Entscheidungsdatum: 22.09.2011
Auf die Rechtsmittel des Schuldners werden der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Mosbach vom 14. Mai 2008 und der Beschluss des Amtsgerichts Mosbach vom 9. Januar 2008, soweit das Amtsgericht dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt hat, aufgehoben.
Die Anträge der weiteren Beteiligten zu 1 und 2 auf Versagung der Restschuldbefreiung werden als unzulässig zurückgewiesen.
Die Antragsteller haben die Gerichtskosten aller Rechtszüge sowie die außergerichtlichen Kosten des Schuldners zu tragen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000 € festgesetzt.
I.
In dem auf Antrag des Schuldners eröffneten Insolvenzverfahrens kündigte das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 31. Januar 2006 an, dass der Schuldner die Restschuldbefreiung erlange, wenn er für die Zeit von sechs Jahren ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Obliegenheiten des § 295 InsO nachkomme. Der weitere Beteiligte zu 3 wurde zum Treuhänder in der Wohlverhaltensperiode bestimmt und das Insolvenzverfahren am 13. März 2006 nach § 211 InsO eingestellt.
Der Schuldner war bis einschließlich März 2006 als selbständiger Versicherungsvertreter für die A. in M. tätig. Nach seiner letzten Abrechnung wurde ihm am 15. März 2006 ein Provisionsvorschuss in Höhe von 2.650 € gutgeschrieben. Neben diesem Betrag bezog er im März 2006 anderweitig ein Honorar von 350 € für "kaufmännische Dienstleistungen". Von April bis Juni 2006 war er arbeitsunfähig erkrankt. Seit Oktober 2006 ist er abhängig beschäftigt.
Auf Anträge der weiteren Beteiligten zu 1 und 2 hat das Insolvenzgericht dem Schuldner die Restschuldbefreiung wegen des Verschweigens der im März 2006 aus selbständiger Tätigkeit vereinnahmten Beträge versagt. Seine sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner seinen Zurückweisungsantrag weiter.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 7, 6 Abs. 1, § 296 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Das Rechtsmittel ist auch begründet.
1. Das Beschwerdegericht meint, die glaubhaft gemachten Versagungsgründe der weiteren Beteiligten zu 1 und 2 seien gegeben, weil der Schuldner seine Einnahmen im Monat März 2006, die von der Abtretungserklärung erfasst würden, dem Treuhänder verschwiegen habe. Der Schuldner habe damit seine Obliegenheiten aus § 295 Abs. 1 InsO verletzt. Der Anwendung des § 295 Abs. 2 InsO bedürfe es nicht, wenn ein selbständig tätiger Schuldner über abtretbare Einkünfte verfüge. In den Anwendungsbereich des § 295 Abs. 1 InsO fielen auch arbeitnehmerähnliche Personen, etwa ein Handelsvertreter der - wie hier der Schuldner - nur für ein Unternehmen tätig sei. Die Gläubiger würden durch die Verheimlichung pfändbarer Bezüge auch geschädigt. Dass ein Provisionsvorschuss in Höhe von 2.650 € und ein Beraterhonorar von 350 € pfändbare Bezüge beinhalte, sei anzunehmen.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Versagungsantrag des weiteren Beteiligten zu 1 vom 6./22. Februar 2007 ist unzulässig und daher zurückzuweisen. Entsprechendes gilt für den Versagungsantrag des weiteren Beteiligten zu 2 vom 28. November 2007, in dem dieser nur auf den Bericht des Treuhänders vom 2. November 2007 Bezug genommen hat.
a) Gemäß § 296 Abs. 1 Satz 1 InsO bedarf es zur Versagung der Restschuldbefreiung zwingend eines Gläubigerantrages. Ein solcher Antrag ist nur zulässig, wenn die Versagungsvoraussetzungen glaubhaft gemacht werden, die sich aus § 296 Abs. 1 Satz 1 und 2 InsO ergeben. Nach § 296 Abs. 1 Satz 1 InsO muss der Schuldner während der Laufzeit der Abtretungserklärung gemäß § 287 Abs. 2 InsO, der Wohlverhaltensperiode, eine seiner Obliegenheiten schuldhaft verletzt haben. Weitere Voraussetzung ist, dass die Befriedigung der Insolvenzgläubiger durch die Obliegenheitsverletzung beeinträchtigt ist. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut genügt für eine Versagung eine abstrakte Gefährdung der Befriedigungsinteressen der Gläubiger nicht; vielmehr muss bei wirtschaftlicher Betrachtung eine konkrete messbare Schlechterstellung der Gläubiger wahrscheinlich sein (BGH, Beschluss vom 5. April 2006 - IX ZB 50/05, NZI 2006, 413 Rn. 4; vom 8. Februar 2007 - IX ZB 88/06, ZInsO 2007, 322 Rn. 5; vom 21. Januar 2010 - IX ZB 67/09, ZInsO 2010, 391 Rn. 9; vom 1. Juli 2010 - IX ZB 148/09, ZInsO 2010, 1558 Rn. 7). Das in § 296 Abs. 1 Satz 3 InsO bestimmte Erfordernis der Glaubhaftmachung bezieht sich gerade auch auf diese Versagungsvoraussetzung (BGH, Beschluss vom 5. April 2006, aaO; vom 1. Juli 2010, aaO). Dazu muss im Rahmen einer Vergleichsrechnung die Vermögensdifferenz zwischen der Tilgung der Verbindlichkeiten mit und ohne Obliegenheitsverletzung ermittelt werden. Nach Abzug aller vorrangig zu befriedigenden Verbindlichkeiten muss eine pfändbare Summe verbleiben und dieser an die Insolvenzgläubiger zu verteilende Betrag durch die Obliegenheitsverletzung verkürzt worden sein (BGH, Beschluss vom 1. Juli 2010, aaO).
b) Diesen Anforderungen genügt der Versagungsantrag des weiteren Beteiligten zu 1 nicht. Er hat lediglich geltend gemacht, der Schuldner habe Einkünfte verheimlicht, die er als selbständiger Versicherungsvertreter erzielt habe, pfändbare Beträge seien an den Treuhänder nicht abgeführt worden; eine konkrete Schlechterstellung der Gläubiger, insbesondere, ob pfändbares Einkommen überhaupt erzielt worden sei, ist dagegen nicht glaubhaft gemacht. Dass der Schuldner aufgrund seiner wirtschaftlich selbständigen Tätigkeit etwas an die Masse hätte abführen müssen, wird ebenfalls nicht dargelegt, geschweige denn glaubhaft gemacht. Auch der weitere Gläubiger zu 2, der sich nur auf den Bericht des Treuhänders vom 2. November 2007 berufen hat, trägt zu einer Beeinträchtigung der Befriedigungsaussichten nichts vor. Aus dem Bericht des Treuhänders ergibt sich nichts für eine konkret messbare Beeinträchtigung der Befriedigungsaussichten. Es handelt sich in beiden Fällen um Versagungsanträge, bei denen die Gläubigerbenachteiligung ohne Mitteilung entsprechender aussagekräftiger Tatsachen nur vermutet wird. Dies reicht für einen zulässigen Versagungsantrag ebenso wenig aus wie die Geltendmachung einer bloßen Gefährdung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2008, aaO; vom 1. Juli 2010, aaO).
3. Im Übrigen hat der Senat nach Erlass der Beschwerdeentscheidung geklärt, dass Einnahmen eines selbständig tätigen Schuldners grundsätzlich nicht unter die Abtretungserklärung des § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO fallen. § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist daher insoweit nicht anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 2010 - IX ZR 234/08, ZInsO 2010, 59). Einnahmen, die der Schuldner aufgrund einer wirtschaftlich selbständigen Tätigkeit erzielt, müssen ihm uneingeschränkt zur Verfügung stehen, damit er seiner Abführungspflicht aus § 295 Abs. 2 InsO gerecht werden kann. Sie können deshalb - ungeachtet der Tatsache, dass auch der selbständig tätige Schuldner seinem Antrag eine Abtretungserklärung nach § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO beizufügen hat - in aller Regel auch nicht als pfändbares Einkommen im Sinne des § 850 Abs. 2 ZPO angesehen werden (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2010, aaO Rn. 8 ff). Zwar hat der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung offen gelassen, ob dies auch dann gilt, wenn es sich bei dem Schuldner nur um einen Scheinselbständigen handelt. Anhaltspunkte für eine bloße Scheinselbständigkeit hat das Beschwerdegericht aber nicht festgestellt, so dass die Provisionszahlungen, von denen die Betriebsausgaben des Schuldner und die von diesem zu entrichtenden Abgaben noch nicht abgesetzt sind, jedenfalls nicht unter die Abtretungserklärung fallen. Dies gilt erst recht für das Honorar, welches der Schuldner von einem anderen Auftraggeber erhalten hat.
III.
Die Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen erfolgt nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis. Nach Letzterem ist die Sache zur Endentscheidung reif. Das Rechtsbeschwerdegericht hat deshalb in der Sache selbst zu entscheiden, § 577 Abs. 5 ZPO.
Kayser Raebel Lohmann
Pape Möhring