Entscheidungsdatum: 04.02.2010
Die Höhe der Mindestvergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters richtet sich nach der Anzahl der Gläubiger, denen nach den Unterlagen des Schuldners offene Forderungen gegen den Schuldner zustehen, soweit mit einer Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren zu rechnen ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich der vorläufige Verwalter mit den Forderungen konkret befasst hat .
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hechingen vom 13. Mai 2008 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 813,70 € festgesetzt.
I.
Der weitere Beteiligte (im Folgenden: Beteiligter) wurde im Verfahren über den Antrag des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Februar 2006 zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. In seinem Abschlussbericht ermittelte er die freie Masse unter Berücksichtigung von Anfechtungstatbeständen auf 18.000 €. Am 16. Mai 2006 beantragte er, seine Vergütung als vorläufiger Insolvenzverwalter auf 3.010,70 € festzusetzen. Dem Antrag legte er, weil die Realisierung der Anfechtungstatbestände zweifelhaft war, die Mindestvergütung nach einer Anzahl von 56 Gläubigern zugrunde. Am 18. Juni 2006 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Vergütung des Beteiligten wurde auf 2.197 € festgesetzt. Dabei ging das Insolvenzgericht von 31 Gläubigern aus. Die 24 Arbeitnehmer des Schuldners und seine Ehefrau, welche nach Angabe des Beteiligten offene Lohnforderungen hatten, berücksichtigte es nicht. Die sofortige Beschwerde blieb ohne Erfolg. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Beteiligte seinen Vergütungsanspruch weiter.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 7, 6, 64 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Der Bundesgerichtshof hat bislang noch nicht entschieden, nach welchen Kriterien die für die Berechnung der Mindestvergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters maßgebliche Gläubigeranzahl zu bestimmen ist.
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
1. Das Landgericht hat eine Berücksichtigung der Arbeitnehmer und der Ehefrau des Schuldners abgelehnt, weil der weitere Beteiligte nicht ausreichend dargelegt habe, ob jeweils ein konkreter, ins Gewicht fallender Mehraufwand wegen der Prüfung einer Forderung angefallen sei. Dies gelte umso mehr, als er sich mit den Arbeitnehmern ohnehin im Zusammenhang mit dem Gewerbebetrieb des Schuldners habe befassen müssen und auf dem Arbeitsverhältnis beruhende Lohnforderungen im Regelfall wenige individuelle Besonderheiten aufwiesen.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Der vorläufige Insolvenzverwalter erhält für seine Tätigkeit aufgrund der Verweisung in § 10 InsVV wie der endgültige Insolvenzverwalter die Mindestvergütung nach § 2 Abs. 2 InsVV, wenn sich als Regelvergütung nach § 11 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 InsVV ein niedrigerer Betrag ergäbe. Die Mindestvergütung beträgt in Insolvenzverfahren, in denen nicht mehr als zehn Gläubiger ihre Forderungen angemeldet haben, 1.000 €. Sie erhöht sich je angefangene fünf Gläubiger von elf bis 30 Gläubigern um 150 €, ab 31 Gläubigern um 100 €. Für die Mindestvergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters kann allerdings nicht auf die Anzahl der Gläubiger abgestellt werden, die Forderungen "angemeldet" haben, weil im Eröffnungsverfahren Forderungsanmeldungen (§ 174 InsO) noch nicht vorliegen und die Anzahl der Gläubiger, die im eröffneten Verfahren Forderungen anmelden, bei Beantragung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters regelmäßig noch nicht bekannt ist. Maßgeblich ist deshalb nach der Rechtsprechung des Senats die Anzahl der im Eröffnungsverfahren beteiligten Gläubiger (BGHZ 168, 321, 338 Rn. 41). Offen gelassen hat der Senat bisher, ob dabei sämtliche Gläubiger zu berücksichtigen sind, die nach den Schuldnerunterlagen voraussichtlich im Insolvenzverfahren beteiligt sein werden, oder nur diejenigen, die den Eröffnungsantrag gestellt haben oder mit deren Forderungen sich der vorläufige Insolvenzverwalter konkret befasst hat.
b) Die Höhe der Mindestvergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters richtet sich nach der Anzahl der Gläubiger, denen nach den Unterlagen des Schuldners Forderungen zustehen, soweit mit einer Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren zu rechnen ist.
aa) Die Staffelung der Mindestvergütung nach der Anzahl der Gläubiger wurde mit der Änderungsverordnung vom 4. Oktober 2004 (BGBl. I S. 2569) eingeführt. Sie soll dem unterschiedlichen Aufwand der Verwalter in den jeweiligen Verfahren Rechnung tragen. Die Anzahl der Gläubiger wurde als geeignetes Differenzierungskriterium erachtet, das den Aufwand des Verwalters in etwa abbildet (vgl. die Begründung der Verordnung, abgedruckt u.a. in ZIP 2004, 1927). Der Senat hat entschieden, dass sich diese Neuregelung im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage des § 65 i.V.m. § 63 InsO hält und nicht verfassungswidrig ist (Beschl. v. 13. März 2008 - IX ZB 63/05, ZIP 2008, 976). Für das eröffnete Insolvenzverfahren wird mit der Anzahl der Gläubiger, die ihre Forderungen angemeldet haben, ein Kriterium verwendet, das als Indikator für den Aufwand des Verwalters dient, diesen also nur pauschal und näherungsweise wiedergeben soll. Die tatsächliche Belastung des Verwalters braucht im Interesse einer praktikablen Handhabung der Vergütungsfestsetzung nicht ermittelt zu werden. Dadurch soll im Durchschnitt der massearmen Verfahren eine leistungsgerechte Vergütung erreicht werden.
bb) Diesem pauschalierenden Charakter der Regelung würde es nicht entsprechen, im Eröffnungsverfahren nur auf die Anzahl der Gläubiger abzustellen, mit denen sich der vorläufige Verwalter nachweislich konkret befasst hat (so aber Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV 4. Aufl. § 2 Rn. 50 und § 11 Rn. 75; Graeber, Vergütung in Insolvenzverfahren von A-Z Rn. 315; dagegen Graf-Schlicker/Mäusezahl, InsO, § 11 InsVV Rn. 5). Die Anzahl der Gläubiger, die selbst einen Antrag auf Eröffnung des Verfahrens gestellt haben, ist kein geeigneter Indikator für den Umfang der Tätigkeit eines vorläufigen Verwalters (Blersch in Blersch/Goetsch/Haas, Insolvenzrecht § 11 InsVV Rn. 47). Den Gläubigern, die im eröffneten Verfahren Forderungen anmelden, entspricht im Eröffnungsverfahren am ehesten die Gesamtzahl der festgestellten Gläubiger, bei denen mit einer Forderungsanmeldung im eröffneten Verfahren zu rechnen ist (Stephan/Riedel, InsVV § 11 Rn. 56; HK-InsO/Keller, 5. Aufl. § 11 InsVV Rn. 7; HmbKomm-InsO/Büttner, 3. Aufl. § 11 InsVV Rn. 141).
cc) Danach sind als Gläubiger im Sinne der §§ 10, 2 Abs. 2 InsVV grundsätzlich auch die Arbeitnehmer des Schuldners zu berücksichtigen, die zum Zeitpunkt der Bestellung des vorläufigen Verwalters offene Forderungen haben. Eine konkrete Befassung mit diesen Forderungen braucht der vorläufige Insolvenzverwalter nicht nachzuweisen. Nicht selten wird es aber in diesen Fällen zu keiner Forderungsanmeldung der einzelnen Arbeitnehmer im Insolvenzverfahren kommen, weil ihre Lohnforderungen mit dem Antrag auf Insolvenzgeld auf die Bundesagentur für Arbeit übergehen (§§ 183, 187 SGB III). Für die Berechnung der Mindestvergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters sind solche Arbeitnehmer daher zu einem Gläubiger zusammenzufassen. Ansonsten käme es zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Besserstellung des vorläufigen gegenüber dem endgültigen Insolvenzverwalter. Arbeitnehmer mit Lohnforderungen aus Zeiträumen, für die kein Insolvenzgeld gewährt wird, bleiben hingegen auch im eröffneten Verfahren als Gläubiger zur Anmeldung ihrer Forderung berechtigt. Sie sind bei der Berechnung der Mindestvergütung gesondert zu berücksichtigen.
c) Mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung können die 24 Arbeitnehmer des Schuldners und seine bei ihm geringfügig beschäftigte Ehefrau danach nicht unberücksichtigt bleiben. Ob sie nach den vorgenannten Maßstäben die Mindestvergütung erhöhen, kann auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden. Die Sache ist daher zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
Kayser Gehrlein Fischer
Pape Grupp