Entscheidungsdatum: 14.09.2017
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 26. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 24. August 2016 wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 350.000 € festgesetzt.
I.
Das Landgericht hat die Beklagten mit Urteil vom 26. Januar 2016 zur Rückzahlung eines Privatdarlehens in Höhe von 335.000 € verurteilt und eine auf Unterlassung einer Behauptung und Feststellung einer Schadensersatzpflicht gerichtete Widerklage des Beklagten zu 1 abgewiesen. Die Entscheidung wurde dem Beklagten zu 1, welcher zugleich Prozessbevollmächtigter der Beklagten ist, am 25. Februar 2016 zugestellt. Mit einem am 29. März 2016 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz legten die Beklagten fristgerecht Berufung gegen das landgerichtliche Urteil ein. Das Berufungsgericht verlängerte die Berufungsbegründungsfrist antragsgemäß bis zum 25. Mai 2016.
Die Beklagten beantragten mit einem am 1. Juni 2016 bei Gericht eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist. Zur Begründung ihres Antrags führten sie aus, dass ihr Prozessbevollmächtigter am 25. Mai 2016 um 23:15 Uhr versucht habe, die Berufungsbegründungsschrift per Telefax an das Berufungsgericht zu übermitteln. Aufgrund eines externen Leitungsfehlers sei die Übertragung jedoch gescheitert. Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen. Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist aber unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern (§ 574 Abs. 2 ZPO).
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Beklagten seien nicht ohne ein ihnen gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigen an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist gehindert gewesen. Die Beklagten hätten lediglich den einmaligen Versuch einer Übersendung der Berufungsbegründungsschrift per Telefax für den 25. Mai 2016 um 23:15 Uhr und dessen Scheitern wegen eines externen Leitungsfehlers dargelegt. Dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten habe es jedoch oblegen, bis zum Fristablauf um 24 Uhr mindestens einen weiteren Übermittlungsversuch zu unternehmen. Der Vortrag der Beklagten, wonach eine rechtzeitige Behebung des Leitungsfehlers trotz mehrfacher Bemühungen ihres Prozessbevollmächtigten nicht möglich gewesen sei, lasse nicht erkennen, welche konkreten Maßnahmen der Prozessbevollmächtigte unternommen habe. Aufgrund der ausdrücklichen Beanstandung seitens des Klägers hätten die Beklagten Anlass und Gelegenheit zur Konkretisierung ihres diesbezüglichen Vortrags gehabt. Mangels näherer Darlegungen zu Art und Dauer der technischen Störung sei überdies nicht feststellbar, dass weitere Übermittlungsversuche aus Sicht des Prozessbevollmächtigten von vornherein aussichtslos gewesen seien.
2. Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, dass die Zulassungsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO erfüllt sind. Insbesondere verletzt der angefochtene Beschluss die Beklagten weder in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) noch in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip), der es den Gerichten verbietet, den Parteien den Zugang zu einer in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. BVerfG, NJW-RR 2002, 1004; BGH, Beschluss vom 12. Juni 2013 - XII ZB 394/12, FamRZ 2013, 1384 Rn. 8; jeweils mwN). Die bei der Auslegung und Anwendung der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand regelnden Vorschriften geltenden Anforderungen hat das Berufungsgericht nicht überspannt (vgl. BVerfG, aaO mwN).
a) Mit Recht hat das Berufungsgericht dem Beklagten eine Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist versagt. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nach § 233 Satz 1 ZPO zu gewähren, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Nach den mit dem Wiedereinsetzungsantrag vorgetragenen und glaubhaft gemachten Tatsachen bleibt zumindest die Möglichkeit offen, dass die Fristversäumnis auf einem den Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 6. April 2011 - XII ZB 701/10, NJW 2011, 1972 Rn. 8; vom 8. April 2014 - VI ZB 1/13, NJW 2014, 2047 Rn. 7).
aa) Nach gefestigter Rechtsprechung dürfen die aus den technischen Gegebenheiten des Kommunikationsmittels Telefax herrührenden besonderen Risiken nicht auf den Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden. Dies gilt insbesondere für Störungen des Empfangsgeräts des Gerichts. In diesem Fall liegt die entscheidende Ursache für die Fristversäumnis in der Sphäre des Gerichts (vgl. BVerfG, NJW 1996, 2857 f; NJW 2001, 3473 f; BGH, Beschluss vom 21. Juli 2011 - IX ZB 218/10, nv Rn. 2; vom 5. September 2012 - VII ZB 25/12, NJW 2012, 3516 Rn. 10; vom 4. November 2014 - II ZB 25/13, NJW 2015, 1027 Rn. 19 mwN). Auch Störungen der Übermittlungsleitungen sind der Risikosphäre des Gerichts zuzuordnen, weil sie dem gewählten Übermittlungsmedium immanent sind (vgl. BVerfG, aaO; BGH, Beschluss vom 4. November 2014, aaO mwN). Der Nutzer hat mit der Wahl eines anerkannten Übermittlungsmediums, der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer das seinerseits zur Fristwahrung Erforderliche getan, wenn er so rechtzeitig mit der Übermittlung beginnt, dass unter normalen Umständen mit ihrem Abschluss bis zum Ablauf der Frist zu rechnen ist (vgl. BVerfG, aaO; BGH, Beschluss vom 6. April 2011, aaO Rn. 9; vom 4. November 2014, aaO; vom 1. März 2016 - VIII ZB 57/15, NJW 2016, 2042 Rn. 17).
bb) Dies befreit den Prozessbevollmächtigten indessen nicht davon, alle noch möglichen und zumutbaren Maßnahmen zur Fristwahrung zu ergreifen, wenn sich herausstellt, dass aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen wegen einer technischen Störung eine Telefaxverbindung nicht zustande kommt (vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 1995 - II ZB 1/95, NJW 1995, 1431, 1432; vom 21. Juli 2011, aaO). Hierbei dürfen die Gerichte die Anforderungen an die dem Prozessbevollmächtigten obliegende Sorgfalt allerdings nicht überspannen. Von einem Rechtsanwalt, der sich und seine organisatorischen Vorkehrungen darauf eingerichtet hat, einen Schriftsatz weder selbst noch durch Boten oder durch Post, sondern durch Telefax zu übermitteln, kann daher beim Scheitern der gewählten Übermittlung infolge eines Defekts des Empfangsgeräts oder wegen Leitungsstörungen nicht verlangt werden, dass er - unter Aufbietung aller nur denkbaren Anstrengungen - innerhalb kürzester Zeit eine andere als die gewählte Zugangsart sicherstellt (vgl. BVerfG, NJW 1996, 2857 f; NJW 2000, 1636; BGH, Beschluss vom 20. Februar 2003 - V ZB 60/02, NJW-RR 2003, 861 f; vom 4. November 2014, aaO).
cc) Das Berufungsgericht hat von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten weder verlangt, eine andere als die ursprünglich gewählte Zugangsart sicherzustellen, noch selbst nach der Ursache der Leitungsstörung zu suchen. Es hat von dem Prozessbevollmächtigten lediglich gefordert, seine Übermittlungsbemühungen nicht vorschnell abzubrechen, sondern in den bis zum Fristablauf noch zur Verfügung stehenden 45 Minuten mindestens einen weiteren Übertragungsversuch vorzunehmen. Dies war dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten von Verfassungs wegen zumutbar. Der von dem Berufungsgericht geforderte wiederholte Übermittlungsversuch erforderte von dem Prozessbevollmächtigten keinen erheblichen zusätzlichen Zeit- , Kosten- oder Organisationsaufwand (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juli 2011 - IX ZB 218/10, nv Rn. 4). Mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Prozessbevollmächtigte, der weder die Abgabe einer Störungsmeldung noch Erkenntnisse hinsichtlich der Art und der Dauer der technischen Störung vorgetragen hat, einen erneuten Übermittlungsversuch vor Fristablauf auch nicht als von vornherein aussichtslos ansehen durfte.
b) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass der Vortrag der insoweit darlegungsbelasteten Beklagten die Ursächlichkeit zwischen der schuldhaften Sorgfaltspflichtverletzung ihres Prozessbevollmächtigten und der Fristversäumung nicht ausräumen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2000 - IV ZB 17/00, NJW 2001, 76, 77; vom 5. September 2012 - VII ZB 25/12, NJW 2012, 3516 Rn. 12 mwN). Hat der Rechtsanwalt nicht alle ihm möglichen und zumutbaren Maßnahmen der Fristwahrung ergriffen, geht es zu seinen Lasten, wenn nicht festgestellt werden kann, dass die Frist auch bei Durchführung dieser Maßnahmen versäumt worden wäre (BGH, Beschluss vom 7. März 2013 - I ZB 67/12, NJW-RR 2013, 1011 Rn. 8). Es ist nicht auszuschließen, dass im Fall eines vor 24 Uhr vorgenommenen Wiederholungsversuchs die Berufungsbegründung fristgerecht an das Berufungsgericht übermittelt worden wäre.
c) Die von der Rechtsbeschwerde geltend gemachte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) liegt nicht vor. Das Berufungsgericht hat nicht gegen seine Hinweispflicht nach § 139 ZPO verstoßen. Ein gerichtlicher Hinweis ist regelmäßig entbehrlich, wenn die Partei von der Gegenseite die gebotene Unterrichtung erhalten hat (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2006 - VIII ZR 72/06, BGHZ 170, 67 Rn. 19; Beschluss vom 20. Dezember 2007 - IX ZR 207/05, NJW-RR 2008, 581 Rn. 2 mwN). Der Kläger hat bereits mit Schriftsatz vom 21. Juni 2016 unmissverständlich die mangelnde Konkretisierung des Beklagtenvortrags beanstandet, wobei er insbesondere die Tatsache hervorgehoben hat, dass weitere Übermittlungsversuche des Prozessbevollmächtigten der Beklagten nach dem Scheitern der um 23:15 Uhr versuchten Übertragung nicht dargelegt worden seien. Die Beklagten haben innerhalb der von dem Berufungsgericht gesetzten Frist Stellung zu diesem klägerischen Vorbringen genommen, ohne jedoch den ihnen bereits zu diesem Zeitpunkt möglichen und gebotenen Vortrag zu weiteren Übermittlungsversuchen zu halten.
d) Der erstmals mit der Rechtsbeschwerde gehaltene Vortrag, wonach der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zwischen 22:47 Uhr und 23:15 Uhr insgesamt 13 erfolglose Verbindungsversuche unternommen habe, danach die Telefonanlage und den Router zurückgesetzt habe, was aber ebenfalls nicht zum Erfolg geführt habe, und seine Bemühungen erst kurz nach 24 Uhr aufgegeben habe, kann demnach nicht mehr berücksichtigt werden. Grundsätzlich müssen alle Tatsachen, die für die Wiedereinsetzung von Bedeutung sein können, innerhalb der Antragsfrist vorgetragen werden; die Glaubhaftmachung hat bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag zu erfolgen (§ 234 Abs. 1, § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Lediglich erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten ist, dürfen noch nach Fristablauf - auch im Rechtsbeschwerdeverfahren - erläutert oder vervollständigt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2015 - V ZB 72/15, NJW 2016, 874 Rn. 8 f; vom 16. August 2016 - VI ZB 19/16, NJW 2016, 3312 Rn. 7, 10; vom 2. Februar 2017 - VII ZB 41/16, NJW-RR 2017, 627 Rn. 15; vom 13. Juli 2017 - IX ZB 110/16, zVb Rn. 14).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Weder geht es im Streitfall um unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, noch hat das Berufungsgericht gegen seine Hinweispflicht verstoßen. Die Beklagten haben vielmehr erstmals mit der Rechtsbeschwerdebegründung weitere Übermittlungsversuche vorgetragen. Damit können sie nicht gehört werden.
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