Entscheidungsdatum: 08.12.2010
Der für den Deckungsprozess bindende Haftungstatbestand umfasst lediglich die vom Tatrichter des Haftpflichtprozesses festgestellten und seiner Entscheidung zugrunde gelegten tatsächlichen Elemente; seine rechtliche Einordnung ist dagegen ohne Belang .
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 13. Juli 2007 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Beklagte war Berufshaftpflichtversicherer eines früheren Rechtsanwalts und Notars (im Folgenden auch: Schädiger). Versichert war nach § 1 Satz 1 der zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen zur Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden (AVB) die Ersatzpflicht für Vermögensschäden "wegen eines bei der Ausübung beruflicher Tätigkeit … begangenen Verstoßes".
Der Notar ist durch rechtskräftiges Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10. August 2001 verurteilt worden, an die Klägerin 144.596,70 DM nebst Zinsen als Schadensersatz aufgrund der Verletzung eines Treuhandvertrages zu zahlen, der eine Kapitalanlage in Spanien zum Gegenstand hatte. In diesem Urteil ist festgestellt, dass der Schädiger entgegen seiner Verpflichtung aus dem Treuhandvertrag einen erhaltenen Scheckbetrag nicht unverzüglich der Gesellschaft, deren Obligationen die Klägerin zu erwerben beabsichtigte, zur Verfügung gestellt habe, weshalb diese die entsprechende Stückzahl an Obligationen auch nicht erworben habe; daher hafte der Schädiger gemäß "§ 280 BGB - hilfsweise: pVV des Treuhandvertrags" auf Schadensersatz.
Die Klägerin nimmt nunmehr, nachdem sie den vermeintlichen Deckungsanspruch des Schädigers gegen die Beklagte gepfändet und sich zur Einziehung hat überweisen lassen, die Beklagte auf Zahlung des im Haftpflichtprozess zuerkannten Betrages in Anspruch.
In den Vorinstanzen ist die Klage erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr ursprüngliches Klagebegehren weiter.
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass nicht von notarieller Tätigkeit auszugehen sei; damit liege eine versicherte berufliche Tätigkeit des Schädigers nicht vor. Dies folge mit Bindungswirkung für den Deckungsprozess daraus, dass die Verurteilung im Haftpflichtprozess auf "§ 280 BGB - hilfsweise pVV des Treuhandvertrags -" gestützt worden sei. Auf weitere streitige Fragen wie die Klagefrist nach § 12 Abs. 3 VVG und das Vorliegen einer wissentlichen Pflichtverletzung des Versicherungsnehmers komme es danach nicht mehr an.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Das Berufungsgericht hat bereits die Reichweite der Bindungswirkung des Haftpflichturteils verkannt.
a) Allerdings ist es zutreffend davon ausgegangen, dass § 19 BNotO die ausschließliche Anspruchsgrundlage für die Haftung eines Notars wegen Amtspflichtverletzungen bei Ausübung seiner notariellen Tätigkeit darstellt (BGH, Urteil vom 21. November 1996 - IX ZR 182/95, BGHZ 134, 100, 106). Damit scheiden § 280 BGB bzw. - nach dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Recht - positive Vertragsverletzung als Anspruchsgrundlagen bei pflichtwidrigem notariellen Handeln aus.
b) Richtig ist auch, dass sich aus dem rechtskräftigen Haftpflichturteil Bindungswirkung für den nachfolgenden Deckungsrechtsstreit ergibt, soweit es um den dort festgestellten Haftungstatbestand geht. Dies ist eine notwendige Ergänzung des in der Haftpflichtversicherung geltenden Trennungsprinzips, wonach grundsätzlich im Haftpflichtprozess zu entscheiden ist, ob und in welcher Höhe der Versicherungsnehmer dem geschädigten Dritten gegenüber haftet. Damit wird verhindert, dass die im Haftpflichtprozess getroffene Entscheidung und die zugrunde liegenden Feststellungen im Deckungsprozess erneut in Frage gestellt werden können (Senatsurteil vom 30. September 1992 - IV ZR 314/91, BGHZ 119, 276, 278).
Die Bindungswirkung geht aber nicht weiter, als eine für die Entscheidung im Deckungsprozess maßgebliche Frage sich auch im Haftpflichtprozess nach dem vom Haftpflichtgericht gewählten rechtlichen Begründungsansatz bei objektiv zutreffender rechtlicher Würdigung als entscheidungserheblich erweist, also Voraussetzungsidentität vorliegt. Nur dann ist es gerechtfertigt anzunehmen, eine Feststellung sei Grundlage für die Entscheidung im Haftpflichtprozess. Die Begrenzung der Bindungswirkung auf die Fälle der Voraussetzungsidentität ist insbesondere deshalb geboten, weil der Versicherungsnehmer und der Versicherer keinen Einfluss darauf haben, dass der Haftpflichtrichter "überschießende", nicht entscheidungserhebliche Feststellungen trifft oder nicht entscheidungserhebliche Rechtsausführungen macht (Senatsurteile vom 24. Januar 2007 - IV ZR 208/03 , VersR 2007, 641 und vom 18. Februar 2004 - IV ZR 126/02, VersR 2004, 590).
Die Bindung an eine im Haftpflichtprozess festgestellte schadenverursachende Pflichtverletzung ist auch dann gegeben, wenn daneben noch andere Pflichtverletzungen bestehen mögen; dem Haftpflichtversicherer ist es verwehrt, sich zur Begründung eines Ausschlusstatbestands auf eine andere als die festgestellte Pflichtverletzung zu berufen (Senatsurteile vom 19. März 2003 - IV ZR 233/01, VersR 2003, 635; vom 17. Juli 2002 - IV ZR 268/01, VersR 2002, 1141 = NJW-RR 2002, 1539; vom 20. Juni 2001 - IV ZR 101/00, VersR 2001, 1103).
c) Aus alldem folgt, dass der für den Deckungsprozess bindende Haftungstatbestand lediglich die vom Tatrichter des Haftpflichtprozesses festgestellten und seiner Entscheidung zugrunde gelegten tatsächlichen Elemente umfasst (Senatsurteil vom 20. Juni 2001 aaO unter II 2 b). Maßgeblich ist der äußere Tatbestand der Pflichtwidrigkeit, nicht dessen rechtliche Einordnung. Dies muss auch deshalb gelten, weil sich beide Parteien des Haftpflichtprozesses nicht mit einem Rechtsmittel allein gegen eine fehlerhafte rechtliche Begründung des ergangenen Urteils wehren können. Ein Rechtsmittel, mit dem bei gleichem Ergebnis nur eine andere Entscheidungsbegründung erstrebt würde, wäre mangels Beschwer unzulässig (vgl. BGH, Urteil vom 2. März 1994 - XII ZR 207/92, NJW 1994, 2697 unter 2 a aa).
Anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom Berufungsgericht zitierten Senatsurteil vom 28. September 2005 (IV ZR 255/04, NJW 2006, 289). Auch dort ist bei Rn. 20 der Entscheidungsgründe zur Reichweite der Bindungswirkung ausdrücklich auf die der Haftung des Versicherungsnehmers im Haftpflichturteil zugrunde gelegten tatsächlichen Elemente abgestellt. Soweit der dem Versicherungsnehmer anzulastende Pflichtenverstoß anschließend gesondert genannt ist, ging es im dort entschiedenen Fall nicht um die rechtliche Einordnung unter eine von mehreren möglichen Anspruchsgrundlagen, sondern allein um die Abgrenzung, ob dem Versicherungsnehmer überhaupt ein derartiger, einen Schadensersatzanspruch und damit einen Haftpflichtfall auslösender Verstoß zur Last zu legen war oder ob in Wahrheit ein vertraglicher Erfüllungsanspruch geltend gemacht wurde. Insoweit nimmt die tatsächliche Feststellung, dass in dem Handeln des Versicherungsnehmers eine Pflichtverletzung lag, an der Bindungswirkung teil.
d) Danach steht auch im Streitfall mit Bindungswirkung fest, dass der Versicherungsnehmer der Beklagten eine Pflichtverletzung begangen hat, indem er den erhaltenen Scheck nicht rechtzeitig weiterleitete. Tatsächliche Feststellungen, aus denen sich ergeben könnte, dass der Schädiger hierbei nicht als Notar gehandelt hat, sind im Haftpflichturteil dagegen nicht getroffen. Die festgestellte Pflichtverletzung bleibt vielmehr unabhängig von einer solchen rechtlichen Einordnung im Tatsächlichen gleich. Zur Entscheidung des Haftpflichtprozesses bedurfte es nicht der Klärung, ob notarielle Tätigkeit vorlag.
aa) Auf Grundlage der Annahme pflichtwidrigen Verhaltens waren sowohl die Voraussetzungen des § 280 BGB bzw. der positiven Vertragsverletzung erfüllt, wenn nicht von notarieller Tätigkeit auszugehen ist, als auch diejenigen des § 19 BNotO, wenn notarielle Tätigkeit anzunehmen ist, weil der Schädiger in beiden Fällen zur unverzüglichen Weiterleitung des ihm zugegangenen Schecks verpflichtet gewesen wäre. Insbesondere wäre eine Haftung aus § 19 BNotO nicht am Bestehen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit im Hinblick auf eine Haftung des Schecküberbringers gescheitert. Denn die Klägerin macht nur noch die Beträge geltend, die beim Schecküberbringer trotz eines rechtskräftigen Anerkenntnisurteils mangels pfändbaren Vermögens nicht realisiert werden konnten. Ein Rechtsanspruch, bei dem keine Aussicht auf baldige wirtschaftliche Durchsetzung besteht, stellt keine anderweitige Ersatzmöglichkeit i.S. von § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO dar (vgl. BGH, Urteile vom 5. November 1992 - III ZR 91/91, BGHZ 120, 124, 126 zu § 839 BGB; vom 2. Juli 1996 - IX ZR 299/95, NJW 1996, 3009 unter III 1 b). Außerdem gilt die unbeschränkte Subsidiärhaftung des Notars gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. BNotO nur bei Urkundstätigkeit (§§ 20-22 BNotO), nicht aber bei (selbständigen) Betreuungsgeschäften i.S. der §§ 23, 24 BNotO. Eine Urkundstätigkeit wurde jedoch vom Schädiger nicht vorgenommen.
bb) Ebenso ist eine Bindungswirkung bezüglich der rechtlichen Qualifikation des Anspruchs gegen den Schädiger nicht deshalb gegeben, weil es sich bei der vom Haftpflichtrichter angenommenen vertraglichen Haftung sowie der Haftung aufgrund notarieller Amtspflichtverletzung um unterschiedliche Streitgegenstände handeln würde. Der zur Begründung des Klageantrags unterbreitete Lebenssachverhalt bleibt derselbe, gleich ob die Haftung aus § 280 BGB, positiver Vertragsverletzung oder § 19 BNotO hergeleitet wird; dies ist nur eine Frage der rechtlichen Einordnung. Es kommt hinzu, dass die Klägerin sich schon in der Klageschrift im Ausgangsverfahren gegen den Schädiger darauf berufen hat, dass sich im Verfahren gegen den Schecküberbringer herausgestellt habe, "dass der Beklagte, Treuhänder und Notar, schadensersatzpflichtig ist". Das Vortragen solcher Umstände unter Vorlage der maßgeblichen Urkunden gibt dem Gericht in jedem Fall ausreichenden Anlass zur Prüfung, ob der Beklagte Amtspflichten als Notar verletzt hat (vgl. BGH, Urteil vom 29. März 2001 - IX ZR 445/98, NJW-RR 2001, 1639 unter B I 1 a aa).
a) Der Schädiger hat den im Haftpflichturteil festgestellten Pflichtverstoß im Rahmen der Ausübung notarieller und somit nach § 1 Satz 1 AVB versicherter beruflicher Tätigkeit begangen.
aa) Nach § 23 BNotO können auch die treuhänderische Aufbewahrung von Geld und Wertpapieren und ihre Ablieferung an Dritte mögliche Amtsgeschäfte eines Notars sein; eine notarielle Zuständigkeit zur Übernahme von Treuhandtätigkeiten folgt allgemein aus § 24 BNotO (vgl. Reithmann in Schippel/Bracker, BNotO 8. Aufl. § 23 Rn. 1). Daraus ergibt sich zwar noch nicht, dass jedes Treuhandgeschäft, das ein Notar (insbesondere ein Anwaltsnotar) vornimmt, von ihm auch in dieser Eigenschaft getätigt wird, vor allem wenn es sich um eine isolierte Treuhand ohne Zusammenhang mit einer Beurkundung handelt.
Gerade bei Anlagegeschäften, bei denen der Kunde typischerweise einem unter der Bezeichnung als Notar auftretenden Treuhänder einen besonderen Vertrauensvorschuss entgegenbringt, liegt jedoch die Annahme notarieller Amtsgeschäfte bei einem Treuhandauftrag nahe (vgl. dazu die Fälle in BGH, Urteile vom 21. November 1996 und vom 29. März 2001 jeweils aaO; OLG Frankfurt, Urteil vom 17. September 2003 - 4 U 150/02, juris; OLG Hamm, DNotZ 1997, 228). Lässt der Treuhandauftrag erkennen, dass eine neutrale unparteiische Berücksichtigung der Belange sämtlicher Beteiligter in Rede steht, so ist dies schon unabhängig von der Vermutung des § 24 Abs. 2 Satz 1 BNotO anzunehmen, weil Zweifel im Sinne dieser Norm nicht bestehen (BGH, Urteil vom 21. November 1996 aaO m.w.N. in BGHZ 134, 100, 104).
bb) So liegt der Fall hier. Der Schädiger war nach dem Inhalt des Treuhand- und Geschäftsbesorgungsvertrages (im Folgenden: TuGV) kein einseitiger Interessenvertreter der Klägerin. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass er neben den Belangen sämtlicher Anleger bei der Abwicklung der Beteiligung auch die Interessen der C.-G. zu beachten hatte, die ihm die auszugebenden Obligationen ebenfalls treuhänderisch übertragen hatte (siehe § 1 Abs. 4 TuGV), so dass er bei der weiteren Abwicklung der Transaktion entsprechend dem TuGV erkennbar beiderseitige Sicherungsinteressen im Auge behalten musste. Das wird bestätigt durch sein Schreiben an die Beklagte vom 17. August 2000, dem sich ebenfalls entnehmen lässt, dass er (auch) im Auftrag der Kapital suchenden Initiatoren des Geschäfts tätig war.
Zur Wahrung der Sicherungsinteressen der Klägerin hat der Schädiger im Vertrag bestimmte Versicherungen und Erklärungen abgegeben. So hat er in § 3 Abs. 1 TuGV versichert, dass der Nennwert der Obligationen durch auf ihn übertragene Grundpfandrechte abgesichert sei, in § 5 TuGV vereinbart, den auf dem Treuhandkonto eingezahlten Investitionsbetrag erst freizugeben, wenn er von diesen Grundpfandrechten einen bestimmten Betrag zugunsten der Klägerin "blockiert" hat, und in § 7 Abs. 3 TuGV versprochen, diese von ihm blockierte Sicherheit - oder gegebenenfalls eine zugelassene Austauschsicherheit - so lange zu verwahren, bis die Obligationen nach Beendigung des Vertrages eingelöst wurden. Alle diese Erklärungen hat er als "Rechtsanwalt und Notar" abgegeben und den Vertrag mit diesem Zusatz unterzeichnet. Gleiches gilt für das Anschreiben, mit dem er diesen Vertrag an die Klägerin übersandte. Danach scheidet die Annahme, dass er hier außerhalb seiner beruflichen Stellung tätig wurde, von vornherein aus. Dem steht nicht entgegen, dass derartige Treuhandtätigkeiten grundsätzlich auch von anderen Personen als Anwälten und Notaren übernommen werden könnten (vgl. BGH, Urteil vom 29. März 2001 aaO unter B I 1 a dd).
Notarielle Tätigkeit des Schädigers ist damit ebenso anzunehmen wie in den Fällen, die den Urteilen des Bundesgerichtshofes vom 21. November 1996 und vom 29. März 2001 (aaO) zugrunde lagen. Für die Feststellung, dass der Treuhänder dem Treugeber als unparteiischer Betreuer aller Beteiligten (§ 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO) gegenübergetreten ist, macht es keinen maßgeblichen Unterschied, ob er das Sicherungsinteresse des Beteiligten dadurch zu gewährleisten scheint, dass er (wie in BGH, Urteil vom 21. November 1996, aaO) bestätigt, es seien ausreichende Sicherheiten hinterlegt worden, oder dadurch, dass er - wie hier - erklärt, selbst als Grundpfandgläubiger Inhaber solcher Sicherheiten zu sein, um diese zugunsten des Anlegers zu "blockieren". Dass er nach der Anweisung in § 6 TuGV bei einer etwaigen Verwertung der Grundpfandrechte zugunsten des Anlegers als "Kommissar" im Sinne des spanischen Aktiengesetzes tätig werden soll, mag für einen deutschen Notar untypisch sein, ändert aber nichts daran, dass es auch dabei letztlich nur um die Sicherung des Anlegers geht, die der Notar als neutraler Interessenverwalter versprochen hat.
Angesichts des Inhalts der vom Versicherungsnehmer geschuldeten Tätigkeit kann es keine entscheidende Rolle spielen, dass er sich in § 8 TuGV eine Honorierung nicht nach der Kostenordnung, sondern in Form einer Treuhandgebühr versprechen ließ und in § 9 TuGV eine mit notarieller Amtstätigkeit unvereinbare Haftungsbeschränkung aufnahm. Durch derartige Klauseln können der Inhalt von Amtspflichten und eine Haftung nach § 19 BNotO nicht umgangen werden.
b) Eine etwaige Leistungsfreiheit gegenüber dem Schädiger gemäß § 12 Abs. 3 VVG in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung (im Folgenden: VVG a.F.) kann die Beklagte der Klägerin nach § 158c Abs. 1 VVG a.F. nicht entgegenhalten. Für Notare besteht eine Pflichtversicherung i.S. von § 158b Abs. 1 VVG a.F. gemäß § 19a Abs. 1 BNotO. Die gemäß § 158c Abs. 3 VVG a.F. zu beachtende Mindestversicherungssumme des § 19a Abs. 3 Satz 1 BNotO wird nicht erreicht.
c) Offen geblieben ist jedoch, ob die Haftung der Beklagten wegen einer wissentlichen Pflichtverletzung des Schädigers entfallen ist. Derartige Verstöße sind nach § 4 Nr. 5 der Versicherungsbedingungen vom Versicherungsschutz ausgenommen. Dies gilt auch gegenüber dem geschädigten Dritten, da es sich insoweit nicht um eine Leistungsfreiheit i.S. von § 158c Abs. 1 VVG a.F. handelt, sondern weil bei Eingreifen des Risikoausschlusses von vornherein kein Versicherungsschutz besteht (BGH, Urteil vom 15. Dezember 1970 - VI ZR 97/69, VersR 1971, 239 unter I 2 a). Schließlich erstreckt sich auch die Pflichtversicherung gemäß § 19a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BNotO nicht auf Ersatzansprüche wegen wissentlicher Pflichtverletzung. Zwar hat nach § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO in der aktuell gültigen Fassung der Versicherer an den Ersatzberechtigten zu leisten, wenn nur dieser Ausschlussgrund streitig ist, und kann dann lediglich gemäß § 19a Abs. 2 Satz 3 BNotO beim Notar Regress nehmen. Diese Bestimmungen sind aber erst durch das Dritte Gesetz zur Änderung der Bundesnotarordnung und anderer Gesetze vom 31. August 1998 (BGBl. I S. 2585 ff.) mit Wirkung zum 1. März 1999 in die BNotO eingefügt worden. Sie gelten damit nicht für den hier zu entscheidenden Versicherungsfall aus dem Jahre 1996.
Zur Frage der wissentlichen Pflichtverletzung haben die Vorinstanzen bislang keine Feststellungen getroffen. Eine Bindungswirkung des Haftpflichturteils ist auch in diesem Punkt nicht gegeben. Der Entscheidung des Berufungsgerichts im Haftpflichtprozess lässt sich lediglich entnehmen, dass es von einer schwerwiegenden Vertragsverletzung und damit von "mehr" als einfacher Fahrlässigkeit i.S. von § 9 TuGV ausgegangen ist. Im Übrigen hat sich das Urteil zum Verschuldensgrad nicht festgelegt. Der Rechtsstreit ist deshalb zur Klärung dieses Ausschlussgrundes an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 ZPO.
Wendt Dr. Kessal-Wulf Felsch
Dr. Karczewski Lehmann