Entscheidungsdatum: 13.10.2011
Werden in den darstellenden Teil des Insolvenzplans die vom Schuldner begangenen Insolvenzstraftaten (§§ 283 bis 283c StGB) nicht aufgenommen, ist die Bestätigung des Plans nur zu versagen, wenn der Plan auf eine Unternehmensfortführung abzielt.
Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss der Zivilkammer 86 des Landgerichts Berlin vom 27. Dezember 2007 aufgehoben.
Die sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 2. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.
Der weitere Beteiligte zu 1 hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.
I.
Am 3. Juli 2006 eröffnete das Insolvenzgericht auf Eigenantrag des Schuldners, der sowohl als selbständiger Kaufmann als auch als Geschäftsführer im Bereich des Grundstückshandels tätig gewesen war, das Insolvenzverfahren. Im folgenden Jahr legte der Schuldner dem Insolvenzgericht einen Insolvenzplan vor, der von einer Liquidation des Unternehmens ausgeht und eine Quote von 0,5 vom Hundert auf die angemeldeten festgestellten ungesicherten Forderungen vorsieht. Beigefügt war die Erklärung eines Dritten nach § 230 Abs. 3 InsO, diese Quote sowie die Verfahrenskosten im Fall der Annahme des Plans zu zahlen. Im darstellenden Teil wurde angegeben, der Schuldner habe Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt und Versagungsgründe seien nicht ersichtlich, weshalb die bei Durchführung des gesetzlichen Verfahrens zu erwartende Quote bei Null läge. Die Mehrheit der Insolvenzgläubiger stimmte dem Plan am 2. Oktober 2007 zu, das Amtsgericht bestätigte ihn noch am selben Tag. Der weitere Beteiligte zu 1 legte hiergegen sofortige Beschwerde ein. Zur Begründung führte er aus, der darstellende Teil des Plans sei unvollständig, weil er keine Angaben darüber enthalte, dass der Schuldner mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Dresden vom 14. Dezember 2006 unter anderem wegen vorsätzlicher Verletzung der Buchführungspflicht nach § 283 Abs. 6, § 283b Abs. 1 Nr. 3b StGB zu einer Geldstrafe und mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Dresden vom 19. September 2007 wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO zu einer auf Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verurteilt worden sei.
Das Beschwerdegericht hat der sofortigen Beschwerde stattgegeben und dem Plan die Bestätigung versagt. Hiergegen wendet sich der Schuldner mit seiner Rechtsbeschwerde. Nach Einlegung der Rechtsbeschwerde hat der Schuldner dem Insolvenzgericht einen mit dem ursprünglichen weitgehend übereinstimmenden neuen Insolvenzplan vorgelegt, in dem die strafrechtlichen Verurteilungen enthalten sind. Diesem Plan hat die Mehrheit der Gläubiger am 2. September 2008 ebenfalls zugestimmt. Das Insolvenzgericht hat einen Antrag des weiteren Beteiligten zu 1, diesem Plan die gerichtliche Bestätigung aus Gründen des Minderheitenschutzes gemäß § 251 Abs. 1 InsO zu versagen, durch rechtskräftigen Beschluss vom 16. September 2008 zurückgewiesen, weitere Entscheidungen aber bislang nicht getroffen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 6, 7, 253 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Sie ist entgegen der Auffassung des weiteren Beteiligten zu 1 insbesondere nicht durch eine Bestätigung des neueren Insolvenzplans überholt. Das Insolvenzgericht hat diesen Plan nicht gemäß § 248 Abs. 1 InsO bestätigt. Es hat mit dem Beschluss vom 16. September 2008 lediglich eine Teilentscheidung getroffen, indem es den Antrag des weiteren Beteiligten zu 1, dem neuen Plan aus Gründen des Minderheitenschutzes gemäß § 251 Abs. 1 InsO die Bestätigung zu versagen, zurückgewiesen hat. Das Insolvenzverfahren ist damit noch nicht gemäß § 258 Abs. 1 InsO aufzuheben.
Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht, dessen Beschluss in ZIP 2008, 324 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, das Verschweigen der strafrechtlichen Verurteilungen habe gegen § 220 Abs. 2 InsO verstoßen, wonach der darstellende Teil eines Insolvenzplans alle Angaben zu den Grundlagen und den Auswirkungen des Plans enthalten solle, die für die Entscheidung der Gläubiger über die Zustimmung zum Plan und für dessen gerichtliche Bestätigung erheblich seien. Die strafrechtlichen Verurteilungen könnten einer späteren Restschuldbefreiung gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO entgegenstehen. Deshalb seien die Befriedigungsaussichten der Gläubiger bei Durchführung des gesetzlichen Verfahrens womöglich günstiger als nach dem Insolvenzplan. Der Einwand des Schuldners, die Gläubiger würden auch ohne Restschuldbefreiung mangels hinreichender Verdienstaussichten nicht mehr als die im Insolvenzplan ausgewiesene Quote erhalten, sei unbeachtlich.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Die sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 war zulässig. Er war durch den bestätigenden Beschluss des Insolvenzgerichts beschwert (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 2005 - IX ZB 266/04, BGHZ 163, 344, 347; vom 13. Januar 2011 - IX ZB 29/10, ZIP 2011, 781 Rn. 5). Er hat sich darauf berufen, zu seinen Gunsten seien Forderungen in Höhe von 549.231,35 € zur Tabelle festgestellt worden. Nach dem Plan sollte er einen Anteil von 99,5 vom Hundert dieser Summe verlieren. Darauf, ob der Beschwerdeführer bei Durchführung des bestätigten Plans schlechter steht als bei Fortsetzung des Insolvenzverfahrens, kommt es nicht an (BGH, Beschluss vom 15. Juli 2010 - IX ZB 65/10, WM 2010, 1509 Rn. 23 ff).
b) Der Mindestinhalt des darstellenden Teils eines Insolvenzplans ist nicht in das freie Belieben des Planverfassers gestellt. Ob zu den nach § 220 Abs. 2 InsO gebotenen Angaben auch die Mitteilung von Verfahren wegen Insolvenzstraftaten des Schuldners gehören, bestimmt sich danach, ob diese Angaben für die Entscheidung der Gläubiger über die Zustimmung zum Plan erheblich sind. Beabsichtigt der Schuldner nicht, das Unternehmen fortzuführen, ist es nicht geboten, etwaige Insolvenzstraftaten im Plan aufzuführen.
aa) Nach § 220 Abs. 2 InsO muss der darstellende Teil eines Insolvenzplans alle Angaben zu den Grundlagen und den Auswirkungen des Plans enthalten, die für die Entscheidung der Gläubiger über die Zustimmung zum Plan und für dessen gerichtliche Bestätigung erheblich sind (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2009 - IX ZB 236/07, WM 2009, 1336 Rn. 27). Danach sind alle diejenigen Angaben unerlässlich, welche die Gläubiger für ein sachgerechtes Urteil über den Insolvenzplan, gemessen an ihren eigenen Interessen, benötigen (BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2009 - IX ZB 30/09, ZIP 2010, 341 Rn. 3; vom 15. Juli 2010, aaO Rn. 44; Uhlenbruck/Maus, InsO, 13. Aufl., § 220 Rn. 1; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch zur Insolvenzordnung, 3. Aufl, Kap. 9 Rn. 40). Der Gesetzgeber hat durch die weite Formulierung der Vorschrift lediglich auf eine für alle Fälle verbindliche Vorgabe verzichtet und die Entscheidung, welche Angaben die Gläubiger benötigen, für jeden Einzelfall zunächst dem Planverfasser und sodann gemäß § 231 Abs. 1 Nr. 1, § 250 Nr. 1 InsO dem Insolvenzgericht übertragen (vgl. FK-InsO/Jaffé, 6. Aufl., § 220 Rn. 3). Das ändert aber nichts daran, dass ein gewisser Grundbestand an Informationen im darstellenden Teil grundsätzlich enthalten sein muss und nur ausnahmsweise entfallen darf (Bork, ZZP 1996, 473, 476; Uhlenbruck/Maus, aaO; HK-InsO/Flessner, 6. Aufl., § 250 Rn. 1, 3).
Die Verwendung des Wortes "soll" in § 220 Abs. 2 InsO bedeutet nicht, dass die geforderten Angaben fakultativ sind (so aber Otte in Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand 2005, § 220 Rn. 12; HmbKomm-InsO/Thies, 3. Aufl., § 220 Rn. 5). Dass einer vom Wortlaut her als Sollbestimmung ausgestalteten Regelung in der Insolvenzordnung eine zwingende Bedeutung zukommen kann, hat der Senat bereits in anderem Zusammenhang entschieden (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2005 - IX ZB 176/03, BGHZ 162, 181, 183 f; vom 10. Februar 2011, WM 2011, 839 Rn. 10). Auch die Vorschrift des § 220 Abs. 2 InsO ist nach ihrem Sinn und Zweck als zwingende Regelung zu lesen (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2009, aaO Rn. 27).
bb) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts ist die unterlassene Mitteilung der Insolvenzstraftaten hier jedoch nicht als erheblicher Verstoß anzusehen, der einer Bestätigung des Insolvenzplans entgegensteht. Was unter einem wesentlichen Punkt im Sinne des § 250 Nr. 1 InsO zu verstehen ist, wird vom Gesetz nicht ausdrücklich erläutert. Ein wesentlicher Verstoß in diesem Sinne liegt stets dann vor, wenn es sich um einen Mangel handelt, der Einfluss auf die Annahme des Insolvenzplans gehabt haben könnte (BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2009, aaO Rn. 3; LG Berlin ZInsO 2005, 609, 611; NZI 2005, 335, 337; Bähr/Landry in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 8. Aufl., § 14 Rn. 174; HK-InsO/Flessner, aaO, § 250 Rn. 5; HmbKomm-InsO/Thies, aaO, § 250 Rn. 7; MünchKomm-InsO/Sinz, 2. Aufl., § 250 Rn. 7; Uhlenbruck/Lüer, InsO, 13. Aufl., § 250 Rn. 5).
(1) Der Senat hat in seinem Beschluss vom 19. Mai 2009 (IX ZB 236/07, aaO) im Hinblick auf den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO bereits verneint, dass der Schuldner im Insolvenzplan im Einzelnen die Gründe darzulegen hat, aus denen ein Gläubiger die Versagung der Restschuldbefreiung beantragen könnte. Eine derartige Pflicht stünde mit der den Gläubiger gemäß § 251 Abs. 2, § 290 Abs. 2, § 297 Abs. 2 InsO treffenden Darlegungs- und Beweislast nicht in Einklang. Ob diese Erwägungen auch hinsichtlich des hier in Rede stehenden Versagungsgrundes des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu gelten haben, hat der Senat im angeführten Beschluss ausdrücklich offen gehalten (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2009, aaO Rn. 26). Die Frage ist differenzierend danach zu beantworten, ob der Plan auf eine Liquidation des Unternehmens oder übertragende Sanierung oder aber auf eine Unternehmensfortführung abzielt.
(2) Beachtliche Stimmen in der Literatur bejahen eine Pflicht zur Offenbarung von strafrechtlichen Verurteilungen nach den §§ 283-283c StGB nur dann, wenn nach dem Insolvenzplan der Schuldner selbst oder bei einer juristischen Person deren organschaftlicher Vertreter das Unternehmen fortführen sollen. Dann könnten frühere Straftaten erhebliche Bedenken gegen seine Zuverlässigkeit wecken und zugleich Zweifel an den Erfolgsaussichten des Plans begründen (MünchKomm-InsO/Eilenberger, aaO, Rn. 9; Otte in Kübler/Prütting/Bork, aaO, § 220 Rn. 12; Bähr/Landry, aaO Rn. 19; FK-InsO/Jaffé, aaO § 220 Rn. 43; BK-InsO/Breutigam, Stand 2010, § 220 InsO, Rn. 31). Damit orientiert sich das Schrifttum an der im Gesetzgebungsverfahren aus Gründen der Straffung des Gesetzes (vgl. BT-Drucks. 12/7302 S. 182 zu Nr. 138) entfallenen Regelung des § 260 RegE-InsO, die diese Unterscheidung bereits vorsah.
Der Senat hält diesen Standpunkt für zutreffend. Bei einer Unternehmensfortführung durch den bisherigen Unternehmensleiter steht zwingend die Eignung des Schuldners für eine derartige Aufgabe im Vordergrund. Hierzu gehört insbesondere dessen Zuverlässigkeit. Bei einem Unternehmer, der wegen Insolvenzstraftaten verurteilt worden ist, erscheint es zumindest sehr zweifelhaft, ob er für eine Unternehmensfortführung die erforderliche Eignung aufweist. Es handelt sich mithin um eine Angabe, die für die Entscheidungsbildung der Gläubiger, ob sie dem Plan ihre Zustimmung erteilen, von wesentlicher Bedeutung ist. Ist nach dem Plan keine Unternehmensfortführung vorgesehen, kommt der Angabe dagegen in der Regel keine tragende Bedeutung zu. Soweit sie im Hinblick auf den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO doch relevant sein könnte, ist zu beachten, dass die Annahme einer umfassenden Informationspflicht des Schuldners mit der grundsätzlich den Gläubiger gemäß § 251 Abs. 2, § 290 Abs. 2, § 297 Abs. 2 InsO treffenden Darlegungs- und Beweislast nicht zu vereinbaren ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2009, aaO Rn. 27).
3. Der Beschluss des Landgerichts unterliegt daher der Aufhebung (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Da die Aufhebung nur auf einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis beruht und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat durch Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses in der Sache selbst zu entscheiden (§ 577 Abs. 5 ZPO).
Kayser Vill Lohmann
Fischer Pape