Entscheidungsdatum: 04.02.2015
Die Revision der Klägerseite gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 7. April 2011 wird als unzulässig verworfen, soweit der Anspruch nicht auf den gemäß § 5a VVG a.F. erklärten Widerspruch gestützt ist.
Im Übrigen sowie im Kostenpunkt wird das Berufungsurteil auf die Revision aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Klägerseite (Versicherungsnehmer/in: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Lebensversicherung.
Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Vertragsbeginn zum 1. Oktober 2000 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der bei Antragstellung gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Dem Versicherungsschein waren die Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die besonderen Produktbedingungen, ein Merk- blatt für fondsgebundene Lebensversicherungen, ein Merkblatt zur Fondsanlage und eine Belehrung über das Widerspruchsrecht beigefügt. Auf Antrag d. VN wurde der Vertrag zum 1. Mai 2009 beitragsfrei ge- stellt. Mit Schreiben vom 25. Juni 2009 erklärte die p. Gesellschaft für Projektentwicklung und -durchführung AG (im Folgenden: p. AG) als Zessionarin den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. Der Versicherer legte das Schreiben als Kündigung aus und zahlte d. VN einen Rückkaufswert von 6.316,72 €.
Mit der Klage verlangt d. VN Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts, insgesamt 7.864,41 €.
Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.
Die Revision als unzulässig zu verwerfen, soweit der Anspruch nicht auf den gemäß § 5a VVG a.F. erklärten Widerspruch gestützt ist. Im Übrigen führt sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. Der Versicherer habe d. VN zwar die Versicherungsbedingungen überlassen und ihn in drucktechnisch hervorgehobener Form über das Widerspruchsrecht belehrt. Der Vortrag d. VN in zweiter Instanz, die Verbraucherinformation sei nicht den Anforderungen des § 10a VAG a.F. gerecht geworden, sei pauschal, wobei die Beklagte einräume, dass der Rückkaufswert in der Information nicht angegeben worden sei. Selbst wenn der Vortrag d. VN nicht als verspätet zurückzuweisen oder unbeachtlich wäre, wäre der Vertrag gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie rückwirkend endgültig wirksam geworden. D. VN habe auch kein Widerrufsrecht nach den §§ 355, 495 Abs. 1, 499 Abs. 1 BGB a.F. zugestanden. Der Versicherer sei nicht wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung nach den Grundsätzen des Verschuldens beim Vertragsschluss zum Schadensersatz verpflichtet.
II. Die Revision ist mangels Zulassung hinsichtlich des mit ihr weiterverfolgten Schadensersatzanspruchs unzulässig.
Sie ist nur statthaft, soweit das Berufungsgericht den Widerspruch nach § 5a VVG a.F. für unwirksam erachtet hat. Es hat die Revision beschränkt auf die Frage, ob § 5a VVG a.F. mit europäischem Recht vereinbar sei, zugelassen. Diese auch in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck gebrachte Beschränkung der Revisionszulassung auf den aus dem Widerspruch abgeleiteten Bereicherungsanspruch ist wirksam. Der diesem zugrunde liegende Sachverhalt kann in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem für die Schadensersatzforderung und den Auskunftsanspruch maßgeblichen Prozessstoff beurteilt werden (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 11).
III. Die Revision ist, soweit sie zulässig ist, begründet.
1. Die - auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfende (vgl. BGH, Urteile vom 12. April 2011 - II ZR 197/09, NJW 2011, 2581 Rn. 10; vom 7. Juli 2008 - II ZR 26/07, WM 2008, 1615 Rn. 12; jeweils m.w.N.) - Prozessführungsbefugnis d. VN ist gegeben. Falls die zwischen d. VN und der p AG getroffene - nicht zu den Gerichtsakten gereichte - Abtretungsvereinbarung derjenigen entspricht, die Gegenstand der Senatsurteile vom 11. Dezember 2013 (IV ZR 131/13; IV ZR 136/13; IV ZR 137/13; jeweils in juris veröffentlicht) waren, ist sie ohnehin wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 RDG i.V.m. § 3 RDG gemäß § 134 BGB nichtig. Jedenfalls ist d. VN im Rahmen einer gewillkürten Prozessstandschaft befugt, die an die p. AG abgetretene Forderung im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen. Das erforderliche schutzwürdige Interesse an der Geltendmachung fremder Ansprüche im eigenen Namen ist unter anderem im Fall der Sicherungsabtretung zu bejahen (BGH, Urteile vom 19. September 1995 - VI ZR 166/94, VersR 1996, 83 unter II 2 a; vom 24. Oktober 1985 - VII ZR 337/84, BGHZ 96, 151, 155). Aus der im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgelegten Bestätigung der p. AG vom 6. März 2012 ergibt sich, dass d. VN die streitgegenständliche Forderung sicherungshalber an die p. AG abgetreten hat und von ihr ausdrücklich schon seit dem 1. März 2010 und damit bereits bei Klageerhebung ermächtigt war, Leistung an sich zu fordern. Die erstmalige Bezugnahme d. VN auf seine Ermächtigung zur Prozessführung im Revisionsverfahren ist zu beachten, weil er zu Recht gerügt hat, dass das Berufungsgericht es verfahrensfehlerhaft unterlassen hat, ihm durch entsprechenden Hinweis diesen Vortrag bereits im Berufungsverfahren zu ermöglichen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 1987 - II ZR 21/87, NJW 1988, 1585 unter II 3).
a) Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schafft keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist infolge des Widerspruchs d. VN nicht wirksam zustande gekommen. Der Widerspruch war - ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. normierten Jahresfrist - rechtzeitig.
aa) Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, ob die d. VN übersandte Verbraucherinformation vollständig war, und darauf abgestellt, dass das Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erloschen sei. Wenn d. VN - was für das Revisionsverfahren zu unterstellen ist - mit dem Versicherungsschein keine vollständige Verbraucherinformation erhalten hat, bestand das Widerspruchsrecht nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.
Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (VersR 2014, 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7. Mai 2014 (IV ZR 76/11, VersR 2014, 817 Rn. 17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. VN nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht (vollständig) erhalten hat.
bb) Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 37 m.w.N.).
b) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechtswidrigkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur eine Rückwirkung entspricht dem Effektivitätsgebot (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 42-44).
3. Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. VN bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 45 m.w.N.).
Da es auch hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 46).
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller