Entscheidungsdatum: 21.06.2017
Auf die Rechtsmittel des Klägers wird unter Zurückweisung der Revision im Übrigen das Urteil des 6. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg vom 13. Februar 2015 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers in Höhe von 784,24 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. Januar 2013 zurückgewiesen worden ist, und das Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Berlin in Berlin-Charlottenburg vom 28. August 2013 weiterhin teilweise dahin abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger weitere 784,24 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. Januar 2013 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen der Kläger zu 72% und die Beklagte zu 28%. Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger zu 86% und die Beklagte zu 14%.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5.747,09 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - Nutzungen nach Beendigung einer fondsgebundenen Rentenversicherung.
Diese wurde nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts aufgrund eines Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. August 1999 nach dem so genannten Antragsmodell abgeschlossen. D. VN zahlte fortan die Versicherungsbeiträge.
Zum 31. Dezember 2009 kündigte d. VN den Vertrag. Der Versicherer zahlte daraufhin den Rückkaufswert aus.
Mit Schreiben vom 2. Dezember 2010 erklärte d. VN "den Widerspruch gem. § 5a VVG a.F. bzw. nach § 8 VVG, bzw. den Widerruf nach § 355 BGB".
Mit der Klage hat d. VN Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts nebst Nutzungszinsen in Höhe von 5.747,09 € verlangt.
Nach Auffassung d. VN ist er wirksam vom Versicherungsvertrag zurückgetreten. Da er nicht ordnungsgemäß über sein Rücktrittsrecht belehrt worden sei, habe er auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. den Rücktritt noch erklären können.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Kammergericht hat ihr auf die Berufung d. VN in Höhe von 1.176,53 € nebst Zinsen stattgegeben und die weitergehende Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt d. VN sein Klagebegehren bezüglich der geforderten Nutzungen weiter.
Die Revision hat nur teilweise Erfolg.
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht d. VN gemäß § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 BGB nur ein Anspruch auf Wertersatz für die geleisteten Prämien in Höhe von 1.176,53 € zu.
D. VN sei wirksam von dem Rentenversicherungsvertrag gemäß § 8 Abs. 5 VVG a.F. zurückgetreten. Die Rücktrittsfrist habe für d. VN nicht zu laufen begonnen, da der Versicherer d. VN in dem Antragsformular nicht ordnungsgemäß belehrt habe. Das Rücktrittsrecht sei nicht gemäß § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. einen Monat nach der ersten Prämienzahlung erloschen. Diese Regelung sei richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass sie im Bereich der Lebens- und Rentenversicherung und der Zusatzversicherung zur Lebensversicherung nicht anwendbar sei.
Hinsichtlich der herauszugebenden Nutzungen, die d. VN mit 5.747,09 € berechne, sei die Klage unschlüssig. Da der Versicherer die Prämien schon nicht als Deckungskapital seines eigenen Vermögens angelegt habe, soweit er Prämienanteile den Anlagestocks als Sondervermögen zugeführt habe, an dem die fondsgebundene Rentenversicherung unmittelbar beteiligt sei, könne die Vermutung, dass Banken Kapitalerträge oder Zinsersparnisse in Höhe der gesetzlichen Verzugszinsen erwirtschafteten, von vornherein keine entsprechende Anwendung finden.
An herauszugebenden Nutzungen kämen allein die Erlöse aus den Investitionen in den vom VN ausgewählten Fonds in Betracht. Die Überschüsse betrügen nach den Angaben des Versicherers insgesamt 784,24 €.
D. VN stehe gleichwohl kein Anspruch auf Auszahlung dieses Betrages zu, weil der Überschuss geringer sei als die Summe aus den vergeblich aufgewendeten Abschluss- und Verwaltungskosten von 1.271,13 €. Die Saldierung sei auch bei der Frage der herauszugebenden Nutzungen aufgrund der erforderlichen Interessenabwägung vorzunehmen. Diese ergebe, dass die Verpflichtung zur Herausgabe von Nutzungen nur insoweit bestehe, als bei dem Versicherer aufgrund der Rückabwicklung tatsächliche Vorteile verblieben. Dies sei nicht der Fall, soweit die erzielten Überschüsse geringer seien als die vom Versicherer zu tragenden Kosten. Wenn er diese von dem Wertersatz hinsichtlich der Prämien nicht abziehen dürfe, müsse er mehr an Wertersatz leisten, als ihm von den gezahlten Prämien verblieben sei. Es wäre unbillig, wenn er die diese Aufwendungen nicht übersteigenden Überschüsse auszukehren hätte. Dass eine solche Saldierung vorzunehmen sei, folge auch daraus, dass die Überschüsse gerade unter Aufwendung dieser Kosten erzielt worden seien.
Weitere herauszugebende Nutzungen ergäben sich nicht aus möglicherweise an den Versicherer geflossenen Rückvergütungen des vom VN so bezeichneten Dachfonds, den d. VN bei Antragstellung ausgewählt habe und in den die Sparanteile seiner anfänglichen Prämienzahlungen vom Versicherungsbeginn am 1. August 1999 bis zu dem ersten Fondswechsel vom 23. Mai 2000 geflossen seien. Bei Zahlungen von Fonds, die außerhalb des Portfolios an den Versicherer geflossen seien, handele es sich um sonstige Einnahmen des Versicherers, an denen d. VN entsprechend den Vorschriften des VAG und den hierauf fußenden vertraglichen Vereinbarungen zu beteiligen sei.
II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Das Berufungsgericht hat allerdings rechtsfehlerfrei angenommen, dass d. VN das Rücktrittsrecht aus § 8 Abs. 5 Satz 1 VVG a.F. wirksam ausgeübt hat, da der Versicherer d. VN nicht ordnungsgemäß über sein Rücktrittsrecht belehrt hat.
a) Die im Antragsformular im Rahmen der Schlusserklärungen enthaltene Belehrung über ein Rücktrittsrecht von zehn statt - wie in § 8 Abs. 5 Satz 1 VVG a.F. vorgesehen - 14 Tagen war falsch. Dies stellt auch die Revisionserwiderung nicht in Abrede. Anders als sie mit ihrer Gegenrüge geltend macht, ist diese Belehrung nicht deshalb unerheblich, weil sich im Antrag unmittelbar oberhalb der Unterschrift d. VN auch noch eine Rücktrittsbelehrung mit Angabe der zutreffenden Frist findet. Abgesehen davon, dass diese nicht drucktechnisch hervorgehoben ist, vermag sie die falsche Belehrung in den Schlusserklärungen nicht zu korrigieren.
Eine ordnungsgemäße Belehrung über das Rücktrittsrecht war entgegen der Auffassung des Versicherers auch nicht ausnahmsweise deshalb entbehrlich, weil d. VN bei seinem Antrag auf Abschluss des Versicherungsvertrages durch einen Versicherungsmakler beraten worden ist. Eine ordnungsgemäße Rücktrittsbelehrung war nach § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG a.F. gesetzlich vorgeschrieben. Darauf, ob d. VN im Einzelfall trotz nicht ordnungsgemäßer Belehrung von seinem Rücktrittsrecht gleichwohl zutreffend Kenntnis hatte, kommt es nicht an. Die Frage der Ordnungsgemäßheit der Belehrung ist abstrakt zu beurteilen, wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat (Senatsurteil vom 25. Januar 2017 - IV ZR 173/15, r+s 2017, 126 Rn. 19; Senatsbeschluss vom 27. Januar 2016 - IV ZR 130/15, r+s 2016, 230 Rn. 15 m.w.N.).
b) Der Wirksamkeit der Rücktrittserklärung stand nicht der Ablauf der Frist aus § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. entgegen, nach der das Rücktrittsrecht bei unterbliebener Belehrung jedenfalls einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Diese Befristung ist unwirksam, wie der Senat aufgrund einer richtlinienkonformen Auslegung des § 8 VVG a.F. entschieden und im Einzelnen begründet hat (Senatsurteil vom 17. Dezember 2014 - IV ZR 260/11, VersR 2015, 224 Rn. 20 ff.; vgl. BVerfG WM 2016, 1780).
2. Infolge des wirksamen Rücktritts hat die Beklagte nach § 346 Abs. 1 BGB nicht nur die vom VN gezahlten Prämien zurückzugewähren, sondern auch die gezogenen Nutzungen herauszugeben. Die mit der Revision allein weiterverfolgten Nutzungsherausgabeansprüche hat das Berufungsgericht d. VN überwiegend zu Recht verwehrt.
a) Auch nach § 346 Abs. 1 BGB sind - ebenso wie nach § 818 Abs. 1 Alt. 1 BGB - nur die Nutzungen herauszugeben, die vom Schuldner tatsächlich gezogen wurden (Senatsurteile vom 25. Januar 2017 aaO Rn. 28; vom 11. November 2015 - IV ZR 513/14, VersR 2016, 33 Rn. 41; jeweils m.w.N.).
b) Allerdings können bei der Bestimmung der gezogenen Nutzungen die gezahlten Prämien nicht in voller Höhe Berücksichtigung finden (Senatsurteile vom 25. Januar 2017 aaO; vom 11. November 2015 aaO Rn. 41 ff.).
(1) Nutzungen aus dem Risikoanteil, der dem Versicherer als Wertersatz für den von d. VN faktisch genossenen Versicherungsschutz verbleibt, stehen d. VN nicht zu (Senatsurteile vom 25. Januar 2017 aaO; vom 11. November 2015 aaO Rn. 42).
(2) Bezüglich des auf die Abschlusskosten entfallenden Prämienanteils kommt eine Verpflichtung des Versicherers zur Herausgabe von Nutzungen nicht in Betracht. Der auf die Abschlusskosten entfallende Prämienanteil bleibt für Nutzungsersatzansprüche außer Betracht. Mangels abweichender Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass der Versicherer diesen Prämienanteil nicht zur Kapitalanlage nutzen konnte (Senatsurteile vom 25. Januar 2017 aaO; vom 11. November 2015 aaO Rn. 44 f.).
(3) Hinsichtlich des Verwaltungskostenanteils der Prämien kann nicht vermutet werden, dass der Versicherer Nutzungszinsen in bestimmter Höhe erzielt hat. Insoweit liegt die Darlegungs- und Beweislast beim Versicherungsnehmer, dem ein entsprechender Tatsachenvortrag obliegt, der nicht ohne Bezug zur Ertragslage des jeweiligen Versicherers auf eine tatsächliche Vermutung einer Gewinnerzielung in bestimmter Höhe - etwa in Höhe der hier von d. VN verlangten Zinsen von 7% - gestützt werden kann (Senatsurteile vom 25. Januar 2017 aaO; vom 11. November 2015 aaO Rn. 46 ff.). Diesen Anforderungen genügt der Vortrag d. VN nicht. Es kann auch nicht vermutet werden, dass ein Versicherer Nutzungen in Höhe des gesetzlichen Verzugszinses gezogen hat (Senatsurteile vom 25. Januar 2017 aaO; vom 11. November 2015 aaO Rn. 49).
c) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht allerdings d. VN den Überschuss von 784,24 €, den der Versicherer nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erzielt hat, deshalb vorenthalten, weil er geringer ist als die Summe aus den von dem Versicherer nach seinem Vorbringen aufgewendeten Abschluss- und Verwaltungskosten von insgesamt 1.271,13 €. Wie die Revision zu Recht rügt, ist es widersprüchlich, den entsprechenden Teil der Prämien nicht in die Berechnung der Nutzungen einzubeziehen, ihn aber auch noch von den als tatsächlich erzielt errechneten Nutzungen abzuziehen. Zudem kommt die vom Berufungsgericht vorgenommene Saldierung deshalb nicht in Betracht, weil die einzelnen Prämienbestandteile hinsichtlich der Nutzungen gesondert zu betrachten sind. Im Übrigen besteht die Verpflichtung zur Herausgabe von Nutzungen nicht nur insoweit, als bei dem Versicherer aufgrund der Rückabwicklung insgesamt Vorteile verbleiben. Entscheidend ist, ob der Versicherer die Nutzungen tatsächlich gezogen hat.
d) Weitere herauszugebende Nutzungen ergeben sich entgegen der Auffassung der Revision nicht aus möglicherweise bei Anschaffung der Fondsanteile an den Versicherer geflossenen Rückvergütungen. Dabei handelt es sich, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat, um sonstige, außerhalb des Portfolios geflossene Einnahmen des Versicherers, nicht um von d. VN gezahlte Prämienbestandteile, die der Versicherer zurückzugewähren hat und aus denen er Nutzungen gezogen haben kann.
Weiteres Vorbringen des Versicherers zu den zur Anschaffung der Fondsanteile verwendeten Prämienanteilen hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler für entbehrlich gehalten. Die Revision rügt ohne Erfolg, die in der Rückkaufswertberechnung des Versicherers angegebene "rechnerische Investition" lasse nicht erkennen, was er tatsächlich für die zunächst angeschafften Anteile des "Portfolios S" habe bezahlen müssen. Soweit sie einwendet, dass Versicherer an mit ihnen verbundene Fondsgesellschaften keinen Ausgabeaufschlag bezahlen müssten, hat der Versicherer unwidersprochen vorgetragen, seinerseits d. VN keinen Ausgabeaufschlag in Rechnung gestellt zu haben. Mit Blick darauf ist eine d. VN nachteilige Differenz zwischen rechnerischer und tatsächlicher Investition nicht erkennbar.
Mayen |
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Harsdorf-Gebhardt |
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Lehmann |
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Dr. Brockmöller |
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Dr. Bußmann |
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