Entscheidungsdatum: 15.09.2016
Wird die Anfechtungsklage eines Gläubigers gegen den Erwerber eines Grundstücks des Schuldners in einem Vorprozess rechtskräftig abgewiesen, kann ihm ein Rechtsschutzinteresse für einen unter Vorlage des vollstreckbaren Titels gegen den Schuldner gerichteten Insolvenzantrag nicht versagt werden, weil das klageabweisende Urteil weder für das Insolvenzverfahren noch für eine in seinem Rahmen zu erhebende Anfechtungsklage Rechtskraft entfaltet.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer XI des Landgerichts Karlsruhe vom 29. März 2016 wird auf Kosten der Schuldnerin zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert wird auf 500 € festgesetzt.
I.
Die Schuldnerin war hälftige Miteigentümerin eines in D. gelegenen Hausgrundstücks. In ihrer Eigenschaft als Gesellschafterin der Autohaus R. OHG nahm die Schuldnerin im Jahre 2006 ein Geschäftsdarlehen bei der weiteren Beteiligten zu 1 (fortan: Beteiligte zu 1), einem Kreditinstitut, auf. Die Schuldnerin und die Beteiligte zu 1 verständigten sich dahin, dass der Miteigentumsanteil der Schuldnerin an dem Grundstück im Zusammenhang mit der Kreditvergabe nicht belastet wird. Durch Vertrag vom 27. Mai 2011 übertrug die Schuldnerin im Wege vorweggenommener Erbfolge den Miteigentumsanteil an dem Grundstück schenkweise auf ihre Tochter. Nach der am 22. Juni 2011 erfolgten außerordentlichen Kündigung des Darlehens erwirkte die Beteiligte zu 1 im Hinblick auf ihren Rückforderungsanspruch von 862.587,19 € am 6. Oktober 2011 über einen Teilbetrag von 300.000 € einen Vollstreckungsbescheid gegen die Schuldnerin.
Ferner nahm die Beteiligte zu 1 die Tochter der Schuldnerin im Wege der Gläubigeranfechtung auf Duldung der Zwangsvollstreckung in den ihr übertragenen Grundstücksanteil in Anspruch. Die Klage wurde rechtskräftig abgewiesen. Das Berufungsgericht lehnte eine in der Übertragung des Grundstücks liegende Gläubigerbenachteiligung ab, weil der Schuldnerin in Höhe der Darlehensforderung ein Schadensersatzanspruch gegen die Beteiligte zu 1 zustehe, die sie fehlerhaft nicht über die Möglichkeit aufgeklärt habe, ungeachtet der fehlenden dinglichen Belastung im Vollstreckungswege auf das Grundstück zugreifen zu können.
Auf Antrag der Beteiligten zu 1 hat das Insolvenzgericht am 13. März 2015 ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Die dagegen eingelegte Beschwerde ist zurückgewiesen worden. Mit der von dem Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin ihr Begehren weiter.
II.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Der Insolvenzantrag eines Gläubigers sei gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 InsO zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft mache. Rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig könne ein Antrag sein, wenn es dem Antragsteller um andere Ziele als die Befriedigung seiner eigenen Forderung im Rahmen des Insolvenzverfahrens gehe. Das Rechtsschutzinteresse der Beteiligten zu 1 entfalle nicht deshalb, weil sie nach den bisherigen Feststellungen der Insolvenzverwalterin die einzige Gläubigerin der Schuldnerin sei.
Das Unterliegen der Beklagten zu 1 in dem gegen die Tochter geführten Vorprozess lasse nicht auf ein insolvenzzweckwidriges Verhalten schließen. Ein rechtliches Interesse an der Eröffnung könne fehlen, wenn sich ein Gläubiger mit Hilfe der Verfahrenseröffnung einen ihm nicht zustehenden Vorteil verschaffen wolle. Hier sei die Forderung der Beteiligten zu 1 nach Grund und Höhe unstreitig und im Übrigen teilweise tituliert. Der von der Schuldnerin eingewandte Schadensersatzanspruch sei seinen Voraussetzungen nach streitig und nicht mit Rechtskraftwirkung geklärt. Die in dem Vorprozess ergangenen rechtskräftigen Entscheidungen wirkten nur für und gegen die Parteien des Rechtsstreits, an dem die Schuldnerin nicht beteiligt gewesen sei. Dem Insolvenzgericht obliege nicht, rechtlich oder tatsächlich zweifelhaften Einwendungen gegen die titulierte Forderung nachzugehen.
Auch das Vergleichsangebot der Beteiligten zu 1 lasse ein insolvenzzweckwidriges Ziel nicht erkennen. Laufende Vergleichsverhandlungen ließen das rechtliche Interesse an der Antragstellung grundsätzlich nicht entfallen. Ferner sei nicht ersichtlich, dass der Antrag als Mittel der kostengünstigen Ausforschung der schuldnerischen Vermögensverhältnisse eingesetzt werde.
Der Antrag sei nicht aufgrund rechtlicher oder wirtschaftlicher Nutzlosigkeit unzulässig. Selbst im Falle völliger Masseunzulänglichkeit werde das Rechtsschutzinteresse für einen Eröffnungsantrag nicht berührt. Zwar könne das Rechtsschutzinteresse fehlen, wenn der Antragsteller seine Position durch die beantragte Entscheidung weder rechtlich noch wirtschaftlich verbessern könne. Vorliegend sei im Blick auf die Möglichkeit einer insolvenzrechtlichen Anfechtungsklage nicht ausgeschlossen, dass die Beteiligte zu 1 im eröffneten Verfahren wirtschaftlich günstiger stehe. Die Rechtskraft des vor Verfahrenseröffnung ergangenen klageabweisenden Urteils im Anfechtungsrechtsstreit wirke sich gegenüber der selbständigen Anfechtungsklage der Insolvenzverwalterin selbst dann nicht aus, wenn diese auf denselben Sachverhalt und Anfechtungsgrund gegründet sei.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung stand.
a) Nach § 14 Abs. 1 InsO muss der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens haben und seine Forderung sowie den Eröffnungsgrund glaubhaft machen. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
aa) Eröffnet wird das Verfahren, wenn ein Eröffnungsgrund gegeben ist (§ 16 InsO). Soll der Eröffnungsgrund aus einer einzigen Forderung des antragstellenden Gläubigers abgeleitet werden und ist diese Forderung bestritten, genügt ihre Glaubhaftmachung nicht. Sie muss dann für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewiesen sein (BGH, Beschluss vom 14. Januar 2010 - IX ZB 177/09, WM 2010, 660 Rn. 6; vom 23. Juni 2016 - IX ZB 18/15, WM 2016, 1461 Rn. 12).
bb) Den ihr obliegenden Beweis für den Bestand ihrer Forderung hat die Beteiligte zu 1 durch Vorlage des Vollstreckungsbescheids vom 6. Oktober 2011 geführt (BGH, Beschluss vom 14. Januar 2010, aaO).
(1) Im eröffneten Verfahren obliegt es dem Bestreitenden, den Widerspruch zu verfolgen, wenn ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vorliegt (§ 179 Abs. 2 InsO). Diese Wertung gilt auch im Eröffnungsverfahren. Die Schuldnerin hätte ihre Einwendungen gegen die titulierte Forderung oder gegen deren Vollstreckbarkeit in dem für den jeweiligen Einwand vorgesehenen Verfahren überprüfen lassen können (etwa §§ 767, 768, 732 ZPO). Das hat sie nicht getan (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 2007 - IX ZB 12/07, WM 2008, 227 Rn. 9).
(2) Das Insolvenzgericht kann diese Prüfung nicht nachholen. Ebenso wie es nicht Sache des Insolvenzgerichts ist, den Bestand ernsthaft bestrittener, rechtlich zweifelhafter Forderungen zu überprüfen, obliegt es ihm auch nicht, rechtlich und tatsächlich zweifelhaften Einwendungen gegen eine titulierte Forderung nachzugehen (BGH, aaO). Solange die Vollstreckbarkeit des Titels nicht beseitigt ist, braucht das Insolvenzgericht die Einwendungen des Schuldners nicht zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 17. September 2009 - IX ZB 26/08, ZInsO 2009, 2072 Rn. 5 mwN; vom 14. Januar 2010, aaO).
(3) Die Frage, ob Einwendungen gegen den vollstreckbaren Titel, der Grundlage des Insolvenzantrags des Gläubigers ist, ausnahmsweise nicht im dafür vorgesehenen Verfahren verfolgt werden müssen, wenn die Tatsachen, die dem Titel entgegenstehen, unstreitig oder offensichtlich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2010 - IX ZB 121/10, WM 2011, 135 Rn. 2; vom 23. Juni 2016, aaO Rn. 14), stellt sich nicht. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, dass der von der Schuldnerin eingewandte Schadensersatzanspruch seinen Voraussetzungen nach zwischen den Beteiligten streitig ist. Diese Würdigung, die einer Prüfung der Forderung im Eröffnungsverfahren entgegensteht, wird von der Beschwerde nicht in Frage gestellt.
(4) Schließlich kann sich die Schuldnerin nicht darauf berufen, aus dem von der Beteiligten zu 1 gegen ihre Tochter geführten Anfechtungsprozess ergebe sich, dass ihr gegen die Beteiligte zu 1 ein Schadensersatzanspruch in Höhe der geltend gemachten Forderung zustehe. An diesem Rechtsstreit war die Schuldnerin nicht beteiligt. Mithin erstreckt sich die Rechtskraft des Titels nicht auf das Verhältnis der Schuldnerin zu der Beteiligten zu 1. Folglich ist in vorliegendem Verfahren von der Begründetheit der Forderung der Beteiligten zu 1 auszugehen.
b) Ein Rechtsschutzinteresse der Beteiligten zu 1 entfällt nicht deshalb, weil einer nach Verfahrenseröffnung zur Masseanreicherung gegen die Tochter der Schuldnerin erhobenen Anfechtungsklage (§ 143 Abs. 1, § 134 Abs. 1 InsO) von vornherein keine Erfolgsaussichten beizumessen wären.
aa) Die Anfechtungsbefugnis geht gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 AnfG mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners von anfechtenden Gläubigern auf den Insolvenzverwalter über. Hat ein Gläubiger vor Verfahrenseröffnung einen vollstreckbaren oder auch bereits rechtskräftigen Titel über einen Anfechtungsanspruch erwirkt, kann der Insolvenzverwalter als Rechtsnachfolger im Sinne der §§ 727, 325 ZPO den Titel auf sich umschreiben lassen (MünchKomm-AnfG/Kirchhof, 2012, § 16 Rn. 14; Jaeger/Henckel, InsO, 2008 § 129 Rn. 301).
bb) Umgekehrt erwächst ein Urteil, das dem Einzelgläubiger den Anfechtungsanspruch versagt, nicht in Rechtskraft zum Nachteil der Insolvenzmasse. Dies folgt bereits daraus, dass die Parteien des Einzelgläubigeranfechtungsprozesses und des Insolvenzanfechtungsprozesses nicht identisch sind. Eine Rechtsnachfolge zu Lasten der Insolvenzmasse (§ 325 ZPO) greift nicht durch, weil der Gläubiger nicht zu Lasten der Insolvenzmasse wirksam über den materiell-rechtlichen Anfechtungsanspruch disponieren darf. Im Übrigen dienen §§ 16 bis 18 AnfG dem Zweck, die Rechte der Gläubigergesamtheit im Verhältnis zum Einzelgläubiger zu stärken (Jaeger/Henckel, aaO § 129 Rn. 302; MünchKomm-AnfG/Kirchhof, aaO § 16 Rn. 15; MünchKomm-InsO/Kayser, 3. Aufl. § 129 Rn. 207; Uhlenbruck/Hirte/Ede, InsO, 14. Aufl., § 129 Rn. 24). Bei dieser Sachlage ist die Beteiligte zu 2 als Insolvenzverwalterin durch die Rechtskraft des Vorprozesses nicht gehindert, die Tochter der Schuldnerin im Wege der Insolvenzanfechtung in Anspruch zu nehmen. Diese Befugnis kann der Beteiligten zu 2 auch deshalb nicht abgesprochen werden, weil im Streitfall die Möglichkeit besteht, dass nach Verfahrenseröffnung weitere Gläubiger Forderungen anmelden.
c) Schließlich hängt das Rechtsschutzinteresse der Beteiligten zu 1 für ihren Insolvenzantrag nicht davon ab, ob sie in dem eröffneten Verfahren eine Befriedigung erlangen kann. Auch im Falle völliger Masseunzulänglichkeit wird das Rechtsschutzinteresse für einen Eröffnungsantrag nicht berührt. Aus § 26 InsO ergibt sich, dass auch Verfahren ohne Verteilungsperspektive zu eröffnen sind, wenn nur die Verfahrenskosten gedeckt sind (BGH, Beschluss vom 23. September 2010 - IX ZB 282/09, WM 2010, 2088 Rn. 11). Der Umstand, dass die Beteiligte zu 1 möglicherweise alleinige Gläubigerin der Schuldnerin ist, lässt ihr Rechtsschutzinteresse ebenso nicht entfallen (BGH, Beschluss vom 17. Juni 2009 - IX ZB 250/09, Rn. 5).
Kayser Gehrlein Pape
Grupp Möhring