Entscheidungsdatum: 13.02.2014
Hat sich der spätere Insolvenzschuldner zur unentgeltlichen lastenfreien Übertragung eines Grundstücks verpflichtet, ist die innerhalb von vier Jahren vor dem Insolvenzantrag erfolgte Ablösung eines bei der Übertragung bestehen gebliebenen Grundpfandrechts selbständig als unentgeltliche Leistung anfechtbar.
Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats in Freiburg des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 8. Mai 2013 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin ist Verwalterin im Insolvenzverfahren über den Nachlass der am 2. Dezember 2008 verstorbenen M. E. , welches auf Antrag des Nachlasspflegers vom 6. Mai 2009 am 30. September 2009 eröffnet worden ist. Sie macht gegen den Beklagten - den Sohn der Erblasserin, der ebenso wie seine Geschwister die Erbschaft nach seiner Mutter und seinem vorverstorbenen Vater ausgeschlagen hat - aufgrund folgenden Vorgangs einen Rückgewähranspruch aus Insolvenzanfechtung geltend:
Die Erblasserin war Eigentümerin einer Wohnung, welche mit einer Grundschuld in Höhe von 300.000 DM zugunsten der B. AG (fortan: Bank) belastet war. Mit notariellem Vertrag vom 21. Juni 2004 übertrug sie die Wohnung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf den Beklagten. Hinsichtlich der Grundschuld heißt es in § 3 des Übergabevertrages:
"Dieses Recht bleibt bestehen und wird nur in dinglicher Hinsicht übernommen. Eine persönliche Schuldübernahme erfolgt nicht. Es wird von den bisherigen persönlichen Schuldnern (Eheleute Di. und M. E. ) weiterhin verzinst und getilgt. Eigentümergrundschulden und sämtliche Ansprüche gegen den Gläubiger werden hiermit unter der aufschiebenden Bedingung des Eigentumswechsels an den Erwerber abgetreten und der Grundbuchvollzug bewilligt."
Der Beklagte wurde am 17. August 2004 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Im März 2006 lösten die Eltern des Beklagten das durch die Grundschuld gesicherte Darlehen durch eine Sonderzahlung von 77.393,90 € ab. Die Sonderzahlung wurde durch ein Darlehen der S. Sch. finanziert, welches durch eine Grundschuld an einem den Eltern des Beklagten gehörenden, mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebauten Grundstück besichert wurde. Die Bank bewilligte daraufhin die Löschung der Grundschuld. Im Jahr 2011 verkaufte der Beklagte die Wohnung. Die Grundschuld wurde aufgrund der Löschungsbewilligung am 15. Juni 2011 gelöscht.
Die Klägerin verlangt die Rückgewähr von 38.696,95 €, also des hälftigen Betrages der Sonderzahlung, zur Insolvenzmasse. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Sowohl die Abtretung des Anspruchs auf Rückgewähr der Grundschuld als auch die Tilgung des durch diese gesicherten Darlehens seien als unentgeltliche Leistungen anfechtbar. Die Abtretung sei gemäß § 140 Abs. 1 InsO erst mit der vollständigen Tilgung des Darlehens im Jahr 2006 anfechtungsrechtlich wirksam geworden. Zuvor habe der Beklagte keine gesicherte Rechtsposition erlangt, weil der Grundschuld im Rahmen der ihr zugrunde liegenden weiten Zweckerklärung neue Forderungen hätten unterlegt werden können. Das pauschale Bestreiten der Zweckerklärung sei unerheblich. Die Darlehenstilgung stelle eine von der Grundstücksschenkung losgelöste unentgeltliche mittelbare Zuwendung dar, welche selbständig der Anfechtung unterliege. Der Freistellungsanspruch des Beklagten aus dem Übergabevertrag sei im Zeitpunkt der Tilgung wegen der finanziellen Situation der Eltern bereits wertlos gewesen. Durch die genannten Rechtshandlungen seien die Gläubiger benachteiligt worden, weil das Grundeigentum nicht wertausschöpfend belastet gewesen sei. Auf den Wert des nach dem Tod des Vaters im alleinigen Eigentum der Erblasserin stehenden Wohn- und Geschäftshauses, welches nach Darstellung des Beklagten nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens weit unter Wert verkauft worden sei, komme es nicht an. Im Zeitpunkt der Entscheidung über den Anfechtungsanspruch sei keine zur Befriedigung aller Gläubiger ausreichende Masse vorhanden. Fehler bei der Verwertung des Grundstücks könnten zur Haftung der Verwalterin führen, hätten auf den Anfechtungsanspruch jedoch keinen Einfluss. Der Beklagte habe Wertersatz in Höhe seiner Bereicherung zu leisten, welche der Wertsteigerung der zugewandten Wohnung nach Löschung der Grundschuld entspreche.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
1. Grundlage des Begehrens der Klägerin ist § 143 Abs. 1, Abs. 2, § 134 Abs. 1 InsO. Die Ablösung des Darlehens stellt eine nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbare unentgeltliche Leistung der Erblasserin an den Beklagten dar.
a) Mit der Sonderzahlung von 77.393,90 € haben die Erblasserin und ihr Ehemann nicht nur ihre eigene Darlehensverbindlichkeit gegenüber der Bank getilgt (§ 362 Abs. 1 BGB), sondern zugleich eine Leistung an den Beklagten erbracht, dessen Grundstück infolge der Zahlung frei von Rechten Dritter wurde. Entgegen der Ansicht der Revision handelt es sich hierbei nicht nur um einen nicht anfechtbaren „mittelbaren wirtschaftlichen Vorteil“. Der Begriff der Leistung in § 134 InsO entspricht nicht demjenigen des bürgerlichen Rechts (§ 812 Abs. 1 BGB; vgl. Jaeger/Henckel, InsO, § 134 Rn. 32). Nach der Begründung des Regierungsentwurfs wurde der in § 32 KO verwandte Begriff der unentgeltlichen Verfügung durch denjenigen der unentgeltlichen Leistung ersetzt, um deutlich zu machen, dass nicht nur rechtsgeschäftliche Verfügungen im engen materiellrechtlichen Sinne erfasst werden sollen (BT-Drucks. 12/2443 S. 160 zu § 149 RegE; vgl. auch MünchKomm-InsO/Kayser, 3. Aufl., § 134 Rn. 5). Angefochten und nach § 143 Abs. 1 InsO rückgängig gemacht wird nicht die Rechtshandlung selbst, sondern ihre gläubigerbenachteiligende Wirkung (vgl. etwa BGH, Urteil vom 9. Juli 2009 - IX ZR 86/08, WM 2009, 1750 Rn. 29; vom 1. Juli 2010 - IX ZR 58/09, WM 2010,1659 Rn. 14; HK-InsO/Kreft, 6. Aufl., § 129 Rn. 6). Eine Zahlung kann mehrere Leistungen im Sinne von § 134 InsO umfassen, also mehrere rechtliche Wirkungen nach sich ziehen, die anfechtungsrechtlich gesondert zu betrachten sind. Gegenstand der Anfechtung ist hier die Ablösung der Grundschuld.
Überdies diente die Sonderzahlung der Erfüllung einer Verpflichtung der Erblasserin gegenüber dem Beklagten. Die Erblasserin hatte dem Beklagten, wie sich aus § 3 des Übergabevertrags ergibt, das Wohneigentum lastenfrei zugewandt. Die Grundschuld, welche die Darlehensverbindlichkeit der Eltern bei der Bank sicherte, blieb zwar zunächst bestehen. Das Darlehen sollte jedoch von den Eltern zurückgezahlt werden, nicht vom Beklagten, und die Ansprüche aus der Sicherungsabrede gegen die Bank wurden an den Beklagten abgetreten. Das Berufungsgericht hat § 3 des Übergabevertrags revisionsrechtlich unbedenklich und von der Revision unbeanstandet als Verpflichtung der Erblasserin ausgelegt, dem Beklagten durch die Tilgung des Darlehens lastenfreies Eigentum zu verschaffen.
Entgegen der Ansicht der Revision steht der Annahme einer Leistung der Erblasserin an den Beklagten nicht entgegen, dass der Beklagte - anders als der Anfechtungsgegner in dem Fall, welcher dem Senatsurteil vom 4. März 1999 (IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96) zugrunde lag - nicht persönlich für das von der Grundschuld gesicherte Darlehen haftete. Ebenso wie der Anfechtungsgegner im damaligen Fall hat der Beklagte durch die Tilgung des Darlehens einen Vorteil erlangt, der darin bestand, dass die an seinem Wohneigentum bestellte Grundschuld nicht mehr valutierte. Ob er gegenüber dem Darlehensgläubiger persönlich haftete, aber Freistellung verlangen konnte, oder ob er von vorneherein nur mit dem übertragenen Grundstück haftete, ist ohne Belang.
b) Die Leistung war unentgeltlich.
aa) Eine Leistung ist unentgeltlich, wenn ihr nach dem Inhalt des ihr zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts keine Gegenleistung gegenübersteht, dem Leistenden also keine dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert entsprechende Gegenleistung zufließt. Die Sonderzahlung beruhte auf dem Darlehensvertrag und führte zum Erlöschen der Forderung aus § 488 BGB, welche die Bank durch Abschluss des Darlehensvertrages und Ausreichung des vereinbarten Darlehens, also entgeltlich, erworben hatte. Im Verhältnis zur Bank war die Leistung folglich nicht unentgeltlich. Im Verhältnis zum Beklagten gilt dies jedoch nicht. Ist eine dritte Person in einen Zuwendungs- oder Gegenleistungsvorgang einbezogen, kommt es für die Beurteilung der Unentgeltlichkeit der Leistung nicht entscheidend darauf an, ob der Schuldner selbst einen Ausgleich erhalten hat. Zu fragen ist vielmehr, ob der Empfänger seinerseits eine Gegenleistung zu erbringen hat. Dies entspricht der in § 134 InsO ebenso wie früher in § 32 KO zum Ausdruck kommenden Wertung, dass der Empfänger einer Leistung dann einen geringeren Schutz verdient, wenn er keine ausgleichende Gegenleistung zu erbringen hat (BGH, Urteil vom 4. März 1999 - IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96, 99 f; vom 3. März 2005 - IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276, 279 f). Der Beklagte hat keine Gegenleistung erbracht.
bb) Entgegen der Ansicht der Revision wird dadurch, dass der Beklagte mit der Ablösung der Grundschuld seinen vertraglichen Anspruch auf Übertragung lastenfreien Eigentums verlor, die Unentgeltlichkeit der Zuwendung nicht ausgeschlossen. Der in § 134 Abs. 1 InsO verwandte Begriff der Unentgeltlichkeit bedeutet nicht "rechtsgrundlos". Auch eine Leistung, die aufgrund eines Schenkungsvertrages - also mit Rechtsgrund - erfolgt, ist unentgeltlich. Die Unentgeltlichkeit einer Leistung, die - wie hier - kein Verpflichtungsgeschäft darstellt, ist nach dem Grundgeschäft zu beurteilen (Jaeger/Henckel, InsO, § 134 Rn. 3; MünchKomm-InsO/Kayser, 3. Aufl., § 134 Rn. 19; K. Schmidt/Ganter/Weinland, InsO, 18. Aufl., § 134 Rn. 18). Die Leistung der Erblasserin beruhte auf dem Übergabevertrag, der keine Gegenleistung des Beklagten vorsah. Der in § 8 des Übergabevertrags vereinbarte lebenslange Nießbrauch stellte keine Gegenleistung dar, sondern war allenfalls geeignet, den Wert der Zuwendung zu mindern.
c) Die Zahlung hatte schon deshalb eine Gläubigerbenachteiligung gemäß § 129 Abs. 1 InsO zur Folge, weil die von der Erblasserin aufgewandten Mittel endgültig aus ihrem Vermögen ausschieden und für eine Befriedigung der Gläubiger nicht mehr zur Verfügung standen. Die Überlegungen der Revision dazu, dass die Erblasserin im Zeitpunkt der Zahlung bereits vermögenslos gewesen sei und ihre Gläubiger deshalb keinerlei Aussicht auf eine auch nur teilweise Befriedigung ihrer Forderungen gehabt hätten, vermögen an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Die Erblasserin hat sich gemeinsam mit ihrem Ehemann den Betrag von 77.393,90 € verschafft und zur Ablösung der auf dem Wohneigentum des Beklagten lastenden Grundschuld verwandt. Die Frage des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Rechtshandlung und der Gläubigerbenachteiligung ist aufgrund des realen Geschehens zu beurteilen. Für hypothetische, nur gedachte Kausalverläufe ist insoweit kein Raum (BGH, Urteil vom 2. Juni 2005 - IX ZR 263/03, WM 2005, 1712, 1714; vom 20. Januar 2011 - IX ZR 58/10, WM 2011, 371 Rn. 14; Jaeger/Henckel, InsO, § 129 Rn. 131; HK-InsO/Kreft, 6. Aufl., § 129 Rn. 66; MünchKomm-InsO/Kayser, 3. Aufl., § 129 Rn. 181). Ob der Betrag von 77.393,90 € der Erblasserin insgesamt oder wegen der Mithaftung ihres Ehemannes für das Darlehen (§§ 420, 426 BGB) nur hälftig zugerechnet werden kann, bedarf keiner Entscheidung, weil nur der hälftige Betrag Gegenstand des Rechtsstreits ist.
d) Die Frist des § 134 InsO ist eingehalten. Entgegen der Ansicht der Revision kommt es hier nicht auf das Datum des Übergabevertrags an, sondern auf dasjenige der Zahlung. Wird ein schuldrechtliches Grundgeschäft durch mehrere Teilleistungen erfüllt, ist die Anfechtungsfrist für jede Teilleistung gesondert zu bestimmen (OLG Karlsruhe, NZI 2004, 31, 32; Jaeger/Henckel,InsO, § 134 Rn. 64; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 2. Aufl., § 134 Rn. 21). Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht es aus, dass der Vollzug der Schenkung innerhalb der Anfechtungsfrist des § 134 InsO erfolgte (vgl. BGH, Urteil vom 4. März 1999 - IX ZR 63/98, BGHZ 141, 96, 103 mwN). Eine Rechtshandlung gilt als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten (§ 140 Abs. 1 InsO). Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Erblasserin auf die gesicherte Forderung gezahlt. Mit dem Erlöschen der gesicherten Forderung (§ 362 Abs. 1 BGB) erwarb der Beklagte den ihm vorsorglich abgetretenen Anspruch gegen die Gläubigerin auf Rückgewähr der Grundschuld (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 1986 - IX ZR 206/85, WM 1986, 1441, 1442; Bamberger/Roth/Rohe, BGB, 3. Aufl., § 1192 Rn. 200 zum Rückgewähranspruch des Sicherungsgebers) und damit im Ergebnis unbelastetes Eigentum an der Wohnung. Die Begründung des Anspruchs auf lastenfreie Übertragung der Wohnung und der letzte Schritt des Vollzuges der Schenkung durch Ablösung des Grundpfandrechts bildeten zusammen die unentgeltliche Leistung der Erblasserin.
2. Rechtsfolge eines Anspruchs aus § 143 Abs. 1 InsO ist, dass dasjenige zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden muss, was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben worden ist. Das ist hier jedenfalls die Hälfte der Sonderzahlung von 77.393,90 €. Entgegen der Ansicht der Revision kann sich der Beklagte nicht auf einen Wegfall der Bereicherung berufen (§ 143 Abs. 2 Satz 1 InsO, § 818 Abs. 3 BGB). Die Revision verweist darauf, dass weder die getilgte Darlehensforderung noch der Anspruch auf Rückgewähr der gelöschten Grundschuld einen Wert für den Beklagten darstellten. Darauf kommt es indes nicht an. Folge der Zahlung war die Ablösung der Grundschuld, die bis dahin in Höhe von 77.393,90 € valutierte und den Wert des Wohneigentums entsprechend verringerte. Dieser Vorteil ist dem Beklagten verblieben.
Kayser Vill Lohmann
Pape Möhring