Entscheidungsdatum: 02.02.2017
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 19. Juli 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: bis 35.000 €
I.
Die Klägerin erstrebt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist für die Berufungsbegründung.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 22. Februar 2016 zugestellte klageabweisende Urteil des Landgerichts hat die Klägerin mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 24. Februar 2016 Berufung eingelegt.
Mit Verfügung vom 21. April 2016 hat die Vorsitzende des Berufungsgerichts die Frist zur Begründung der Berufung antragsgemäß bis 23. Mai 2016 einschließlich verlängert.
Mit Verfügung vom 31. Mai 2016 hat die Vorsitzende des Berufungsgerichts die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Berufung bis dahin nicht begründet worden und die Begründungsfrist am 23. Mai 2016 abgelaufen war, weshalb das Berufungsgericht beabsichtige, das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen.
Mit auf den 15. Mai 2016 datiertem Schriftsatz, der per Telefax übersandt worden und am 15. Juni 2016 beim Berufungsgericht eingegangen ist, hat die Klägerin vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Berufungsbegründung beantragt. Dabei hat sie ausgeführt, die Berufungsbegründung vom 13. Mai 2016 sei "am 13.05.2016 - ordnungsgemäß frankiert - durch Einwurf in den Postbriefkasten durch den Unterzeichner [= Prozessbevollmächtigter der Klägerin] auf den Postweg gebracht" worden, wie vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin eidesstattlich versichert. Ebenfalls am 15. Juni 2016 ist die vom 13. Mai 2016 datierende Berufungsbegründung beim Berufungsgericht eingegangen.
Mit Beschluss vom 19. Juli 2016 hat das Berufungsgericht den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts als unzulässig verworfen.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Ein der Klägerin gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten sei zu bejahen, weil die Klägerin bei Gesamtbetrachtung ihres Vorbringens und der vorhandenen Beweismittel nicht in einem für die Glaubhaftmachung erforderlichen Grad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit habe darlegen können, dass sie ohne Verschulden gehindert gewesen sei, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe bereits nicht mit seiner Wiedereinsetzungsschrift - zusätzliche - objektive Beweismittel präsentiert, die außerhalb der eidesstattlichen Versicherung bzw. anwaltlichen Versicherung als tragfähiges Beweismittel für die behauptete - rechtzeitige - Aufgabe des Schriftsatzes mit der Berufungsbegründung angesehen werden könnten. Die in der Wiedereinsetzungsfrist gemachten Angaben seien insoweit unzureichend, als ihnen nicht entnommen werden könne, in welchen Postbriefkasten die Berufungsbegründung vom 13. Mai 2016 eingeworfen worden sein solle und in welchen zeitlichen Abständen dieser geleert werde. Abseits dessen bestünden gewichtige - aus dem Akteninhalt erkennbare - Umstände, die es nicht für überwiegend wahrscheinlich erscheinen ließen, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin entsprechend seiner Darstellung im Schriftsatz vom 15. Mai 2016 die Berufungsbegründung - ordnungsgemäß frankiert - durch Einwurf in den Postbriefkasten auf den Weg gebracht habe. Widerspruchsbehaftet und unplausibel sei die Darstellung namentlich deshalb, weil die dem innewohnende Behauptung, der bestimmende Schriftsatz sei von ihm im Original auf dem Postwege an das Berufungsgericht gesandt worden, in eklatanter Weise in Widerspruch stehe zu der ständigen Handhabung des Prozessbevollmächtigten im vorliegenden Verfahren, fristgebundene Schriftsätze per Telefax zu übersenden. Ein weiterer Umstand, der zumindest gegen eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der unverschuldeten Fristversäumnis und damit gegen eine hinreichende Glaubhaftmachung spreche, sei die Datierung des den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand enthaltenden Schriftsatzes, zu dem auch die auf den 13. Mai 2016 datierende Berufungsbegründung per Telefax übersandt worden sei. Der genannte Schriftsatz sei auf den 15. Mai 2016 datiert, obwohl er ausweislich der Kennungszeile am 15. Juni 2016 per Telefax an das Berufungsgericht übersandt worden sei.
2. Die gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Denn die angefochtene Entscheidung verletzt die Klägerin in ihren Verfahrensgrundrechten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Das Berufungsgericht hat gegen § 139 Abs. 1 ZPO verstoßen, indem es den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin zurückgewiesen hat, ohne der Klägerin zuvor Gelegenheit zur ergänzenden Stellungnahme zu den Gründen für den Versand der Berufungsbegründung per Post statt per Telefax zu geben.
3. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 ZPO) gegen die Versäumung der Frist für die Berufungsbegründung nicht versagt werden.
a) Die Partei muss im Rahmen ihres Antrags auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist gemäß § 236 Abs. 2 ZPO die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen vortragen und glaubhaft machen.
Hierzu gehört, wenn - wie im Streitfall - Wiedereinsetzung mit der Behauptung begehrt wird, dass ein zur Post aufgegebener fristgebundener Schriftsatz verloren gegangen sei, eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe bis zur rechtzeitigen Aufgabe zur Post als Grundlage für die Glaubhaftmachung, dass der Verlust mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht im Verantwortungsbereich der Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten eingetreten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 16. August 2016 - VI ZB 40/15, NJW-RR 2016, 1402 Rn. 8; Beschluss vom 1. Dezember 2015 - II ZB 7/15 Rn. 15; Beschluss vom 10. September 2015 - III ZB 56/14, NJW 2015, 3517 Rn. 14; Beschluss vom 6. Mai 2015 - VII ZB 19/14, NJW 2015, 2266 Rn. 11 m.w.N.).
Grundsätzlich müssen alle Tatsachen, die für die Wiedereinsetzung von Bedeutung sein können, innerhalb der Antragsfrist vorgetragen werden; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen (§ 234 Abs. 1, § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten ist, dürfen jedoch auch nach Fristablauf noch erläutert oder vervollständigt werden (BGH, Beschluss vom 16. August 2016 - VI ZB 19/16, NJW 2016, 3312 Rn. 7).
b) Nach diesen Grundsätzen hätte das Berufungsgericht der Klägerin vor der Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag Gelegenheit geben müssen, zu den Gründen für den Versand der Berufungsbegründung per Post statt per Telefax Stellung zu nehmen (§ 139 Abs. 1 ZPO). Ohne die Einräumung einer solchen Gelegenheit zur Stellungnahme durfte das Berufungsgericht die überwiegende Wahrscheinlichkeit des von der Klägerin geschilderten Geschehensablaufs nicht mit der Erwägung verneinen, die behauptete Aufgabe der Berufungsbegründung zur Post stehe im Widerspruch zur fast ausnahmslosen Praxis des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im vorliegenden Verfahren, Schriftsätze an die Gerichte lediglich per Telefax zu versenden. Im Hinblick auf den Umstand, dass am 13. Mai 2016 die Berufungsbegründungfrist noch mehr als eine Woche lief und kein akuter Zeitdruck bestand, der eine Versendung per Telefax erforderte, gab es für die Klägerin keinen Anlass, im Wiedereinsetzungsantrag Ausführungen dazu zu machen, warum die Berufungsbegründung nicht per Telefax versandt worden ist. Die Klägerin war deshalb befugt, insoweit ihre Angaben mit der Rechtsbeschwerde zu ergänzen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat nunmehr an Eides Statt versichert, dass in seiner von ihm als Einzelanwalt geführten Kanzlei Schriftsätze seit Jahrzehnten grundsätzlich per Fax übersandt würden, wobei das Fax nach fünf Verbindungsversuchen abbreche; in diesen Fällen werde aus organisationstechnischen Gründen kein weiterer Versuch einer Faxübersendung mehr getätigt; die Schriftsätze für die Gerichte würden dann auf dem Postweg versandt, so auch der Schriftsatz vom 13. Mai 2016. Die Mitarbeiterin des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, Frau Sch., hat nunmehr an Eides Statt ebenfalls versichert, dass das Faxgerät nach fünf Verbindungsversuchen abbreche und dass in diesen Fällen aus organisationstechnischen Gründen kein weiterer Versuch einer Faxübersendung mehr getätigt werde, sondern diese Schriftsätze auf dem Postweg versandt würden.
III.
Das Berufungsgericht wird zu prüfen haben, ob es aufgrund des im Rechtsbeschwerdeverfahren unter Vorlage weiterer eidesstattlicher Versicherungen ergänzten Vorbringens den vorgetragenen Geschehensablauf für überwiegend wahrscheinlich erachtet. Die Sache ist daher gemäß § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass es sich bei der unrichtigen Datierung des Wiedereinsetzungsschriftsatzes auf den 15. Mai 2016 um ein bloßes Schreibversehen handeln könnte. Insoweit wird das Berufungsgericht die ergänzenden Ausführungen der Klägerin in der Rechtsbeschwerde zu berücksichtigen haben.
Des Weiteren weist der Senat darauf hin, dass das Vorbringen der Klägerin im Zusammenhang mit dem Wiedereinsetzungsantrag nicht deshalb unzureichend ist, weil es keine Angaben zum Standort des vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin benutzten Postbriefkastens und der Leerungszeiten dieses Postbriefkastens enthält. Auf den Standort des Postbriefkastens kommt es nicht an. Für die Leerungszeiten gilt unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Frist für die Berufungsbegründung am 13. Mai 2016 noch mehr als eine Woche lief, Entsprechendes.
Sollte es danach noch darauf ankommen, wird das Berufungsgericht gegebenenfalls der Klägerin Gelegenheit zu geben haben, den vorgetragenen Geschehensablauf durch etwa vorhandene weitere Mittel der Glaubhaftmachung zu untermauern.
Eick |
|
Halfmeier |
|
Kartzke |
|
Jurgeleit |
|
Sacher |
|
Berichtigungsbeschluss vom 20. April 2017
Der Beschluss des Senats vom 2. Februar 2017 - VII ZB 41/16 -wird gemäß § 319 Abs. 1 ZPO wegen eines Schreibfehlers wie folgt berichtigt:
In Rn. 16 Satz 3 muss es statt "dass am 13. Mai 2016 die Berufungsbegründung noch mehr als eine Woche lief" richtig "dass am 13. Mai 2016 die Berufungsbegründungsfrist noch mehr als eine Woche lief" heißen.
Eick |
|
Kartzke |
|
Graßnack |
|
Sacher |
|
Borris |
|