Entscheidungsdatum: 16.01.2013
§ 80 Satz 1 VBLS verstößt nicht gegen das Transparenzgebot.
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 24. September 2010 aufgehoben, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist, und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 24. November 2009 auch im Übrigen zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 900 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Die Klägerin wendet sich gegen die Startgutschrift, die ihr als beitragsfrei versicherter Person von der beklagten Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder nach Umstellung der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst erteilt wurde.
Mit Neufassung ihrer Satzung vom 22. November 2002 (BAnz. Nr. 1 vom 3. Januar 2003; im Folgenden: VBLS) ersetzte die Beklagte ihr früheres - auf dem Versorgungstarifvertrag vom 4. November 1966 (Versorgungs-TV) beruhendes - endgehaltsbezogenes, im Umlageverfahren finanziertes Gesamtversorgungssystem durch ein auf einem Punktemodell beruhendes Betriebsrentensystem. Den Systemwechsel hatten die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes im Tarifvertrag Altersversorgung vom 1. März 2002 (ATV) vereinbart.
Die neue Satzung der Beklagten enthält Übergangsregelungen zum Erhalt von bis zur Systemumstellung erworbenen Rentenanwartschaften. Diese werden wertmäßig festgestellt und als so genannte Startgutschriften auf die neuen Versorgungskonten der Versicherten übertragen. Dabei werden zunächst die Versicherten, deren Versorgungsfall noch nicht eingetreten ist, in rentennahe und rentenferne (Pflicht-)Versicherte unterschieden. Die Anwartschaften der rentennahen Versicherten werden weitgehend nach dem alten Satzungsrecht ermittelt und übertragen. Hingegen werden die Anwartschaften der rentenfernen Versicherten nach den §§ 78 Abs. 1 und 2, 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS i.V.m. § 18 Abs. 2 BetrAVG (in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 21. Dezember 2000, BGBl. I S. 1914; im Folgenden auch: Betriebsrentengesetz) berechnet.
Die Bestimmung der Anwartschaften der am 1. Januar 2002 beitragsfrei Versicherten, die am 1. Januar 2002 nicht mehr pflichtversichert waren, ohne dass ein Anspruch auf Betriebsrente bestand, und die nicht als pflichtversichert gelten, ist in § 80 VBLS geregelt, der - fast wortgleich mit § 34 Abs. 1 ATV - lautet:
"§ 80 Anwartschaften für am 1. Januar 2002 beitragsfrei Versicherte
Die Anwartschaften der am 1. Januar 2002 beitragsfrei Versicherten werden nach der am 31. Dezember 2001 geltenden Versicherungsrentenberechnung ermittelt (…)."
Die am 4. Oktober 1954 geborene Klägerin, die zu den rentenfernen Jahrgängen gehört, war vom 1. April 1975 bis zum 31. August 1993 als Beschäftigte im öffentlichen Dienst insgesamt 151 Monate bei der Beklagten pflichtversichert. Diese erteilte der Klägerin zum 31. Dezember 2001 gemäß § 80 VBLS i.V.m. § 44 VBLS a.F. eine Startgutschrift für beitragsfrei Versicherte in Höhe von 18,13 Versorgungspunkten (entsprechend einer monatlichen Rentenanwartschaft von 72,53 €).
Die Klägerin meint, die ihr erteilte Startgutschrift lege den Wert ihrer im früheren Gesamtversorgungssystem erlangten Anwartschaft nicht verbindlich fest. Sie hat die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr eine Startgutschrift zu erteilen, deren Höhe wie die Versorgungsrente berechnet werde, hilfsweise aus dem 1,25-fachen der für sie entrichteten Beiträge und Umlagen, hilfsweise gemäß § 2 BetrAVG. Weiterhin hat sie beantragt festzustellen, dass die Beklagte bei der Berechnung der Startgutschrift verpflichtet sei, die Entgelte gemäß § 43 VBLS a.F. bis zum 31. Dezember 2001 zu dynamisieren und danach den Altersfaktor gemäß § 36 Abs. 3 VBLS n.F. anzuwenden. Hilfsweise hat sie beantragt festzustellen, dass die von der Beklagten erteilte Startgutschrift den Wert der von ihr bis zum 31. Dezember 2001 erlangten Anwartschaft auf eine bei Eintritt des Versicherungsfalles zu leistende Betriebsrente nicht verbindlich festlege.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin im Übrigen dem zuletzt genannten Hilfsantrag stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Revision.
Die Revision hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückweisung der Berufung, soweit dem Hilfsantrag der Klägerin stattgegeben worden ist.
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die der Klägerin erteilte Startgutschrift unverbindlich. Ob die Erwägungen in dem Senatsurteil vom 14. November 2007 (IV ZR 74/06, BGHZ 174, 127) zur Berechnung der Anwartschaften der rentenfernen Versicherten auf die Verhältnisse der beitragsfrei Versicherten übertragbar seien, könne dahinstehen. Jedenfalls sei die Übergangsregelung des § 80 VBLS schon wegen Intransparenz gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1, Abs. 3 Satz 2, § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB unwirksam. Insbesondere der Umstand, dass die Frage der Bedeutung des vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig erkannten § 44a VBLS a.F. im Rahmen der Verweisung nicht verdeutlicht werde, verstoße gegen das Verständlichkeitsgebot.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat die der Klägerin erteilte Startgutschrift zu Unrecht für unverbindlich erklärt.
1. In vier Urteilen vom 29. September 2010 (IV ZR 11/10, VersR 2011, 63; IV ZR 8/10, juris; IV ZR 179/09, juris; IV ZR 99/09, juris) hat der Senat grundsätzlich über die beitragsfrei Versicherten gemäß § 80 Satz 1 VBLS erteilten Startgutschriften entschieden.
a) Der Senat hat § 80 Satz 1 VBLS nach dem maßgeblichen Verständnis des durchschnittlichen Versicherten so ausgelegt, dass die Anwartschaften entsprechend der - für die Klägerin maßgeblichen - Berechnung der (einfachen) Versicherungsrente nach § 44 VBLS a.F. oder - bei unverfallbaren Anwartschaften - der (qualifizierten) Versicherungsrente gemäß § 18 Abs. 2 BetrAVG n.F. (in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung) festgestellt werden (Senatsurteile vom 29. September 2010, IV ZR 11/10, VersR 2011, 63 Rn. 12 ff.; IV ZR 8/10, juris Rn. 12 ff.; IV ZR 179/09, juris Rn. 9 ff.; IV ZR 99/09, juris Rn. 12 ff.).
b) Mit der Verweisung auf § 18 Abs. 2 BetrAVG n.F. hielt die Übergangsregelung des § 80 Satz 1 VBLS einer Rechtsprüfung nicht in vollem Umfang stand. Da sie auf einer maßgeblichen Grundentscheidung der Tarifvertragsparteien beruht, war dem Senat eine Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB verwehrt (Senatsurteile vom 29. September 2010, IV ZR 11/10, VersR 2011, 63 Rn. 22 f.; IV ZR 8/10, juris Rn. 22 f.; IV ZR 179/09, juris Rn. 19 f.; IV ZR 99/09, juris Rn. 22 f.; jeweils m.w.N.). Im Rahmen der gebotenen Überprüfung anhand der Grundrechte und grundgesetzlichen Wertentscheidungen hat der Senat entschieden, dass die Übergangsregelung für beitragsfrei Versicherte gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, soweit sie auf die Berechnung der Versicherungsrente nach § 18 Abs. 2 BetrAVG Bezug nimmt und daher ein Versorgungssatz von 2,25% für jedes volle Jahr der Pflichtversicherung zugrunde zu legen ist (Senatsurteile vom 29. September 2010, IV ZR 11/10, VersR 2011, 63 Rn. 28 ff.; IV ZR 8/10, juris Rn. 28 ff.; IV ZR 179/09, juris Rn. 25 ff.; IV ZR 99/09, juris Rn. 28 ff. unter Bezugnahme auf das Senatsurteil vom 14. November 2007 - IV ZR 74/06, BGHZ 174, 127 Rn. 128 ff.).
2. Ob die Übergangsregelung des § 80 Satz 1 VBLS auch wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam ist, hat der Senat in den Urteilen vom 29. September 2010 offengelassen, weil es darauf für die damals in Rede stehende Berechnung der qualifizierten Versicherungsrente gemäß § 18 Abs. 2 BetrAVG n.F. nicht ankam (Senatsurteile vom 29. September 2010, IV ZR 11/10, VersR 2011, 63 Rn. 37; IV ZR 8/10, juris Rn. 38; IV ZR 99/09, juris Rn. 37). Für die hier maßgebliche Bezugnahme auf die Berechnung der einfachen Versicherungsrente nach § 44 VBLS a.F. ist diese Frage entscheidungserheblich und zu verneinen.
a) Da eine Inhaltskontrolle der Übergangsregelung des § 80 Satz 1 VBLS ausscheidet, kommt auch eine Überprüfung am Maßstab des Transparenzgebots gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht in Betracht.
b) Im Übrigen ist die in Rede stehende Übergangsregelung nicht intransparent.
aa) Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen (Senatsurteil vom 24. März 1999 - IV ZR 90/98, BGHZ 141, 137, 143). Der durchschnittliche Versicherte kann § 80 Satz 1 VBLS entnehmen, dass darin nicht auf bestimmte Berechnungsregeln, insbesondere nicht auf die §§ 44 und 44a VBLS a.F. Bezug genommen wird, sondern nur auf die Berechnung der - einfachen oder qualifizierten - Versicherungsrente als solche und damit letztlich auf den Betrag, der sich für den jeweiligen beitragsfrei Versicherten errechnet, wenn die Voraussetzungen nach dem am Umstellungsstichtag maßgeblichen Satzungsrecht erfüllt sind (vgl. Senatsurteile vom 29. September 2010, IV ZR 11/10, VersR 2011, 63 Rn. 14; IV ZR 8/10, juris Rn. 14; IV ZR 179/09, juris Rn. 11; IV ZR 99/09, juris Rn. 14). Die Verweisung auf die "am 31. Dezember 2001 geltende Versicherungsrentenberechnung" verdeutlicht, dass es sich um alle Vorschriften handeln soll, die an diesem Tag nach der Satzung der Beklagten für die Berechnung der Versicherungsrente einschlägig waren.
bb) Zudem ist ein Verstoß gegen das Transparenzgebot nicht schon dann gegeben, wenn der Versicherte keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Versicherte von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Erst in der Gefahr, dass der Versicherte wegen unklar abgefasster Allgemeiner Geschäftsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung i.S. von § 307 Abs. 1 BGB (vgl. Senatsurteile vom 17. März 1999 - IV ZR 218/97, BGHZ 141, 153, 159; vom 23. November 1994 - IV ZR 124/93, BGHZ 128, 54, 60 f.; BAG NZA 2009, 538, 547 m.w.N.; BAGE 122, 12, 18 f. m.w.N.). Eine solche Gefahr ist hier weder dargelegt noch sonst erkennbar. Dass sich die Rechtsstellung der Klägerin durch die Verweisung verschlechtert, zeigt die Revisionserwiderung nicht auf. Dagegen spricht bereits, dass sich die Übergangsregelung darauf beschränkt, den Inhalt einer früher maßgeblichen Berechnung festzuschreiben.
c) Schließlich begegnet die Übergangsregelung, soweit sie auf die - zur Berechnung der einfachen Versicherungsrente der Klägerin herangezogene - Bestimmung des § 44 VBLS a.F. verweist, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Dies hat der Senat in den Urteilen vom 29. September 2010 (IV ZR 11/10, VersR 2011, 63 Rn. 27; IV ZR 8/10, juris Rn. 27; IV ZR 179/09, juris Rn. 24; IV ZR 99/09, juris Rn. 27) näher begründet. Bereits mit Urteil vom 14. Januar 2004 (IV ZR 56/03, VersR 2004, 453 unter II 2) hat er entschieden, dass die Regelung des § 44 VBLS a.F. hinzunehmen ist (vgl. auch Senatsurteil vom 15. Februar 2006 - IV ZR 397/02, VersR 2006, 684 Rn. 11). Soweit sie für die Versicherungsrentenberechnung im Rahmen der Übergangsregelung herangezogen wird, ist eine abweichende Beurteilung nicht geboten. Dementsprechend hat der Senat schon in seiner Entscheidung vom 28. März 2007 (IV ZR 145/06, VersR 2007, 1214 Rn. 10 ff.) die Berechnung einer auf § 80 Satz 1 VBLS i.V.m. § 44 VBLS a.F. beruhenden Startgutschrift nicht beanstandet.
Mayen Wendt Felsch
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski