf des in einer ausführlichen Begründung liegenden Schutzes indes nicht. Auf Vorschlag des Rechtsausschusses wurde im Insolvenzrechtsänderungsgesetz vom 28. März 2001 neben § 174 Abs. 2 InsO und § 302 Nr. 1 InsO auch § 175 InsO geändert (vgl. hierzu BT-Drucks. 14/6468, S. 17). Nach § 175 Abs. 1 InsO in der Fassung dieses Gesetzes hat das Insolvenzgericht den Schuldner auf die Rechtsfolgen des § 302 InsO und die Möglichkeit des Widerspruchs hinzuweisen, wenn ein Gläubiger eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung angemeldet hat. Es reicht daher aus, wenn der Schuldner weiß, um welche Forderung es geht und welches Verhalten ihm als vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung vorgeworfen wird. Weil der Widerspruch nicht begründet werden muss, braucht dem Schuldner in dieser Phase des Verfahrens nicht die Möglichkeit eröffnet zu werden, den Vortrag des Gläubigers gezielt anzugreifen. Erst in einem sich anschließenden Klageverfahren (§ 184 InsO), in welchem Gläubiger und Schuldner über den Grund der angemeldeten Forderung streiten, muss der Gläubiger den behaupteten Rechtsgrund nach den allgemeinen Regeln des Zivilprozesses darlegen und gegebenenfalls beweisen. Das Erfordernis der qualifizierten Anmeldung gemäß § 174 Abs. 2 InsO dient nicht dazu, dem Schuldner das Prozessrisiko des sich an den Widerspruch möglicherweise anschließenden Feststellungsrechtsstreit abzunehmen.
c) Die Interessen der übrigen Verfahrensbeteiligten verlangen gleichfalls keinen substantiierten Tatsachenvortrag des Gläubigers in der Anmeldung. Dem Insolvenzverwalter steht, wenn der Bestand der Forderung nicht vom Vorliegen einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung abhängt, kein auf den Rechtsgrund der angemeldeten Forderung beschränktes Widerspruchsrecht zu, weil dieser keinen Einfluss auf die Abwicklung des Insolvenzverfahrens hat (BGH, Urteil vom 17. Januar 2008 - IX ZR 220/06, NZI 2008, 250 Rn. 13; vom 12. Juni 2008 - IX ZR 100/07, NZI 2008, 569 Rn. 7). Nach der Konzeption des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 2001 hat die Klärung des Rechtsgrundes außerhalb des Insolvenzverfahrens und ohne Beteiligung des Verwalters zu erfolgen (vgl. BT-Drucks. 14/5680, S. 27). Auch die anderen Insolvenzgläubiger haben kein eigenes Interesse daran, dass die beantragte Feststellung unterbleibt; ihre Quotenaussichten werden hiervon nicht beeinträchtigt.
4. Die Anmeldung vom 7. April 2010 erfüllte in Verbindung mit dem Schreiben vom 28. Oktober 2010 ohne weiteres die Anforderungen, die an eine Anmeldung nach § 174 Abs. 2 InsO zu stellen sind. Die Klägerin wirft dem Beklagten vor, unrichtige Bonitätsunterlagen vorgelegt und Kick-Back-Zahlungen erhalten und damit einen Betrug (§ 263 StGB), eine vorsätzliche Straftat, zu ihrem Nachteil begangen zu haben. Dass die Klägerin - wie das Berufungsgericht beanstandet - damit die Möglichkeit offen lassen wollte, die Bonitätsunterlagen seien für die Vergabe des Darlehens gleichgültig gewesen und die Kick-Back-Zahlungen seien ohne vorherige Absprache mit dem Schuldner geleistet worden, liegt fern.
III.
Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), welches sich nunmehr mit dem Anspruch selbst zu befassen haben wird.
Kayser Vill Lohmann
Pape Möhring