Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 21.06.2012


BGH 21.06.2012 - IX ZB 265/11

Restschuldbefreiung: Unzulässigkeit des Versagungsantrags bei fehlender Glaubhaftmachung eines Versagungsgrundes


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
21.06.2012
Aktenzeichen:
IX ZB 265/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Kempten, 22. August 2011, Az: 43 T 1136/11vorgehend AG Kempten, 8. Juni 2011, Az: IK 96/05
Zitierte Gesetze

Tenor

Dem Schuldner wird Wiedereinsetzung in die Fristen zur Einreichung und zur Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 22. August 2011 gewährt.

Auf die Rechtsmittel des Schuldners werden der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 22. August 2011 und der Beschluss des Amtsgerichts Kempten vom 8. Juni 2011 aufgehoben.

Die Anträge der weiteren Beteiligten zu 1 bis 3 auf Versagung der Restschuldbefreiung werden als unzulässig zurückgewiesen.

Die weiteren Beteiligten zu 1 bis 3 haben die Gerichtskosten aller Rechtszüge sowie die außergerichtlichen Kosten des Schuldners zu tragen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

In dem auf Antrag des Schuldners am 7. März 2005 eröffneten und zwischenzeitlich in die Wohlverhaltensphase übergeleiteten Insolvenzverfahren hat das Insolvenzgericht nach Beendigung der Laufzeit der Abtretungserklärung mit Beschluss vom 7. Januar 2011 den Gläubigern Gelegenheit gegeben, Anträge auf Versagung der Restschuldbefreiung zu stellen. Hierauf haben die weitere Beteiligte zu 1 mit Schreiben vom 17. Februar 2011 und die weiteren Beteiligten zu 2 und 3 mit Schriftsatz vom 15. März 2011, jeweils unter Bezugnahme auf den Schlussbericht des Treuhänders vom 7. Februar 2011, die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt.

2

Diesen Anträgen hat das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 8. Juni 2011 entsprochen. Die gegen die Versagung der Restschuldbefreiung gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners ist erfolglos geblieben. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner seinen Antrag auf Zurückweisung der Versagungsanträge weiter.

II.

3

Dem Schuldner ist nach Gewährung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§§ 233, 234 Abs. 2, § 575 ZPO).

4

Soweit der Antrag des Schuldners auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren erst nach Ablauf der Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof eingegangen ist, musste ihm ebenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, weil das Beschwerdegericht es unterlassen hat, die am 16. September 2011 bei ihm eingegangene Begründung des "Einspruchs gegen den Beschluss des Landgerichts Kempten vom 22.08.2011" im ordentlichen Geschäftsgang an den Bundesgerichtshof weiterzuleiten.

III.

5

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 6, 7, 300 Abs. 3 Satz 2 InsO, Art. 103f EGInsO) und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Das Rechtsmittel ist auch begründet.

6

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, ein Verstoß des Schuldners gegen seine Obliegenheiten stehe fest, weil er in der Zeit seit 2005 Einkommensnachweise hinsichtlich seiner in Malaysia ausgeübten Tätigkeit aufforderungswidrig nicht vorgelegt habe. Der Schuldner müsse sich deshalb von dem Vorwurf entlasten, seine Obliegenheitspflichten schuldhaft verletzt zu haben.

7

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Versagungsantrag der weiteren Beteiligten zu 1 vom 17. Februar 2011 ist unzulässig und daher zurückzuweisen. Entsprechendes gilt für die Versagungsanträge der weiteren Beteiligten zu 2 und 3 vom 15. März 2011.

8

a) Gemäß § 300 Abs. 2 Satz 1 InsO bedarf es zur Versagung der Restschuldbefreiung zwingend eines Gläubigerantrages. Ein solcher Antrag ist nach der genannten Vorschrift nur zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 296 Abs. 1 Satz 1 und 2 InsO glaubhaft gemacht werden. Nach § 296 Abs. 1 Satz 1 InsO muss der Schuldner während der Laufzeit der Abtretungserklärung gemäß § 287 Abs. 2 InsO eine seiner Obliegenheiten schuldhaft verletzt haben. Weitere Voraussetzung ist, dass die Befriedigung der Insolvenzgläubiger durch die Obliegenheitsverletzung beeinträchtigt ist (BGH, Beschluss vom 22. September 2011 - IX ZB 133/08, ZInsO 2011, 2101 Rn. 7 mwN). Auch diese Voraussetzung hat der Gläubiger glaubhaft zu machen. Eine Beeinträchtigung der Befriedigung der Gläubiger liegt nach der Rechtsprechung des Senats allerdings auch dann vor, wenn durch die Obliegenheitsverletzung nur Massegläubiger, wozu auch die Staatskasse bezüglich der Verfahrenskosten gehört, benachteiligt werden (BGH, Beschluss vom 14. April 2011 – IX ZA 51/10, ZInsO 2011, 978 Rn. 4; ebenso LG Göttingen NZI 2008, 625; Wenzel, in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 296 Rn. 5; Graf-Schlicker/Kexel, InsO 2. Aufl. § 296 Rn. 2). Gegebenenfalls hat sich die Glaubhaftmachung des Gläubigers hierauf zu beziehen.

9

b) Diesen Voraussetzungen genügen die Versagungsanträge der weiteren Beteiligten zu 1 bis 3 nicht. Den Anträgen, in denen nur auf den Schlussbericht des Treuhänders vom 7. Februar 2011 verwiesen wird, ist nicht zu entnehmen, dass der Schuldner einen Verdienst hätte erzielen können, bei dem pfändbare Beträge für die Befriedigung der Insolvenzgläubiger oder wenigstens zur (teilweisen) Deckung der Verfahrenskosten übrig geblieben wären. Denn der Bericht des Treuhänders verhält sich hinsichtlich der den Schuldner in der Wohlverhaltensphase treffenden Obliegenheiten nur zu dem in Malaysia erwirtschafteten angeblich geringen pfändungsfreien Einkommen und zu den ausstehenden Bewerbungsnachweisen. Zu der Frage, welches Einkommen der im Jahre 1949 geborene und unstreitig gesundheitlich beeinträchtigte Schuldner in Deutschland hätte erzielen können, verhält sich der Bericht des Treuhänders nicht.

IV.

10

Die Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen erfolgt nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis. Nach letzterem ist die Sache zur Endentscheidung reif. Das Rechtsbeschwerdegericht hat deshalb in der Sache selbst entschieden, § 577 Abs. 5 ZPO.

Kayser                              Vill                              Lohmann

                   Fischer                          Pape