Entscheidungsdatum: 12.01.2017
1. Wird ein unverzinsliches Darlehen wegen Vermögensverfalls gekündigt, liegt die Gläubigerbenachteiligung im Wegfall der gesetzlichen Abzinsung.
2. Die Anfechtung einer Rechtshandlung wegen des Ermöglichens einer Befriedigung setzt nicht voraus, dass der Insolvenzgläubiger nachfolgend außerhalb des Insolvenzverfahrens die Befriedigung erlangt hat.
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 31. Mai 2016 aufgehoben.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der Zivilkammer 21 des Landgerichts Berlin vom 23. April 2015 abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Der Beklagte ist Verwalter in dem auf Antrag vom 25. Juni 2012 am 10. September 2012 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der . U. KG (nachfolgend: Schuldnerin). Die Klägerin gewährte der Schuldnerin im Jahr 1994 im Rahmen einer Wohnungsbauförderung ein Aufwendungsdarlehen über umgerechnet 1.059.340,58 €. Das Darlehen war erst nach der Tilgung von Fremdmitteln, spätestens nach Ablauf von 30 Jahren seit Bezugsfertigkeit des von der Schuldnerin zu errichtenden Objekts zu tilgen und zu verzinsen. Am 8. August 2012 kündigte die Klägerin das Darlehen zum 31. August 2012 aus wichtigem Grund. Zur Begründung führte sie aus, der Fördernehmer sei zur Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr in der Lage; eine positive Fortführungsprognose sei unter anderem vor dem Hintergrund des laufenden Insolvenzantragsverfahrens nicht mehr erkennbar. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens meldete die Klägerin die mit 1.059.340,47 € bezifferte Darlehensrestschuld zur Insolvenztabelle an. Der Beklagte focht die Kündigung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO an, zinste die geltend gemachte Forderung nach § 41 Abs. 2 InsO ab und stellte nur einen Teilbetrag von 640.960,25 € zur Tabelle fest.
Die Klägerin begehrt die Feststellung der Darlehensforderung in voller Höhe zur Insolvenztabelle. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg gehabt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Abweisung der Klage.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen und zur Abweisung der Klage (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 3 ZPO).
I.
Das Berufungsgericht hat gemeint, eine Abzinsung der angemeldeten Forderung nach § 41 Abs. 2 InsO habe nicht zu erfolgen, weil die Forderung bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund der berechtigten Kündigung bereits fällig gewesen sei. Zur Anfechtung der Kündigung sei der Beklagte nicht berechtigt gewesen. Eine Anfechtung nach den hier in Betracht kommenden §§ 130, 131 InsO scheide aus, weil die Kündigung der Klägerin keine Befriedigung ermöglicht habe. Hierfür genüge es nicht, dass die Klägerin aufgrund der Kündigung Aussicht auf eine höhere Zuteilung im Insolvenzverfahren habe. Eine Befriedigung werde nur dann im Sinne der §§ 130, 131 InsO ermöglicht, wenn die angefochtene Rechtshandlung zu einer unmittelbaren Befriedigung führen könne und der Gläubiger sie letztlich auch erlange; andernfalls würden die anderen Insolvenzgläubiger nicht benachteiligt. Im vorliegenden Fall habe die Kündigung nicht zu einer Deckung geführt, die andere Insolvenzgläubiger benachteiligte. Eine bessere Befriedigung im Insolvenzverfahren sei keine Befriedigung im Sinne der §§ 130, 131 InsO. Diese sei Ergebnis des Insolvenzverfahrens selbst und nicht eine durch Anfechtung zu beseitigende Verzerrung des Ergebnisses durch gläubigerbenachteiligende Vorab-Deckung zu Lasten der Masse. Eine Abzinsung sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung geboten.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Der Beklagte hat die Forderung der Klägerin auf Rückzahlung des Aufwendungsdarlehens mit Recht nur in Höhe des nach § 41 Abs. 2 InsO abgezinsten Betrags zur Insolvenztabelle festgestellt.
1. Im Insolvenzverfahren gelten nicht fällige Forderungen nach § 41 Abs. 1 InsO als fällig. Sind sie unverzinslich, so sind sie mit dem gesetzlichen Zinssatz abzuzinsen (§ 41 Abs. 2 Satz 1 InsO). Das Abzinsungsgebot soll Vorteile, die sich aus der insolvenzbedingten Fälligkeitsfiktion des § 41 Abs. 1 InsO ergeben, beseitigen und die Gläubiger nicht fälliger Forderungen mit denen einer fälligen Forderung gleichstellen. Unverzinsliche Forderungen erfahren dadurch, dass sie vor dem vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt als fällig behandelt werden, eine Werterhöhung, die durch Abzinsung ausgeglichen werden soll. Die Regelung folgt damit einem auch in anderen Bestimmungen zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgrundsatz (vgl. § 1133 Satz 3, § 1217 Abs. 2 Satz 2 BGB, § 111 Satz 2 ZVG). Eine Abzinsung nach § 41 Abs. 2 InsO scheidet demzufolge aus, wenn die Forderung bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig gestellt wurde. In diesem Fall beruht die Aufwertung einer unverzinslichen Forderung nicht auf der Fälligkeitsfiktion des § 41 Abs. 1 InsO.
2. Im Streitfall hat die Klägerin ihre Forderung auf Rückzahlung des gewährten Aufwendungsdarlehens durch die mit Wirkung zum 31. August 2012 ausgesprochene Kündigung noch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin fällig gestellt. Der Beklagte hat die von der Klägerin geltend gemachten, eine fristlose Kündigung des Darlehens aus wichtigem Grund nach § 12 des Förderungsvertrags und § 490 Abs. 1 BGB rechtfertigenden Kündigungsgründe nicht in Abrede gestellt.
3. Gleichwohl kann sich die Klägerin nicht auf die Fälligstellung vor Verfahrenseröffnung berufen, weil der Beklagte die Kündigung des Darlehens wirksam angefochten hat. Die Darlehenskündigung unterliegt der Insolvenzanfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO. Anfechtbar ist nach dieser Norm eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
a) Die Kündigung des Darlehens war eine Rechtshandlung im Sinne des Anfechtungsrechts (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 2009 - IX ZR 63/08, BGHZ 181, 132 Rn. 14; vom 14. Oktober 2010 - IX ZR 160/08, WM 2010, 2368 Rn. 10; vom 7. Mai 2013 - IX ZR 191/12, WM 2013, 1132 Rn. 6). Sie benachteiligte, wie von § 129 Abs. 1 InsO vorausgesetzt, die Insolvenzgläubiger. Es genügt insoweit eine mittelbare, durch später hinzutretende Umstände mitverursachte Benachteiligung der Insolvenzgläubiger (vgl. etwa BGH, Urteil vom 15. Dezember 2011 - IX ZR 118/11, WM 2012, 276 Rn. 18). Eine solche trat hier ein, weil infolge der Kündigung im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin nicht nur die nach § 41 Abs. 2 InsO abgezinste, sondern die volle Darlehensforderung der Klägerin zu berücksichtigen war und die dadurch erhöhte Schuldenmasse zu einer geringeren Befriedigungsquote der übrigen Insolvenzgläubiger führte (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2012 - IX ZR 146/11, WM 2012, 1131 Rn. 26 f; MünchKomm-InsO/Kayser, 3. Aufl., § 129 Rn. 169).
b) Die Kündigung erfolgte nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Dieser Antrag war der Klägerin, wie sich aus der Begründung der Kündigung ergibt, bekannt.
c) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat die Darlehenskündigung der Klägerin eine Befriedigung ermöglicht.
aa) Zweck der Deckungsanfechtung nach den §§ 130, 131 InsO ist es allerdings, Schmälerungen der künftigen Insolvenzmasse durch Deckungshandlungen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu vermeiden. Eine Befriedigung im Zuge der Verteilung im Insolvenzverfahren ist deshalb keine Befriedigung im Sinne dieser Bestimmungen. Eine Befriedigung außerhalb des Insolvenzverfahrens hat die Klägerin nicht erlangt.
bb) Die Tatbestandsalternative des Ermöglichens einer Befriedigung in den §§ 130, 131 InsO setzt aber nicht voraus, dass der Anfechtungsgegner eine Befriedigung nachfolgend tatsächlich erlangt hat. Rechtshandlungen, die eine Befriedigung lediglich ermöglichen, sind erst durch die Insolvenzordnung in die Tatbestände der besonderen Insolvenzanfechtung einbezogen worden. Zur Begründung wurde ausgeführt, es erscheine nicht gerechtfertigt, dass in solchen Fällen nur eine Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung möglich sei; gedacht sei vor allem an Prozesshandlungen, die - wie zum Beispiel ein Anerkenntnis - selbst zwar keine Deckung gewähren, jedoch zu einer solchen führen können (BT-Drucks. 12/2443 S. 157 zu § 145 RegE-InsO). Vorbereitende Rechtshandlungen dieser Art werden häufig nicht zu der in § 129 Abs. 1 InsO für jede Insolvenzanfechtung vorausgesetzten Benachteiligung der Insolvenzgläubiger führen, wenn es nicht anschließend zu einer Befriedigung oder Sicherung im Sinne der §§ 130, 131 InsO kommt (vgl. MünchKomm-InsO/Kayser, 3. Aufl., § 130 Rn. 13; Kirchhof, FS Uhlenbruck, 2000, S. 269). Eine tatbestandliche Voraussetzung des Ermöglichens ist die nachfolgende Deckung aber nicht. Es genügt vielmehr, dass die angefochtene Rechtshandlung die Möglichkeit einer Deckung geschaffen hat (Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2013, § 130 Rn. 36). So verhält es sich auch in dem von der Gesetzesbegründung als Beispiel für eine die Befriedigung ermöglichende Rechtshandlung genannten Fall eines prozessualen Anerkenntnisses. Kommt es vor der Insolvenzeröffnung nicht zur Befriedigung des anerkannten Anspruchs, kann der Insolvenzverwalter dem Gläubiger die Anfechtbarkeit des Anerkenntnisses entgegenhalten (Jaeger/Henckel, InsO, § 130 Rn. 14; MünchKomm-InsO/Kirchhof, 3. Aufl., § 143 Rn. 56).
cc) Die danach genügende Möglichkeit einer Deckung hat die Klägerin durch die Kündigung des Darlehens erlangt. Die Kündigung führte zur Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs. Dadurch wurde die Klägerin in die Lage versetzt, diesen Anspruch ab dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung einzufordern und von der Schuldnerin Zahlung zu verlangen, mithin eine Deckung zu erlangen, die sie nach den vertraglichen Vereinbarungen ohne die Kündigung erst viele Jahre später hätte beanspruchen können.
d) Angefochten und nach § 143 Abs. 1 InsO rückgängig gemacht wird nicht die Rechtshandlung selbst, sondern ihre gläubigerbenachteiligende Wirkung (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - IX ZR 133/13, WM 2014, 516 Rn. 10 mwN). Die Anfechtbarkeit der Darlehenskündigung hat deshalb zur Folge, dass die durch die Kündigung herbeigeführte Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs außer Betracht zu bleiben hat. Insoweit gilt nichts anderes als im Falle der anfechtbaren Begründung einer Schuld. Der Insolvenzverwalter kann dem Begehren der Klägerin, ihre Forderung in vollem Umfang zur Insolvenztabelle festzustellen, die Anfechtbarkeit der Kündigung entgegenhalten. Die Forderung gilt wie andere nicht fällige Forderungen erst aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 41 Abs. 1 InsO als fällig.
e) Infolgedessen ist die Forderung nach § 41 Abs. 2 InsO abzuzinsen. Entgegen der von der Revisionserwiderung vertretenen Ansicht handelt es sich bei dem Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung des Darlehens insoweit um eine unverzinsliche Forderung, als der Beklagte eine Abzinsung vorgenommen hat. Nach § 11 des Förderungsvertrags war das Darlehen erst nach Tilgung der in Anspruch genommenen Fremdmittel, spätestens nach Ablauf von 30 Jahren seit Bezugsfertigkeit des Objekts jährlich mit 2 v.H. zu tilgen und mit 7 v.H. zu verzinsen. Der Beklagte hat unbestritten vorgetragen, dass die Voraussetzungen der ersten Fallgestaltung dieser Regelung nicht vorlägen und das Darlehen deshalb für den Zeitraum von 30 Jahren ab Bezugsfertigkeit unverzinslich sei. Diesen Zeitraum hat er der Abzinsung zugrunde gelegt. Auch die von der Revisionserwiderung angeführte, von der Schuldnerin im Fördervertrag übernommene Verpflichtung zur Mietpreisbegrenzung rechtfertigt es nicht, das Darlehen als verzinslich zu bewerten. Diese Verpflichtung kann nicht einer der Klägerin zugute kommenden, nach der Laufzeit des Darlehens bemessenen Vergütung für den Gebrauch des auf Zeit überlassenen Kapitals gleichgesetzt werden (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 1978 - III ZR 47/77, NJW 1979, 540, 541).
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