Entscheidungsdatum: 29.03.2012
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 14. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 6. Mai 2009 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 14.757,20 € festgesetzt.
I.
Auf Antrag der Schuldnerin, einer GmbH, eröffnete das Amtsgericht am 13. Oktober 2005 das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen und bestellte den weiteren Beteiligten zu 2 zum Insolvenzverwalter. Wegen Rückzahlung eines eigenkapitalersetzenden Darlehensbetrags von 200.000 DM an die weitere Beteiligte zu 1 und Gesellschafterin der Schuldnerin erhob der Insolvenzverwalter Klage, über die bisher nicht entschieden ist. Die weitere Beteiligte zu 1 löste die angemeldeten Forderungen gegen die Schuldnerin ab und meldete sie ihrerseits zur Tabelle an. Gleichzeitig stimmte sie der Einstellung des Verfahrens zu, welche die Schuldnerin beantragt hatte.
Der weitere Beteiligte zu 2 berechnete seinen Vergütungsanspruch unter Einbeziehung der rechtshängigen Kapitalersatzforderungen in die Grundlage einschließlich der Erstattung von Auslagen und Umsatzsteuern mit 31.608,44 €. Das Amtsgericht setzte den Anspruch des weiteren Beteiligten zu 2 einschließlich Erstattung von Auslagen und Umsatzsteuern auf 3.820,39 € fest.
Auf die sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 2 änderte das Landgericht die Festsetzungen auf einen Vergütungsanspruch von 10.403,61 €, die zu erstattenden Auslagen auf 5.207,81 € und die weiter zu erstattenden Umsatzsteuern auf insgesamt 2.966,17 €. Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1, mit der sie beantragt, die amtsgerichtliche Festsetzung wiederherzustellen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß Art. 103f EGInsO nach bisherigem Recht ohne Zulassung statthaft und wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs der weiteren Beteiligten zu 1 (Art. 103 Abs. 1 GG) sowohl zulässig als auch begründet.
1. Das Beschwerdegericht hat gemeint, die Durchsetzbarkeit der Kapitalersatzforderung gegen die weitere Beteiligte zu 1 nicht verlässlich einschätzen zu können. Die niedrigen Bezüge der weiteren Beteiligten zu 1 ließen noch nicht auf ihre Vermögenslosigkeit schließen. Deshalb sei das Risiko, dass der dortige Kläger einen eventuell titulierten Anspruch nicht durchsetzen könne, nicht in besonderem Maße erhöht. Demgegenüber hat die weitere Beteiligte zu 1 mit Schriftsatz vom 27. April 2009 vortragen lassen, die rechtshängige Kapitalersatzforderung gegen sie sei nicht durchsetzbar. Ihr Bruttomonatslohn betrage bei Unterhaltspflicht für ein Kind nur 1.865,47 €. Die Insolvenzforderungen seien mit Mitteln von Verwandten abgelöst worden. Das Beschwerdegericht durfte sich über diesen Vortrag nicht ohne weiteres hinwegsetzen.
2. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Sachvortrags verstößt auch dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn der Tatrichter dieses Vorbringen möglicherweise zur Kenntnis genommen hat, das Unterlassen der danach gemäß § 5 Abs. 1 InsO gebotenen Beweiserhebung aber im Verfahrensrecht keine Stütze mehr findet (vgl. BVerfG, NJW 2003, 1655; BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - IX ZR 173/03, WM 2007, 569 Rn. 9). Das Vorbringen der weiteren Beteiligten zu 1 bestreitet den wesentlichen Teil der Berechnungsgrundlage für die Vergütungsforderung des weiteren Beteiligten zu 2. Die Feststellungslast für die Tatsachen, welche seine Vergütungsforderung begründen, trifft nach allgemeinen Grundsätzen den Insolvenzverwalter. Unter diesen Umständen rechtfertigt es das Aufklärungsermessen des Insolvenzgerichts nach § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht, auf die Feststellung der nach Sachlage unerlässlichen Erkenntnisse über die Berechnungsgrundlage der streitigen Vergütungsforderung zu verzichten (vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 2005 - I ZR 266/02, NJW 2006, 615 Rn. 28; Beschluss vom 7. Dezember 2006, aaO Rn. 10). Das Beschwerdegericht hätte die weitere Beteiligte zu 1 zu ihren Vermögensverhältnissen vernehmen müssen und dabei auch die Namen der Personen erforschen können, welche die Mittel zur Ablösung der Insolvenzforderungen verfügbar gemacht hatten.
3. Die Beschwerdeentscheidung kann danach keinen Bestand haben. Das Verfahren ist zur weiteren Sachaufklärung von Amts wegen an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
III.
Für das weitere Verfahren gibt der Senat folgende Hinweise:
1. Kann ein entsprechender Titel gegen die weitere Beteiligte zu 1 derzeit nicht vollstreckt werden, weil diese unpfändbar ist, muss die Forderung der Schuldnerin wertberichtigt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2012 - IX ZB 230/10, WM 2012, 520 Rn. 9 ff). Im Allgemeinen wird es rechtlich nicht zu beanstanden sein, wenn bei offenen Vollstreckungsaussichten in der Zukunft diese Wertberichtigung auch für die Zwecke der Berechnungsgrundlage einer Verwaltervergütung auf die Hälfte des Nennbetrags erfolgt.
2. Ansprüche auf Rückführung kapitalersetzender Darlehen gegen einen Gesellschafter sind in der Insolvenz der GmbH bei der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Verwalters grundsätzlich nur in der Höhe zu berücksichtigen, in der ihre Einziehung erforderlich ist, um alle Masse- und Insolvenzgläubiger zu befriedigen (BGH, Beschluss vom 9. Februar 2012 - IX ZB 230/10, aaO Rn. 11 ff (mwN). In diesem Umfang ist der Erstbeschwerde daher trotz des schon zur Deckung der vom Amtsgericht festgesetzten Vergütung derzeit unzureichenden Massebestandes das Rechtsschutzbedürfnis nicht abzusprechen. Der weitere Beteiligte zu 2 hat seine Bereitschaft zur Fortführung des Kapitalrückführungsstreits entsprechend § 31 GmbHG mitgeteilt.
Die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Insolvenzverwalters richtet sich somit in Fällen dieser Art grundsätzlich nach der Höhe des einziehbaren Kapitalrückführungsanspruchs, der sich wiederum nach der Vergütung des Verwalters bestimmt. Für ihre Berechnungsgrundlage muss deshalb im Wege der Annährung nach § 4 InsO, § 287 Abs. 1 ZPO ein Betrag geschätzt werden, durch den die hieraus zu berechnende Vergütung abgedeckt ist (BGH, Beschluss vom 9. Februar 2012, aaO Rn. 14).
Kayser Raebel Gehrlein
Grupp Möhring