Entscheidungsdatum: 07.02.2013
Forderungen, die infolge einer Sicherungszession mit einem Absonderungsrecht wertausschöpfend belastet sind, können auch dann nicht bei der Vergütung des vorläufigen Verwalters in die Berechnungsgrundlage einbezogen werden, wenn die Sicherungsabtretung im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens anfechtbar ist.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 17. Oktober 2011 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 4.648,49 € festgesetzt.
I.
Der weitere Beteiligte wurde auf Antrag des Schuldners vom 10. Juni 2010 am gleichen Tag zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt über dessen Vermögen bestellt. Er wurde ermächtigt, Bankguthaben und Forderungen des Schuldners einzuziehen, auch Forderungen, die der Schuldner zur Sicherung eines Anspruchs abgetreten hatte. Am 14. Dezember 2010 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der weitere Beteiligte zum Insolvenzverwalter bestellt.
Er begehrt die Festsetzung seiner Vergütung für die Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter in Höhe von 8.220,38 € zuzüglich Auslagen von 1.027,55 € und Umsatzsteuer von 1.757,11 €, zusammen 11.005,04 €. Als Berechnungsgrundlage legt er einen Betrag von 209.303,59 € zugrunde, in den er die Rückkaufswerte nebst Überschussbeteiligung zweier Lebensversicherungen in Höhe von 91.083,11 € und 78.080,96 € einbezieht, die der Schuldner an das Land Nordrhein-Westfalen sicherungshalber abgetreten hatte. Die Einbeziehung begründet er damit, dass die Sicherungsabtretung jeweils der Insolvenzanfechtung unterliege.
Mit Beschluss vom 1. Juli 2011 hat das Amtsgericht die Vergütung unter Zugrundelegung einer Berechnungsgrundlage ohne den Wert der beiden Lebensversicherungen in Höhe von 40.139,52 € auf einen Endbetrag von 6.356,55 € festgesetzt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der vorläufige Insolvenzverwalter seinen Vergütungsantrag in vollem Umfang weiter.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 6, 7, 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 64 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, Art. 103 f EGInsO) und zulässig (§ 574 Abs. 2, § 575 ZPO). Die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts ist am 17. Oktober 2011 beschlossen und am 25. Oktober 2011 zur Post gegeben, also vor dem 27. Oktober 2011 erlassen worden, weshalb für die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde § 7 InsO aF Anwendung findet (BGH, Beschlüsse vom 10. Mai 2012 - IX ZB 295/11, ZIP 2012, 1146 Rn. 5 ff; IX ZB 296/11, ZInsO 2012, 1185 Rn. 7).
Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet.
1. Das Beschwerdegericht hat gemeint, eine Berücksichtigung des Wertes der Lebensversicherungen, an denen infolge der Sicherungsabtretung im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung Absonderungsrechte bestünden, komme gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 InsVV nicht in Betracht, weil der vorläufige Insolvenzverwalter nicht dargelegt habe, dass er sich in erheblichem Umfang mit den Lebensversicherungen befasst habe. Der Umstand, dass die bestehenden Absonderungsrechte nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß §§ 129 ff InsO anfechtbar seien, ändere daran nichts, weil mögliche Anfechtungsrechte erst im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahren entstünden.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass der Insolvenzverwalter nach Verfahrenseröffnung auch sicherungszedierte Forderungen gemäß § 166 Abs. 2 InsO einziehen und verwerten dürfte und einem Absonderungsbegehren des Sicherungszessionars zeitlich unbegrenzt die Einrede der Anfechtbarkeit entgegenhalten könne (§ 146 Abs. 2 InsO). Denn der Beschwerdeführer habe nach Verfahrenseröffnung von dieser Befugnis keinen Gebrauch gemacht, und auch vor der Eröffnung die ausgesprochene Einziehungsermächtigung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO nicht genutzt.
2. Die Ausführungen des Beschwerdegerichts halten rechtlicher Prüfung im Ergebnis stand. Die von den Vorinstanzen zugrunde gelegte Berechnungsgrundlage ist nicht zu beanstanden.
a) Eine Einbeziehung des Wertes der Lebensversicherungen in die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Verwalters kommt nach § 11 Abs. 1 Satz 4 InsVV nur dann in Betracht, wenn sich der vorläufige Verwalter mit ihnen in erheblichem Umfang befasst hat. Die Lebensversicherungen waren durch die Sicherungsabtretungen wertausschöpfend mit Absonderungsrechten gemäß § 51 Nr. 1 InsO belastet. Der vorläufige Insolvenzverwalter hat sich mit ihnen nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts nicht in erheblichem Umfang befasst. Dies wird von der Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel gezogen.
Davon abgesehen kämen die Lebensversicherungen als Bestandteil der Berechnungsgrundlage selbst dann nicht in Betracht, wenn sich der vorläufige Insolvenzverwalter in erheblichem Umfang mit ihnen befasst hätte. Denn § 11 Abs. 1 Satz 4 InsVV ist insoweit mit der Ermächtigungsgrundlage des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1, § 65 InsO unvereinbar und nichtig, als er anordnet, dass mit Absonderungsrechten wertausschöpfend belastete Gegenstände unter der Voraussetzung erheblicher Befassung bei der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigen sind (BGH, Beschluss vom 15. November 2012 - IX ZB 130/10, ZIP 2013, 30 Rn. 34 ff, zVb in BGHZ).
b) Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Insolvenzverwalter nach Verfahrenseröffnung nach § 166 Abs. 2 InsO zur Einziehung der sicherungszedierten Forderungen berechtigt ist und einem Absonderungsbegehren des Sicherungszessionars gemäß § 146 Abs. 2 InsO zeitlich unbegrenzt die Einrede der Anfechtbarkeit entgegenhalten kann. Dies betrifft die Tätigkeit des endgültigen Verwalters, nicht diejenige des hier zu vergütenden vorläufigen Verwalters.
Wie der Senat entschieden hat, ist die mögliche Anfechtbarkeit eines bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehenden Absonderungsrechts für die Berechnungsgrundlage der Vergütung des vorläufigen Verwalters ohne Bedeutung, auch soweit damit der Wert der Masse erhöht würde. Mögliche Anfechtungsansprüche entstehen erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens; sie müssen vom endgültigen Verwalter erst geltend gemacht und durchgesetzt werden und haben nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf Rückabtretung zur Folge. Der Zessionar der Sicherungsabtretung bleibt Inhaber der Forderung, bis der Anspruch an den Insolvenzverwalter zurückabgetreten worden ist oder infolge der Verurteilung des Zessionars als zurückabgetreten gilt (BGH, Urteil vom 21. September 2006 - IX ZR 235/04, ZIP 2006, 2176 Rn. 18; Beschluss vom 18. Dezember 2008 - IX ZB 46/08, ZInsO 2009, 495 Rn. 9). Deshalb ist auch der Wert des Anfechtungsanspruchs selbst, der erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht, nach ständiger Rechtsprechung des Senats nach geltendem Recht nicht Gegenstand der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Verwalters (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2008, aaO Rn. 10 mwN).
Ob und in welchem Umfang das Einziehungsrecht des Verwalters nach § 166 Abs. 2 InsO die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des (endgültigen) Verwalters erhöht, kann dahinstehen. Dieses Einziehungsrecht entsteht erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und kann deshalb nicht die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des vorläufigen Verwalters erhöhen.
c) Schließlich hat das nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InsO vom Insolvenzgericht pauschal angeordnete Einziehungsrecht hinsichtlich der sicherungshalber abgetretenen Forderungen die Berechnungsgrundlage nicht erhöht.
aa) Die Berechnungsgrundlage hätte sich allerdings um die Feststellungs- und Verwertungspauschalen im Sinne des § 171 InsO erhöht, wenn der vorläufige Verwalter die sicherungsabgetretenen Forderungen tatsächlich eingezogen hätte. Denn nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Satz 3 InsO wäre in diesem Fall § 171 InsO entsprechend anwendbar und beide Pauschalen hätten für die spätere Insolvenzmasse vereinnahmt werden können. Die Pauschalen oder jedenfalls der Anspruch hierauf wären in das Vermögen gelangt, auf das sich die Tätigkeit des vorläufigen Verwalters bezog. Der vorläufige Verwalter hat jedoch nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts von seinem Einziehungsrecht - die Wirksamkeit der pauschalen Anordnung unterstellt - keinen Gebrauch gemacht.
bb) Ob sich die Berechnungsgrundlage weitergehend hätte erhöhen können, wenn der vorläufige Verwalter die sicherungshalber abgetretenen Forderungen aufgrund der Ermächtigung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO eingezogen hätte, kann dahinstehen. Das ist hier nicht entscheidungserheblich. Da er von dem Einziehungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat, bleibt es dabei, dass die durch die Sicherungsabtretung wertausschöpfend belasteten Forderungen die Berechnungsgrundlage des vorläufigen Verwalters nicht erhöhen konnten.
Kayser Vill Lohmann
Fischer Pape