Entscheidungsdatum: 27.05.2015
Die Revision gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 19. Dezember 2012 wird auf Kosten der Klägerseite zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auf 1.137,71 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Die Klägerseite (Versicherungsnehmerin: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Rentenversicherung.
Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Vertragsbeginn zum 1. Januar 1998 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der bei Antragstellung gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und im Versicherungsschein eine schriftliche Belehrung über sein Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F.
D. VN zahlte von Januar 1998 bis März 2003 Prämien in Höhe von insgesamt 1.452,78 €. Im April 2003 kündigte d. VN den Vertrag und der Versicherer zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 4. November 2010 erklärte d. VN schließlich den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F.
Mit der Klage verlangt d. VN Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts, insgesamt 1.137,71 €.
Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen, weil das Policenmodell mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union nicht vereinbar sei.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.
Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. D. VN habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen. Die Widerspruchsfrist sei als Folge der Übersendung des Versicherungsscheins nebst allen Unterlagen in Gang gesetzt worden. Die erteilte Widerspruchsbelehrung sei drucktechnisch deutlich hervorgehoben und umfasse Beginn und Dauer der Widerspruchsfrist sowie die Form des Widerspruchs. Innerhalb der 14-tägigen Widerspruchsfrist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. habe d. VN den Widerspruch nicht erklärt. Die Regelung des Policenmodells verstoße nicht gegen die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung. Nicht zuletzt sei die Ausübung des Widerspruchs mit den Grundsätzen von Treu und Glauben unvereinbar.
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
1. Die Voraussetzungen für ein Zustandekommen des Versicherungsvertrages sind hier erfüllt. Nach den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation und eine Widerspruchsbelehrung. Die Revision beanstandet ohne Erfolg, die Belehrung sei nicht in drucktechnisch deutlicher Form hervorgehoben. Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, ist die Belehrung auf Seite 1 des Versicherungsscheins nicht nur durch Fettdruck deutlich hervorgehoben; sie unterscheidet sich zudem in ihrer Struktur stark vom Fließtext und befindet sich an prominenter Stelle kurz vor dem Ende des Versicherungsscheins. Bis zum Ablauf der damit in Gang gesetzten 14-tägigen Widerspruchsfrist erklärte d. VN den Widerspruch nicht.
2. Ob solchermaßen nach dem Policenmodell geschlossene Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln unterliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 16 ff.; BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 2015 - 2 BvR 2437/14, WM 2015, 514 Rn. 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt. D. VN ist es auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Die Treuwidrigkeit liegt darin, dass d. VN nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang unter regelmäßiger Prämienzahlung durchführte und erst dann von dem Versicherer, der auf den Bestand des Vertrages vertrauen durfte, unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben Senatsurteil vom 16. Juli 2014 aaO Rn. 32-42; BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 2015 aaO Rn. 42 ff.). D. VN verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ sie bei Vertragsschluss 1998 ungenutzt verstreichen. D. VN zahlte bis zur Kündigung im April 2003 über fünf Jahre und drei Monate die Versicherungsprämien und ließ danach noch einmal mehr als siebeneinhalb Jahre bis zur Erklärung des Widerspruchs vergehen. Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits 1998 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten VN haben bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Diese vertrauensbegründende Wirkung war für d. VN auch erkennbar.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller