Entscheidungsdatum: 26.04.2012
Der Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren, der im Auftrag der Gläubigerversammlung Anfechtungsansprüche prüft und durchsetzt, erhält hierfür einen Zuschlag auf seine Vergütung, wenn sein Arbeitsaufwand erheblich war.
Auf die Rechtsbeschwerde des Treuhänders wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 9. Mai 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Treuhänders entschieden worden ist.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 2.441,34 € festgesetzt.
I.
Das Insolvenzgericht eröffnete im September 2007 das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des N. V. (nachfolgend Schuldner) und bestellte den weiteren Beteiligten zum Treuhänder. Dieser erstattete im Januar 2011 den Schlussbericht. Gleichzeitig beantragte er, seine Vergütung auf der Grundlage einer Berechnungsgrundlage von 19.655,71 € unter Verdoppelung des Regelsatzes von 2.952,21 € auf 5.900 € festzusetzen zuzüglich einer Auslagenpauschale von 885,66 € und 19 v.H. Umsatzsteuer, zusammen 8.074,94 €.
Das Insolvenzgericht hat in einem Abhilfebescheid die Vergütung einschließlich Auslagen und Umsatzsteuer zuletzt auf 5.471,04 € festgesetzt, wobei es auf der Grundlage einer nachgewiesenen Insolvenzmasse von 19.538,51 € eine Regelvergütung von 2.930,78 € errechnet und hierauf im Hinblick auf die vom Treuhänder geltend gemachte Rückforderung von abgetretenen Lohnansprüchen und die geltend gemachten Anfechtungsansprüche einen Zuschlag von 30 v.H. gewährt hat, was zusammen 3.735,48 € ergebe. Die Auslagen setzte es mit 862,03 € an, beides jeweils zuzüglich Umsatzsteuer.
Auf die sofortige Beschwerde des Treuhänders hat das Landgericht ausgehend von einer Insolvenzmasse von 19.538,51 € die Regelvergütung von 15 v.H. mit ebenfalls 2.930,78 € bemessen, ebenfalls einen Zuschlag von 30 v.H. zugebilligt und daraus eine Vergütung von 3.810,56 € (richtig: 3.810,01 €) errechnet und die Auslagenpauschale auf 30 v.H. der Regelvergütung festgesetzt, zusammen zuzüglich 19 v.H. Umsatzsteuer, insgesamt 5.580,85 € (richtig: 5.580,20 €).
Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Treuhänder eine weitere Vergütung von 2.051,55 € zuzüglich Umsatzsteuer.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 6, 7, 64 Abs. 3 Satz 1, § 304 Abs. 1 Satz 1 InsO, Art. 103f EGInsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2, § 575 ZPO). Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, soweit zum Nachteil des Treuhänders erkannt wurde, und zur Zurückverweisung an das Beschwerdegericht.
1. Das Beschwerdegericht hat gemeint, die Prüfung von Anfechtungsansprüchen und deren Realisierung sei eine Leistung, die regelmäßig vom Treuhänder wahrzunehmen sei; sie rechtfertige keinen Zuschlag. Angemessen sei der vom Insolvenzgericht zuletzt zuerkannte Zuschlag von 30 v.H.
Demgegenüber vertritt die Rechtsbeschwerde die Auffassung, die Prüfung und Realisierung von Anfechtungsansprüchen gehöre nicht zu den Regelaufgaben des Treuhänders im Verbraucherinsolvenzverfahren, weshalb ein Zuschlag gerechtfertigt sei.
2. Das Beschwerdegericht hat ebenso wie das Insolvenzgericht verkannt, dass die Prüfung und Durchsetzung von Ansprüchen aus Insolvenzanfechtung nicht zu den Regelaufgaben des Treuhänders im vereinfachten Insolvenzverfahren gehört und deshalb einen Zuschlag zur Vergütung rechtfertigen kann.
a) Die Regelvergütung des Treuhänders im vereinfachten Insolvenzverfahren berechnet sich mit 15 v.H. der Insolvenzmasse. Diese beträgt hier nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts 19.538,51 €, weshalb die Regelvergütung vom Beschwerdegericht zutreffend mit 2.930,78 € berechnet worden ist.
b) Zwar findet § 3 InsVV gemäß § 13 Abs. 2 InsVV keine Anwendung. Das bedeutet aber nur, dass die dortigen Regelfälle nicht angewandt werden können. Zu- und Abschläge sind jedoch in besonders gelagerten Ausnahmefällen möglich (BGH, Beschluss vom 24. Mai 2005 - IX ZB 6/03, ZInsO 2005, 760, 761; vom 22. September 2011 - IX ZB 193/10, ZIP 2011, 2158 Rn. 15). Zu- und Abschläge können demnach, vom Regelfall des § 13 Abs. 1 Satz 2 InsVV abgesehen, dann in Betracht kommen, wenn erhebliche Abweichungen von dem Tätigkeitsbild vorliegen, wie es typischerweise beim Treuhänder gegeben ist und dem Verordnungsgeber vorschwebte (BGH, Beschluss vom 24. Mai 2005 - IX ZB 6/03, aaO; vom 21. Februar 2008 - IX ZB 62/05, BGHZ 175, 307 Rn. 23; vom 22. September 2011, aaO Rn. 16).
c) Der Verordnungsgeber ging davon aus, dass der Treuhänder gegenüber dem Insolvenzverwalter nur einen deutlich reduzierten Aufgabenkreis wahrzunehmen hat (BGH, Beschluss vom 22. September 2011 - IX ZB 193/10, aaO Rn. 9, 17). Eine wesentliche Beschneidung seiner Amtsbefugnisse im Verhältnis zum Insolvenzverwalter besteht gerade darin, dass der Treuhänder zur Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen kraft Gesetzes nicht berechtigt ist, § 313 Abs. 2 Satz 1 InsO (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Februar 2008 aaO Rn. 15). Er bedarf hierzu eines besonderen Auftrags durch die Gläubigerversammlung gemäß § 313 Abs. 2 Satz 3 InsO.
Demgemäß zählt die Prüfung und Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen nicht zu den Regelaufgaben des Treuhänders (HK-InsO/Keller, 6. Aufl. § 13 InsVV Rn. 4; Stephan in Stephan/Riedel, InsVV § 13 Rn. 12). Hat sie einen erheblichen Arbeitsaufwand verursacht, ist für diese Tätigkeit ein Zuschlag zu gewähren.
d) Die Bemessung des Zuschlags ist Aufgabe des Tatrichters. Die angefochtene Entscheidung ist deshalb in dem ausgesprochenen Umfang aufzuheben und an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen. Es ist eine neuerliche Festsetzung des angemessenen Zuschlags vorzunehmen.
III.
Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich daraufhin, dass die vom Beschwerdegericht nachzuholende Prüfung der Höhe des Zuschlags nicht zu einer Erhöhung der Vergütung führen muss. Im Verfahren der sofortigen Beschwerde und der Rechtsbeschwerde gilt zwar das Verschlechterungsverbot (BGH, Beschluss vom 6. Mai 2004 - IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 124 ff) mit der Folge, dass die Position des (alleinigen) Rechtsmittelführers nicht zu seinem Nachteil verändert werden darf. Das Beschwerdegericht darf deshalb die dem Rechtsmittelführer bereits zugesprochene Vergütung nicht herabsetzen. Es wird aber durch das Verschlechterungsverbot nicht gehindert, bei Feststellung der angemessenen Vergütung Faktoren anders zu bemessen als bisher, soweit es den Vergütungsbetrag insgesamt nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers ändert (BGH, Beschluss vom 16. September 2010 - IX ZB 154/09, ZIP 2010, 2056 Rn. 5; vom 7. Oktober 2010 - IX ZB 115/08, ZInsO 2010, 2409 Rn. 10; vom 17. März 2011 - IX ZB 145/10, ZInsO 2011, 839 Rn. 14).
1. Der vom Beschwerdegericht bislang zugebilligte Zuschlag von 30 v.H. entbehrt einer tragfähigen Grundlage. Die fiktive Zugrundelegung eines weder behaupteten noch festgestellten Arbeitsaufwandes von 29 Stunden ist hierfür von vornherein ungeeignet. Festzustellen ist vielmehr, ob die in der Beschwerdeentscheidung für zuschlagswürdig erachteten Tätigkeiten unter den oben angeführten Voraussetzungen einen Zuschlag von 30 v.H. oder mehr rechtfertigen. Das Beschwerdegericht hat sich insoweit, ohne allerdings näher darauf einzugehen, die Zuschlagsentscheidung des Insolvenzgerichts in der Abhilfeentscheidung zu eigen gemacht. Dieses hatte zwar wie das Landgericht ebenfalls einen Zuschlag wegen der Prüfung und Realisierung von Anfechtungsansprüchen abgelehnt, freilich anschließend den bewilligten Zuschlag von 30 v.H. mit der Rückforderung unwirksam abgetretenen Lohns, aber gerade auch mit den beiden geltend gemachten Anfechtungsansprüchen begründet. Das Landgericht hat damit einen besonderen Zuschlag für die Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen zwar ausdrücklich abgelehnt, ihn in der Sache aber gleichwohl gewährt. Dies wird bei der neuerlichen Prüfung der Höhe des angemessenen Zuschlags zu berücksichtigen sein.
2. Nach der Niederschrift über die Gläubigerversammlung vom 14. April 2010 und dem Schlussbericht des Treuhänders war dieser ermächtigt, Anfechtungsansprüche gegen die Firma E GmbH in Höhe von 549,75 € geltend zu machen. Diese Anfechtungsansprüche hat er realisiert.
Für die gegen das Finanzamt realisierten Anfechtungsansprüche in Höhe von 1.549 € ist dagegen die nach § 313 Abs. 2 Satz 3 InsO erforderliche Ermächtigung der Gläubigerversammlung nicht erkennbar. Der Treuhänder kann jedoch nur für eine Tätigkeit vergütet werden, die er in berechtigter Weise ausgeübt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 2007 - IX ZB 279/05, Rn. 9 mwN).
3. Wenn auch die Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs gegen das Finanzamt bei der Vergütungsfestsetzung zu berücksichtigen sein sollte, hätte der Treuhänder zugunsten der Masse insgesamt Anfechtungsansprüche von 2.098,75 € realisiert. Die von ihm hierfür nunmehr noch geltend gemachte weitere Vergütung beträgt 2.051,55 € zuzüglich 19 v.H. Umsatzsteuer, zusammen 2.441,34 €. Durch die Regelvergütung von 15 v.H. auf die realisierte Masse enthält die zuerkannte Regelvergütung bereits einen Anteil von 314,81 € zuzüglich Umsatzsteuer aus den realisierten Anfechtungsansprüchen. Hinzu kommt der für die Anfechtungsansprüche in dem bereits zuerkannten Zuschlag von 30 v.H. enthaltenen Betrag zuzüglich Umsatzsteuer. Die für die Prüfung und Durchsetzung der Anfechtungsansprüche begehrte Vergütung würde damit die hierdurch erwirtschaftete Masse bei weitem übersteigen. Auch das wird bei der Festsetzung eines angemessenen Zuschlags bei der tatrichterlichen Abwägung zu berücksichtigen sein.
Kayser Gehrlein Vill
Lohmann Fischer