Entscheidungsdatum: 13.01.2011
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 1. Dezember 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.
I.
Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners hat die Gläubigerversammlung einem Insolvenzplan zugestimmt. Der Plan ist vom Insolvenzgericht bestätigt worden. Der weitere Beteiligte zu 1 (fortan: Gläubiger), der nicht zum Erörterungs- und Abstimmungstermin geladen worden war, hat hiergegen sofortige Beschwerde eingelegt. Diese hat das Beschwerdegericht als unzulässig verworfen. Mit seiner Rechtsbeschwerde will der Gläubiger weiterhin die Aufhebung des Bestätigungsbeschlusses erreichen, hilfsweise die Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 253, 6, 7 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
1. Der angefochtene Beschluss ist nicht bereits wegen fehlender tatsächlicher Angaben aufzuheben (vgl. dazu etwa BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2010 - V ZB 210/09, z.V.b., Rn. 6 mwN). Seine Gründe lassen den eingangs dargestellten Sachverhalt (gerade noch) erkennen.
2. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Der Gläubiger sei gemäß §§ 253, 235 Abs. 3, § 38 InsO grundsätzlich beschwerdebefugt. Ihm fehle aber das Rechtsschutzinteresse. Der Insolvenzverwalter habe die Forderung des Gläubigers nach Grund und Höhe bestritten. Deshalb sei dessen Stimmrecht auf 0,00 festgesetzt worden. Der Gläubiger hätte folglich auch dann keinen Einfluss auf die Abstimmung nehmen können, wenn er an der Gläubigerversammlung teilgenommen hätte. Wer in seinen Rechten nicht betroffen, nicht abstimmungsberechtigt und nicht beschwert sei, sei auch nicht beschwerdebefugt. Der anhängige Rechtsstreit über die Berechtigung der angemeldeten Forderung ändere insoweit nichts. Dass der Gläubiger entgegen § 235 Abs. 3 InsO nicht zum Erörterungs- und Abstimmungstermin geladen worden sei, sei unschädlich und gebe keine Veranlassung zur Aufhebung des Bestätigungsbeschlusses.
3. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Eine Verletzung der Vorschriften über die Bestätigung eines Insolvenzplanes kann zwar nur von solchen Beteiligten gerügt werden, die durch die Entscheidung des Insolvenzgerichts beschwert sind (z.B. HK-InsO/Flessner, 5. Aufl. § 253 InsO Rn. 7). Wie der Senat jedoch bereits im Jahre 2005 entschieden (BGH, Beschluss vom 7. Juli 2005 - IX ZB 266/04, BGHZ 163, 344, 347) und im Jahre 2010 nochmals bestätigt hat (BGH, Beschluss vom 15. Juli 2010 - IX ZB 65/10, NZI 2010, 734 Rn. 26), reicht es aus, dass sich der beschwerdeführende Gläubiger auf die Beeinträchtigung seiner Rechte durch den Insolvenzplan beruft (materielle Beschwer). Diese von Amts wegen zu prüfende Voraussetzung ist hier jedenfalls erfüllt. Der Gläubiger hat eine Forderung aus unerlaubter Handlung zur Tabelle angemeldet, die Gegenstand eines Rechtsstreits zwischen ihm und dem Insolvenzverwalter ist. Diese Forderung würde er durch den bestätigten Insolvenzplan weitgehend verlieren. Hinzu kommt, dass der Gläubiger auch formell beschwert ist. Ein Bestätigungsbeschluss beschwert jeden Gläubiger, der dem Plan gemäß § 251 InsO widersprochen hat (BGH, Beschluss vom 7. Juli 2005, aaO). Der Gläubiger hat dem Plan nicht widersprochen, seiner Darstellung nach jedoch nur deshalb nicht, weil er entgegen § 235 Abs. 3 InsO nicht zum Erörterungs- und Abstimmungstermin geladen worden war und den Termin deshalb nicht wahrnehmen konnte. Ein Verstoß gegen § 235 Abs. 3 InsO stellt in der Regel einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der die Versagung der Bestätigung von Amts wegen nach sich zieht (§ 250 Nr. 1 InsO; vgl. Uhlenbruck/Lüer, InsO 13. Aufl. § 250 Rn. 21, § 235 Rn. 18; MünchKomm-InsO/Sinz, 2. Aufl. § 250 Rn. 12e; Graf-Schlicker/Kebekus, InsO 2. Aufl. §§ 235, 236 Rn. 3; HmbKomm-InsO/Thies, 3. Aufl. § 250 Rn. 8, § 235 Rn. 10). Ein Ausnahmetatbestand ist bisher nicht festgestellt.
III.
Der angefochtene Beschluss kann deshalb keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Da weitere Feststellungen erforderlich sind, die Sache also nicht entscheidungsreif ist, ist die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, das nunmehr die Begründetheit der sofortigen Beschwerde zu prüfen haben wird (§ 577 Abs. 4 Satz 4 ZPO).
Der Senat sieht Anlass zu folgendem Hinweis: Das Stimmrecht des Gläubigers ist bisher nicht, wie das Beschwerdegericht ausgeführt hat, „festgesetzt“ worden. Die angefochtene Entscheidung verweist insoweit auf eine Anlage zum Schriftsatz des Insolvenzverwalters vom 4. Juni 2009, den dieser zur Vorbereitung des Erörterungs- und Abstimmungstermins zu den Akten gereicht hat. Die Feststellung des Stimmrechts eines Gläubigers, dessen Forderung bestritten wird, hat jedoch gemäß § 237 Abs. 1 InsO nach § 77 Abs. 2 InsO zu erfolgen. Der Gläubiger ist stimmberechtigt, soweit sich in der Gläubigerversammlung der Verwalter und die erschienenen stimmberechtigten Gläubiger über das Stimmrecht geeinigt haben. Kommt es nicht zu einer Einigung, so entscheidet das Insolvenzgericht abschließend. In einem anschließenden Verfahren über die Bestätigung des Insolvenzplans werden die Feststellungen zum Stimmrecht nicht mehr überprüft (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2008 - IX ZB 235/06, NZI 2009, 106 Rn. 8 ff unter Hinweis auf BT-Drucks. 12/2443, S. 135). Dem Beschwerdegericht ist es daher verwehrt, das Stimmrecht des Gläubigers, über das bislang keine Einigung erzielt oder eine Entscheidung getroffen worden ist, eigenständig zu bewerten.
Kayser Raebel Vill
Lohmann Pape